Stand: 02.03.17 12:33 Uhr

Trump: Chaos mit Methode

von Robert Bongen, Stefan Buchen & Johannes Jolmes

Es ist mal wieder die Zeit der Propheten - wenn es um Donald Trump geht. "Wird schon nicht so schlimm werden", hört man da bisweilen. Das regele sich schon alles, die berühmten "Checks and Balances", die Kontrolle durch die Gewaltenteilung, all das werde funktionieren. Und ansonsten richte Trump bestimmt so ein großes Chaos an, dass er sich selbst aus dem Amt manövriert. Oder er habe einfach keine Lust mehr. Ist Trumps Ende etwa schon nah?

Trump: Chaos mit Methode
Seit er Präsident ist, kämpft Trump, gegen Rechtsstaat und Medien scheint er immer wieder zu verlieren. Doch fehlender Respekt vor Institutionen beschert ihm überraschenden Rückhalt in den USA.

Der neue US-Präsident, angetreten, um den Amerikanern das Siegen wieder beizubringen, scheint auf den ersten Blick nur zu verlieren. Sein "Muslim-Ban" vom Gericht gestoppt, seinen Nationalen Sicherheitsberater musste er feuern. Die Medien entlarven ihn ein ums andere Mal als Lügner, Komiker weltweit arbeiten sich an dem einstigen Immobilienunternehmer ab. Seine Zustimmungswerte in den Umfragen sind historisch im Keller.

"Trump macht nur das, wofür wir ihn gewählt haben"

Im Old Salem Cafe in Marshall im Bundesstaat Virginia zeigt sich ein anderes Bild. "Hier unterstützten ihn alle", sagt Besitzerin Donna Campbell. Und Gast Tom Manning ist immer noch in Feierstimmung: "Seine Wahl war wie Weihnachten" - und daran habe sich bis heute nichts geändert.

Trump macht nur das, wofür wir ihn gewählt haben, meint Kevin Greely. "Die politische Klasse, die Washington regiert hat, müssen wir loswerden." Und seine Frau Lorrie hofft, dass der "Wechsel" bald komme. Die Sicht auf den ersten Monat "Präsident Trump" ist eindeutig: Die Gerichtsentscheidung sei keine Niederlage, sondern nur ein Beleg dafür, dass viele Gerichte zu liberal seien. Die Medien seien die Feinde Trumps, und die Politiker in Washington hätten sich sowieso nur selbst bedient.

Das wird schon werden

Marshall ist nur eine Stunde entfernt von der Hauptstadt und keineswegs eine von der Globalisierung gebeutelte Region. Rund 90.000 Dollar verdienen die Bewohner im Schnitt, viele Bewohner haben eine Ranch mit Blick ins Grüne. Es geht der Region und ihren Einwohnern prächtig. Trump schlug hier seine demokratische Konkurrentin  um das Präsidentenamt, Hillary Clinton, mit 25 Prozentpunkten Abstand.

Diesen Vorsprung scheint er zu halten, wenn nicht gar auszubauen. Er habe ihn nicht gewählt, sagt Graham Langston, trotzdem sympathisiere er mit Trump: "Er ist unser Präsident und hat eine Chance verdient." John Oddenino wählte Hillary Clinton und findet, dass Trump immer noch zu oft seine Meinung wechsele, aber auch er ist nicht im Protestmodus. Seinem Bauunternehmen geht es gut, die Stimmung sei vielversprechend. "Er ist unser Präsident, lassen wir ihn machen. Das wird schon gut für uns."

Rund 44 Prozent der Amerikaner mit Trump zufrieden

Bei uns in Deutschland hört man solche Stimmen nur selten. Es überwiegt der Eindruck, Trump sei ganz und gar unbeliebt. Doch wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, zeigt sich ein anderes Bild: Bei der Wahl ist Trump auf 46 Prozent gekommen. Das ist das Ergebnis des sogenannten "Popular Votes", also die Prozentzahl der insgesamt abgegebenen Stimmen. Aktuell sind rund 44 Prozent der Amerikaner mit Trump zufrieden - der Durchschnittswert aus 40 Umfragen, also zumindest ähnlich viele. (Stand 2.3.2017, 17 Uhr)

Das ist durchaus bemerkenswert. Denn die Umfragen repräsentieren zumeist alle Amerikaner und nicht nur die Wahlberechtigten oder nur die, die tatsächlich gewählt haben. Bemerkenswert auch, dass laut der Meinungsforscher von IBD/TIPP genau die Hälfte der amerikanischen Bürger der Auffassung sind, dass sich ihr Land unter Präsident Trump positiv entwickele. Auch das Institut Rasmussen hat die Bürger gefragt, ob das Land auf dem falschen oder dem richtigen Weg sei. 46 Prozent der Befragten haben geantwortet, dass sich die USA in die richtige Richtung bewegen.

