Stand: 25.07.06 15:19 Uhr

Presseerklärung: Abrechnungs-Betrug mit toten Patienten - Ermittlungen gegen mehr als 1100 Ärzte

Skrupellose Abzocke mit Leichen - Empörung bei Gesundheitsministerin: Brisante Enthüllungen durch Panorama-Recherchen bei Krankenkassen.

Der Skandal bei Ärzten, die fingierte Leistungen für längst gestorbene Patienten abrechnen, weitet sich dramatisch aus. Das ARD-Magazin Panorama berichtet in seiner neuesten Ausgabe (heute um 21.45 in der ARD), dass weit über 1100 Ärzte im Verdacht stehen, sich an diesem makaberen Abrechnungsbetrug beteiligt zu haben. Dies ergibt sich aus Angaben von Krankenkassen gegenüber dem ARD-Magazin. Damit ist die Behauptung der Ärztelobby widerlegt, bei den schon vor drei Wochen von Panorama aufgedeckten Betrügereien habe es sich nur um "Einzelfälle" gehandelt. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verlangt in einer ersten Stellungnahme zu diesen neuen Enthüllungen "umgehende Aufklärung von den Kassenärztlichen Vereinigungen". In der Panorama-Sendung verurteilt sie "diese Form der Betrügerei ganz entschieden".

Kartell außer Kontrolle - Neue Enthüllungen zum Ärztebetrug
Die deutschen Krankenkassen ermittelten im letzten Jahr gegen 6500 Ärzte wegen Abrechnungsbetrugs.

Deckblatt einer Umfrage zum Abrechnungsbetrug

Panorama hatte alle 305 gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland nach deren Erfahrungen mit den Betrügern in Weiß befragt. Rückmeldungen kamen bisher von 145 Kassen. Nur wenige haben nach ihren eigenen Angaben spezielle Abteilungen zur Kontrolle der Ärzte. Trotz dieser lückenhaften Aufsicht ermitteln die Kassen derzeit insgesamt gegen 1138 Ärzte, die im Jahr 2001 die Chipkarten längst verstorbener Patienten missbraucht und Leistungen abgerechnet hatten, die wegen des Todes der Patienten gar nicht möglich waren.

Dorothee Meusch von der Techniker Krankenkasse (TKK) schildert gegenüber Panorama, besonders dreiste Ärzte hätten sogar Phantom-Leistungen für Patienten abgerechnet, die schon vor Jahren gestorben waren. Jörg Bodanowitz von der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) fordert "endlich mehr Transparenz, damit die Kassen erfahren, was in den Praxen passiert und abgerechnet wird". Allein seine DAK hat bei ihrer ersten bundesweiten Überprüfung - ausgelöst durch die Enthüllungen in der Panorama-Sendung vom 16. Januar 2003 - mehr als 600 Ärzte aufgespürt, die Behandlungen an längst verstorbenen Patienten abgerechnet hatten: "Da wurden Hausbesuche, Laborleistungen, Beratungsgespräche oder Praxispauschalen in Rechnung gestellt", erklärt Jörg Bodanowitz (DAK) die Betrügereien in Panorama:. "Es ist das ganze Spektrum der ärztlichen Leistungen".

Ein weiterer "Spitzenreiter" der Panorama-Umfrage ist die Kaufmännische Krankenkasse Hannover (KKH). Hier laufen derzeit Ermittlungen gegen 271 Ärzte, die verdächtigt werden, sich durch Abrechnungsbetrug mit Toten bereichert zu haben. Besonders dreist sei der Fall eines Arztes, der einen Patienten untersucht haben will, der bereits seit 10 Jahren verstorben war: "Das ist einfach unglaublich", sagt die Sprecherin der KKH, Annette Rogalla. Sie geht von einer hohen Dunkelziffer aus: "Wer von den Toten nimmt, der scheut auch nicht vor den Lebenden zurück".

Zusätzlich zu den über 1100 Fällen des Abrechnungsbetrugs mit Toten laufen derzeit - so die Krankenkassen gegenüber Panorama - insgesamt mehr als 6500 Ermittlungsverfahren gegen Ärzte und Zahnärzte wegen fingierter Behandlungen bei lebenden Patienten.

16. Februar 2003

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 06.02.2003 | 21:45 Uhr