Stand: 19.04.17 18:30 Uhr

Grundstücks-Spekulanten verschärfen Wohnungsnot

von Johannes Edelhoff und Christian Salewski

Es ist eine beeindruckende Ankündigung, die Ulrich Regener enthüllt. Im "Maselakepark" direkt an der Havel in Berlin-Spandau will der russische Bauriese MonArch 500 Wohnungen bauen und dafür 34 Millionen Euro investieren. Und es wird noch besser: "Wir bauen sozial und effizient", sagt Regener, MonArch-Geschäftsführer in Deutschland. Die Mieten von etwa elf Euro pro Quadratmeter sollen sich auch Normalverdiener leisten können. "Dein Lebenstraum wird Lebensraum!" steht in großen Lettern auf dem Bauschild. Schon in wenigen Monaten soll der Bau beginnen und Berlin neuen, dringend benötigten Wohnraum bringen. Das war 2013.

Grundstücks-Spekulanten verschärfen Wohnungsnot
Vor allem in Städten fehlt bezahlbarer Wohnraum. Darum setzt die Politik auf Neubauten privater Investoren. Doch die spekulieren oft nur mit den Grundstücken, statt zu bauen.

Investoren lassen Grundstücke brach liegen

Heute steht das Bauschild immer noch. Von den großen Ankündigungen ist wenig geblieben. Brache statt Wohnungen. In der Hauptstadt, aber auch im Rest der Republik, lassen Investoren Baugrundstücke einfach vor sich hin gammeln - und verschärfen damit die Wohnungsnot. Ökonomisch macht das für die Investoren sogar Sinn. Denn die Preise für Bauland steigen noch schneller als die für fertige Wohnungen.

Warum also bauen, wenn Nichtstun mehr Rendite bringt? Wer ein Grundstück kauft, es ein paar Jahre behält, nur um es dann weiter zu verkaufen, macht in der Regel einen ordentlichen Gewinn. Und er muss sich nicht einmal mit Bebauungsplänen, Anwohnern und Handwerkern herumschlagen. Er braucht einfach bloß: abwarten.

Architekt Eike Becker

Ein extremes Missverhältnis zwischen erteilten und realisierten Baugenehmigungen sieht der Architekt Eike Becker.

Einer der erfolgreichsten Architekten Deutschlands, Eike Becker, beobachtet, dass der Trend zur Baulandspekulation zunimmt: "In Berlin etwa gibt es 22.000 Baugenehmigungen, aber nur 40 Prozent davon werden realisiert. Also 60 Prozent eben nicht und ein wesentlicher Teil ist eben auch Spekulation." Das Phänomen gebe es in allen wachsenden Städten, ob in Berlin, Münster oder Kiel.

Wertsteigerung: 345 Prozent

Ein Baugrundstück wie das am "Maselakepark" war 2014 laut Gutachterausschuss Berlin etwa sechs Millionen Euro wert. Heute hat sich der Grundstückswert bereits mehr als verdoppelt, auf über zwölf Millionen Euro. Das ist kein Einzelfall. Die Bodenpreise in Berlin sind in den vergangenen fünf Jahren um 345 Prozent gestiegen. Die Verkaufspreise für Neubauwohnungen nur um 60 Prozent. Auch in Frankfurt stiegen die Bodenpreise um 105 Prozent, die für Neubauwohnungen um 48 Prozent. Spekulieren lohnt sich oft mehr als Bauen.

Bodenpreisentwicklung

Die Bodenpreise in Deutschlands Städten explodieren, Spekulieren lohnt sich darum oft mehr als Bauen.

Und was ist mit dem Grundstück am "Maselakepark"? Spekuliert MonArch dort mit Bauland? Geschäftsführer Sergej Ambarzumjan muss lachen. "Wissen Sie, wahrscheinlich ist Handel so eine Art Spekulation. Auf uns kommen täglich Leute zu, die von uns Baugrundstücke kaufen wollen. Wenn man uns einen guten Preis gibt, warum dann nicht verkaufen?"