Im Gegensatz zu anderen Instituten setzt etwa das Institut Rasmussen auf automatisierte Telefonumfragen und Internetbefragungen. Ergebnis: Die Zustimmung für das Handeln des amerikanischen Präsidenten ist höher als bei Instituten, die mit persönlichen Befragungen und Telefoninterviews arbeiten. Offenbar scheuen sich die Befragten im persönlichen Gespräch, sich zu Trump zu bekennen. Ein ähnliches Phänomen ist im Übrigen auch bei Umfragen in Deutschland im Hinblick auf die NPD oder AfD zu erkennen.

Republikaner stehen geschlossen hinter Trump

Wenn man den Blick über die Befragungen über Trumps allgemeine Beliebtheit hinaus auf die Zustimmung für seine einzelnen politischen Maßnahmen richtet, ergibt sich ein weiteres überraschendes Bild: Der Rasmussen-Report von Februar zeigt etwa, dass sein Einreisebann - trotz aller Proteste - von immerhin 52 Prozent der Befragten unterstützt wird. Außerdem setzen viele offenbar auf Trumps Wirtschaftspolitik: So glauben laut Rasmussen 50 Prozent der interviewten Wahlberechtigten, "dass die amerikanische Wirtschaft im nächsten Jahr stärker sein wird als jetzt". Zum Vergleich: Im Oktober, als Obama noch im Amt war, waren nur 34 Prozent so optimistisch. Ein Zuwachs, wie es ihn seit Beginn der Umfrage im Jahr 2009 noch nie gegeben hat.

Und: Die Republikaner stehen geschlossen hinter ihrem Präsidenten, darin stimmen nahezu alle Umfrageinstitute überein. 84 Prozent der republikanischen Anhänger sagen, dass Trump sie hoffnungsvoll stimme, 72 Prozent erklären, er mache sie stolz.

Trumps fehlender Respekt vor den Institutionen - etwa wenn er von "sogenannten Richtern" spricht - stört seine Sympathisanten offenbar nicht, im Gegenteil. Und das weiß Trump genau. Er beschwört einen Zustand der permanenten Revolution, einen permanenten Kampf gegen den Rechtsstaat, gegen die Medien ("Feinde des Volkes"). Es scheint seine Methode zu sein, die Macht zu festigen.

Revolution unter "konservativen Vorzeichen"

Donald Trump, ein Politiker, der alles anders macht und seine Wahlversprechen hält. Diese Botschaft verfängt auch in Marshall in Virginia. Zu lange haben nach Ansicht von Kevin Greely die Liberalen von der Ost- und Westküste die Politik bestimmt. Greely ist wohl das genaue Gegenteil des urbanen Liberalen aus San Francisco oder New York. Seine Waffen lagern in vier Schränken, sein Holzhaus liegt idyllisch im grünen Nirgendwo, die Nachbarn und Supermärkte erreicht er nur mit dem Auto. Seit Trump erhofft er sich einen grundlegenden Wandel. "Was geschieht ist eine Revolution". Nur diese Revolution passiere unter "konservativen Vorzeichen".

Eine Revolution? Wie sieht die aus? Was sagen die Propheten? Als Trump bekannt gab, dass er Präsident werden will, hat kaum jemand gedacht, dass er sich bei den Republikanern als Kandidat durchsetzt. Als er sich durchgesetzt hatte, hat kaum jemand gedacht, dass er es wirklich schafft, sich gegen Hillary Clinton durchzusetzen. Als er gewählt war, haben die meisten gedacht, dass das Amt Trump würdevoller machen und ihn zähmen würde. Nichts davon hat sich bewahrheitet. Nun stehen wir an einem Punkt, an dem sein engster Berater Stephen Bannon verkündet, es gehe um "Deconstruction", um den Rückbau des Staates. Manch einer übersetzt "Deconstruction" auch mit dem Wort "Zerstörung". Warum sollte diesmal Hoffnung berechtigt sein?

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Das Erste | Panorama | 02.03.2017 | 21:45 Uhr