Würmer, Viren und Bakterien - Verdreckte Endoskope in Arztpraxen

von Bericht: Thomas Berbner, Florian Huber, Volker Ide
Eine Krankenschwester sterilisiert ein Endoskop nach einer Untersuchung. © Claude Cortier/OKAPIA Foto: Claude Cortier

Jetzt geht es um eine Art vorsätzliche Körperverletzung, eigentlich aber um eine effiziente Untersuchungsmethode, zum Beispiel zur Früherkennung von Magen- und Darmkrebs. Es geht um Endoskopie. Dabei wird eine Mini-Kamera in den Körper eingeführt, auch um zum Beispiel vor einer Operation die betroffenen Organe zu untersuchen - schon fast ein Routine-Eingriff, millionenfach durchgeführt. Diese Geräte liefern dann genaue Informationen über das Körperinnere. Aber ebendort hinterlassen sie oft auch Keime, die dann wiederum unheilbare Krankheiten auslösen können. Das ist wohl nur sehr wenigen Patienten klar, sehr wohl aber den behandelnden Ärzten, denn die sind dafür verantwortlich, dass die mit Schläuchen versehenen Geräte oft nicht richtig gereinigt werden.

Würmer, Viren und Bakterien - Verdreckte Endoskope in Praxen
Eine Studie hat 2001 ergeben, dass 50% der Endoskopiegeräte trotz Säuberung mit Keimen belastet sind.

Darmspiegelung mit dem Endoskop - diese Untersuchungsmethode hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt. Der Arzt kontrolliert mit dem aufwendig konstruierten Untersuchungsapparat die Darmwände. Auch Magenspiegelungen werden auf diese Weise durchgeführt. Jedes Jahr vier Millionen Endoskopien bundesweit. Das Risiko ist gering, sofern die Geräte in einem hygienisch einwandfreien Zustand sind.

Doch jetzt sorgt diese Studie der Universität München für Aufregung. Untersucht wurden Endoskope, die bereits gereinigt und für die nächste Untersuchung aufbereitet waren. Das erschreckende Ergebnis: Rund 50 Prozent der Geräte waren trotz der Säuberung mit Keimen und Bakterien belastet. Die Experten sind schockiert.

Prof. Franz Daschner, Hygieniker an der Uniklinik Freiburg: "Das ist sicher eine der wichtigsten Hygiene-Untersuchungen, die in den letzten Jahren gemacht wurde, wenn auch mit katastrophalem Ausgang. Wenn man in einem aufbereiteten Endoskop hunderttausende Keime findet, Bakterien, dann ist natürlich die Wahrscheinlichkeit auch sehr groß, dass man Viren findet, dies ist die wesentlich größere Gefahr, denken Sie an Hepatitis, denken Sie an HIV."

Doch damit nicht genug. Der schlampige Umgang der Ärzte mit den Endoskopiegeräten birgt weitere Risiken, denn die Bakterien, Viren und Würmer in den Schläuchen sind gefährlich.

Daschner dazu: "Bisher sind durch Endoskope übertragen worden der Erreger von Magengeschwür, Tuberkulose, Hepatitis, Salmonellen und andere Infektionen durch Darmbakterien, und ich glaube, das genügt."

Das Ausmaß der Infektionen durch verschmutzte Endoskope wurde in Deutschland bisher nicht systematisch erforscht. Hygieneprofessoren wie Franz Daschner schätzen die Zahl der Erkrankungen aber auf mehrere Hundert pro Jahr. Für viele ahnungslose Patienten ein Horrorszenario.

Und der Leiter des Hygieneinstituts der Berliner Charité, Prof. Henning Rüden, hat eine weitere Hiobsbotschaft: Er hält auch eine Ansteckung mit Kreutzfeldt-Jakob prinzipiell für möglich. "Kreutzfeldt-Jakob-Erkrankungen in Verbindung mit endoskopischen Eingriffen am Magen-Darm-Trakt sind bislang nicht beschrieben worden. Dennoch ist das sicher nicht gänzlich auszuschließen, weshalb es darauf ankommt, dass das Endoskop nach jedem Patienten gründlichst gereinigt wird."

Das Problem: Die hitzeempfindlichen Kunststoffschläuche der Endoskope können nicht sterilisiert werden. Deshalb sollten sie direkt nach dem Eingriff mit kleinen Bürsten aufwendig gereinigt und anschließend mit einer Desinfektionslösung durchgespült werden. Doch dabei wird oft geschlampt.

Prof. Franz Daschner: "Die Hygieniker wissen schon seit Jahrzehnten, dass die Aufbereitung, vor allem die manuelle, also die durch Menschenhand durchgeführte Aufbereitung, schwierig ist, weil Endoskope extrem enge Kanäle haben und weil es sehr arbeitsam ist, ein solches Instrument aufzubereiten. Daher unsere ständige Forderung: manuell durch maschinell ersetzen."

Bei dieser maschinellen Aufbereitung wird das Endoskop in eine eigens für diesen Zweck konstruierte Spülmaschine eingelegt, die alle Kanäle des Instruments zuverlässig durchspült. Solche Maschinen aber kosten bis zu 100.000 Mark - das können sich nur große Fachpraxen oder Kliniken leisten.

Der Fachkongress der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie vergangene Woche in München. Die Ärztefunktionäre wollten kein Interview zu diesem brisanten Thema geben. Stattdessen entlarvende Aussagen von Ärzten: "Also ich halte das für nicht relevant, die dort festgestellten Verunreinigungen sind für den klinischen Gebrauch nicht von Interesse."

"Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht, das ist ganz klar. Es ist so, wenn Sie ein Auto reparieren, kann es Ihnen auch passieren, dass es nicht richtig repariert ist, und genauso kann es sein, dass ein Endoskop nicht richtig aufbereitet wird."

Panorama: "Heißt das, dass der Patient jetzt im Augenblick Angst haben muss, wenn er sich einer Endoskopie unterzieht?"

Ein Arzt: "Ja, hätte ich schon Bedenken, ja. Also ich möchte schon da untersucht werden, wo ich mir auch sicher sein kann, dass die Geräte sauber sind."

Und wer möchte das nicht? Doch zur Hoffnung besteht wenig Anlass. Nachdem bei der Studie zunächst bei 50 Prozent der Endoskope Verunreinigungen auftraten, wurden alle Praxen über bessere Reinigungsmethoden informiert. Genützt hat es wenig. Bei der nächsten Untersuchung lag die Quote der verunreinigten Geräte noch immer bei 40 Prozent.

Prof. Franz Daschner: "Das Ergebnis hat mich sehr überrascht, insbesondere die besonders schlechten Ergebnisse, denn wirklich seit Jahren, um nicht zu sagen: seit Jahrzehnten, predigen wir Hygieniker, wie man Endoskope aufzubereiten hat. Und dieses Ergebnis ist wirklich ungeheuerlich.

Deutsche Gesellschaft für Endoskopie:

Evangelisches Krankenhaus

Kirchfeldstr. 40

40217 Düsseldorf

Tel.: (0211) 919-1600

Fax: (0211) 919-3960

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 29.03.2001 | 21:00 Uhr