Höhere Baulandpreise wirken sich auf die Mieten aus

Es ist schwer zu sagen, ob Ambarzumjan jemals vorhatte, die Wohnungen am "Maselakepark" wirklich zu bauen. Er jedenfalls behauptet, er wolle bauen und wisse nicht, warum bisher nichts passiert sei. Regener habe er inzwischen gefeuert. Klassische Landbanker haben kein Interesse daran, sie spekulieren nur mit dem Bauland. Es gibt aber auch Investoren, die  tatsächlich einmal bauen wollten, dann aber aufgrund der explodierenden Grundstückspreise doch lieber einfach verkaufen. Ganz sauber trennen lässt sich das nicht voneinander. Die Folge aber ist in beiden Fällen, dass keine Wohnungen entstehen, obwohl die Investoren das versprochen hatten.

Die Spekulation führt dazu, dass die Baulandpreise noch schneller steigen. Das wirkt sich auch auf die Mieten aus. Christoph Grönerist Inhaber der CG Gruppe, dem größten Bauherren von Geschosswohnungen in Deutschland. Sein Anspruch sei es, möglichst auch für Normalverdiener zu bauen, "nicht nur für Porsche- und Mercedes-Fahrer", wie er sagt.

Preistreiber ist der Bodenpreis

Üblicherweise würden die Bodenkosten bei einem Bauprojekt etwa ein Viertel der Gesamtkosten ausmachen. In begehrten Lagen sei es heute aber eher ein Drittel, sagt Gröner. Das hat dramatische Folgen: "Es gibt einen Punkt, ab dem die Bodenpreise einen so großen Einfluss auf die Kalkulation des Projektes haben, dass da natürlich günstiges Wohnen überhaupt nicht mehr möglich ist", sagt er. Wo Gröner bisher für zehn bis zwölf Euro Miete pro Quadratmeter planen und bauen konnte, sind es heute eher 14 bis 16 Euro. Zwar seien auch die Baukosten gestiegen, der wirkliche Preistreiber bei den Neubaumieten sei aber der Bodenpreis, der sich vielerorts verdoppelt oder gar verdreifacht habe.

Eine politische Antwort auf das Landbanking wäre eine speziellen Form der Grundsteuer: die Baulandsteuer. Bereits in den 1960er-Jahren gab es sie, wenn auch nur für zwei Jahre. Die sogenannte Grundsteuer C auf unbebaute Grundstücke stieg mit der Zeit des Brachliegens an. Ziel war es damals, Bodenbesitzer zum Bauen oder zum Verkaufen zu bewegen. Heute ginge es vor allem darum, Grundstücksspekulation unattraktiv zu machen. Eine Art Strafe fürs Nichtbauen also. Der Berliner Senat machte sich im vergangenen Jahr dafür stark, es den Ländern freizustellen, ob sie eine solche Baulandsteuer einführen wollen. Und kürzlich forderte gar der Bayerische Gemeindebund eine Grundsteuer C, weil selbst in Kleinstädten wie Pfaffenhofen an der Ilm inzwischen dringend benötigtes Bauland gehortet statt bebaut wird.

Chancen auf Baulandsteuer stehen schlecht

Doch eine Chance hat die Baulandsteuer kaum. Gerade erst hat sich der Bundesrat nach jahrelangem Hin und Her auf eine Grundsteuerreform geeinigt. Bis 2023 sollen nun alle Grundstücke in Deutschland nach einer komplizierten Formel neu bewertet werden. Von einer Baulandsteuer aber ist in der Reform keine Rede. Es sieht so aus als hätten die Landbanker von der Politik  kaum etwas zu befürchten.

Die Recherche entstand in Kooperation mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Ein ausführlicherer Text ist in der Ausgabe vom 20. 04. im Wirtschaftsteil zu finden.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 20.04.2017 | 21:45 Uhr