Stand: 10.10.19 15:00 Uhr

Fast wie damals? Sohn eines NS-Verbrechers über die AfD

von Robert Bongen und Pia Lenz

"Ich bin der Sohn eines NS-Massenmörders", sagt Niklas Frank. "Seit einiger Zeit sehe ich meinen toten Vater lächeln, weil er sich freut über die Entwicklungen in Deutschland." Vor Jahrzehnten schon hatte Niklas Frank das Leben und die Verbrechen seines Vaters akribisch recherchiert und in dem Buch "Der Vater: Eine Abrechnung" rekonstruiert. "Ich habe den Eindruck, dass das Gedankengut meines Vaters heute in Form der AfD zurückkehrt und es schaudert mich."Er habe deshalb das Bedürfnis, den Deutschen von seinem Vater zu berichten.

Fast wie damals? Sohn eines NS-Verbrechers über die AfD
"Ich bin der Sohn eines NS-Massenmörders", sagt Niklas Frank. Die Entwicklung in Deutschland erschreckt ihn - mit der AfD kehre das Gedankengut seines nationalsozialistischen Vaters zurück

"Der Schlächter von Polen"

Adolf Hitler und Hans Frank

"Er war ohne Gnade", sagt Niklas Frank über seinen Vater Hans Frank, der als treuer Weggefährte Adolf Hitlers für die Vernichtung von Millionen Menschen verantwortlich war.

Sein Vater Hans Frank war ein früher Weggefährte Adolf Hitlers. Von 1939 bis 1945 war er Generalgouverneur im besetzten Polen - und damit verantwortlich für die Verfolgung und Vernichtung von Millionen Menschen. "Der Schlächter von Polen", so wurde er von seinen Opfern genannt. Wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde er am 1. Oktober 1946 in Nürnberg zum Tode verurteilt.

Niklas Frank verachtet seinen Vater. "Er war ohne jede Gnade. Ohne jede Gnade!", sagt der heute 80-Jährige. Die Unmenschlichkeit, die sein Vater in vielen Sätzen geäußert habe, werde jetzt wieder in Worte und zu Sätzen geformt. "Dass wir laut äußern, dass andere Menschen eventuell sterben müssen, damit unser Volksgefühl richtig bleibt, dass unser Deutschsein richtig bleibt, dass wir Leute verjagen müssen, weil die am deutschen Volkskörper wie böse Würmer saugen - all das ist genau, wie es damals war."

Erschreckende Parallelen zur AfD

Von "damals" hat Niklas Frank unzählige Zitate im Kopf, Zitate seines Vaters, ein Großteil davon akribisch festgehalten im Diensttagebuch des Generalgouvernements. Immer wieder fühlt er sich erinnert an diese Zitate, wenn er Politikerinnen und Politikern der AfD zuhört. Original-Ton Hans Frank: "Dieses verdammte Gesindel, das hat doch der Führer hinausgefegt aus Deutschland mit einem ungeheuren eisernen Besen." Markus Frohnmaier, heute Bundestagsabgeordneter für die AfD, im Jahr 2015: "Ich sage diesem Parteienfilz, diesen linken Gesinnungsterroristen ganz klar: wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet."

Als AfD-Chef Alexander Gauland davon sprach, die ehemalige Intergrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, in Anatolien "entsorgen" zu wollen, da fühlte sich Frank an diesen Satz seines Vaters erinnert: "Wir sind uns klar, dass dieser Mischmasch asiatischer Abkömmlinge am besten wieder nach Asien zurück latschen soll, wo er hergekommen ist."

"Ich traue denen alles zu"

"Was heißt denn 'entsorgen'? Entsorgen heißt ermorden. Das haben die Jungs um meinen Vater in den zwölf Jahren umgesetzt." Ob es zulässig sei, AfD-Politiker mit NS-Verbrechern zu vergleichen? Niklas Frank findet ja. Hitler habe auch noch nicht zu Beginn gesagt: "Wir müssen alle vernichten". Das komme peu à peu. Peu à peu würden die Grenzen verschoben.

Niklas Frank schaut Alexander Gauland an

"Jagen heißt, dass jemand Gewalt ausübt", sagt Niklas Frank zu Alexander Gaulands Satz "Wir werden sie jagen!".

"Ich traue denen alles zu. Zunächst natürlich die Abschaffung einer unabhängigen Justiz und der freien Presse", das sei ganz wichtig für jede Diktatur. "Damit fängt es an und dann geht’s weiter".

Ein Alexander Gauland wisse genau, was er sagt, wenn er am Wahlabend seinen jubelnden Anhängern zurufe: "Wir werden sie jagen!", so Frank: "Kurz nachdem die Nazis mit meinem Vater als Justizminister 1933 die Regierung in Bayern übernahmen, wurde der bayerische Innenminister in Hemd und Unterhosen durch München gejagt. Das ist Jagen, wie es Gauland wohl meint. Oder was ich ihm zu Recht unterstellen kann."

"Jagen heißt, dass jemand Gewalt ausübt, dass jemand mit Prügeln einzelne Menschen jagt, richtig vor sich hertreibt. Die natürlich sofort in Todesangst geraten. Das will er erreichen. Mit so einem Satz sagt er schon: Jungs und Mädels, wenn wir an der Macht sind, zuallererst verbreiten wir Todesangst für alle, die nicht so mit uns sein wollen."

"Ich will sichergehen, dass er wirklich tot ist"

Besonders regt Niklas Frank auf, dass es am Ende immer heiße, man habe es nicht so gemeint. Niemand in der Partei rege sich auf. Dass ein Gauland noch in der Partei sei, das zeige, dass alle AfDler eines Geistes seien. Dies gelte auch für den Umgang mit der NS-Vergangenheit. Wenn der thüringische AfD-Fraktionschef Björn Höcke von einem "Denkmal der Schande" spricht, das sich Deutschland ins Herz seiner Hauptstadt gepflanzt habe, wenn Gauland die Nazizeit als "Vogelschiss" in der deutschen Geschichte bezeichne, die "unsere Identität nicht mehr betreffe", dann geschehe dies auf dem Rücken von Millionen unschuldiger Opfer - mit einer "Hans Frank-gleichen Gnadenlosigkeit".

Seinen Sohn macht das fassungslos: "Wer Deutschland wirklich liebt - und ich liebe Deutschland, ich finde Deutschland unglaublich schön - wer Deutschland wirklich liebt, hat zuallererst den Schmerz über die zwölf Jahre in sich. Den hat er! Und muss sehen, dass die zwölf Jahre einfach nicht untergegangen sind, sondern, dass dieses Gift, das damals aktiv verbreitet wurde und in Mord und Totschlag geendet hat, weitergegeben wurde."

Das Gift, das einst auch Niklas Franks Vater Hans Frank verbreitet hat. "Der sieht nun aus der Hölle das Treiben der AfD. Und dann nickt er mir triumphierend zu!" Ein Foto seines toten Vaters trägt er in seiner Jackentasche fast immer bei sich. Das Foto, das seinen Vater 1946 nach der Hinrichtung durch den Strang zeigt. "Ich will sichergehen, dass er wirklich tot ist", sagt Niklas Frank.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 10.10.2019 | 21:45 Uhr