Presseerklärung: Helmut Kohl und Leo Kirch vereinbarten "unbedingte Wahrung von Vertraulichkeit"

Panorama dokumentiert geheimen Beratervertrag

Experten-Urteil: "Wenig konkrete Leistung für viel Geld"

Helmut Kohl © dpa-Bildarchiv

Das ARD-Magazin Panorama zeigt in seiner heutigen Ausgabe (Donnerstag, 20.15 Uhr, ARD) erstmals den geheimen Beratervertrag zwischen Helmut Kohl und Leo Kirch, dessen Existenz seit mehreren Wochen behauptet wird. Sowohl Leo Kirch als auch Helmut Kohl hatten bisher zu diesen Medienberichten geschwiegen.

Der Vertrag liegt Panorama vor. Er enthält neun Paragraphen auf fünf Seiten. Vertragsgegenstand ist laut Paragraph 1 die "Beratung zu aktuellen sowie strategischen politischen Entwicklungen in Deutschland und Europa". Helmut Kohl verpflichtet sich in Paragraph 2 des Vertrages zu einer sog. "situativen Beratung" bei "gegebenem politischen oder wirtschaftlichen Anlass". Dies könne, so der Vertragstext, durch "persönliche Gespräche", "telefonische Besprechungen" oder "schriftliche Ausarbeitungen" erfolgen. Darüber hinaus definiert der Vertrag eine sog. "Standard-Beratung". Sie umfasst jährlich "bis zu 12 persönliche Gespräche" zwischen Helmut Kohl und Leo Kirch. Eine Mindestleistung ist nicht festgeschrieben.

Der Hamburger Experte für Arbeitsverträge, Jens Gäbert, zeigte sich gegenüber Panorama über diesen Passus erstaunt: "Kaffeetrinken und Klönschnack über die politische Lage wäre nach diesem Vertrag bereits Vertragserfüllung. Denn es fehlt ein Leistungsverzeichnis und Stundenkontingente u.ä., was immer deutlich gemacht werden muss in solchen Verträgen."

Im Gegensatz zu den Leistungen sind die "Vergütungen" in Paragraph 5 exakt definiert: 600.000 DM pro Jahr, zahlbar in "12 gleichen Raten" jeweils zu Beginn eines jeden Monats. Dazu kommen die jeweilige Mehrwertsteuer sowie alle weiteren "angemessenen Kosten und Spesen". Genau beschrieben ist in Paragraph 2 all das, was Helmut Kohl nicht leisten muss: u.a. Marketingaktivitäten, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung sowie Teilnahme an Veranstaltungen der Kirch-Firmen.

Der Geheimvertrag zwischen Helmut Kohl und Leo Kirch
Der berüchtigte Vertrag zwischen Leo Kirch und Helmut Kohl liegt jetzt vor. Äußern will sich der Altkanzler dazu nicht.

In Paragraph 4 verpflichten sich die Vertragspartner gegenseitig zur "unbedingten Wahrung von Vertraulichkeit" über den Inhalt des Vertrages und die erbrachten Dienstleistungen.

Den Vertrag mit einer vereinbarten Laufzeit von drei Jahren unterschrieb Helmut Kohl am 18.5.1999 mit dem Zusatz "zustimmend zur Kenntnis genommen." Rechtlich gesehen wurde der Vertrag aber zwischen zwei Firmen geschlossen: Der TaurusBeteiligungs GmbH & Co KG (Unterschrift: Leo Kirch) und der Politik und Strategie Beratung P & S GmbH von Kohl-Sohn Walter (Unterschrift: Walter Kohl). Auch diese Form irritiert den Arbeitsrechts-Experten Jens Gäbert: "Normalerweise schließen die Berater persönlich die Verträge. Denn die Beratungsleistung ist doch eine ganz persönliche Angelegenheit." Immerhin gab diese von Kirch und Kohl gewählte Vertragsform dem ehemaligen Bundeskanzler die Möglichkeit, Inhalt und Existenz dieses gut dotierten Beratervertrages vor dem Bundestag zu verheimlichen.

Auch der renommierte Journalist und Buchautor Hans Leyendecker hält diesen Vertrag für außergewöhnlich. Schließlich habe Kirch, so Leyendecker gegenüber Panorama, häufig "Leute mit Geld gelockt und angefüttert. Und es gab um ihn herum immer Hinweise, dass er auch große Geldzahlungen übers Ausland gemacht hat, die illegal waren." Hans Leyendecker hat eine Abschrift dieses Beratervertrages in seinem gerade jetzt im Rowohlt-Verlag erschienenen Buch dokumentiert. Titel: "Die Korruptionsfalle - Wie unser Land im Filz versinkt".

31. Juli 2003

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 31.07.2003 | 20:15 Uhr