Heucheln für die Macht - die FDP und ihre Ost-Vergangenheit

von Bericht: Christoph Lütgert, Ingo Zamperoni
FDP Logo gedruckt auf gelb-blauen Fähnchen. © dpa Foto: Becker & Bredel

Sind unsere Stimmen nichts mehr wert? Das fragen sich etwas verbittert die Ostberliner. Schließlich hatten 47,6 Prozent von ihnen die PDS gewählt. Und die darf nun in der Berliner Regierungskoalition nicht dabei sein.

Eine Partei mit dieser Vergangenheit soll in der Hauptstadt nicht mitregieren. Keine Macht den Postkommunisten - das fordert am lautesten die FDP, denn die will ja stattdessen ins Rote Rathaus. Was sie lieber verschweigt, ist, dass es die alten Sozialisten nicht nur in der PDS gibt, sondern auch in der FDP.

Heucheln für die Macht - Die FDP u. ihre Ost-Vergangenheit
Die FPD kritisiert die PDS und vergisst ihre eigene DDR-Vergangenheit. Ein Bericht von 2001 zu politischer Moral.

Turbulente Sondierungsgespräche nach der Wahl in Berlin werden von der FDP, die überall und mit jedem regieren will, zur Entscheidungsschlacht zwischen Freiheit und Sozialismus stilisiert. Ihre Drohung an die SPD: Wenn die mit der SED-Nachfolgepartei PDS koaliere, könnte das so etwas wie der Anfang vom Ende des demokratischen Deutschland sein.

Günter Rexrodt, FDP-Landesvorsitzender Berlin: "Das wäre für die PDS der Durchbruch in Richtung Westen. Und die Sozialdemokraten würden signalisieren, wenn sie das machten, bundesweit, dass sie in den Postkommunisten eine Machtreserve sehen."

Und Cornelia Pieper, FDP-Generalsekretärin: "Ich halte es schon für wichtig, dass man auch außenpolitisch deutlich macht, dass in der Stadt, wo vor zwölf Jahren symbolisch die Mauer gefallen ist, in der Stadt, die symbolisch für die deutsche Einheit steht, es nicht zugelassen wird, dass eine PDS erneut in eine Regierungsbeteiligung kommt."

Warum dann aber ausgerechnet die FDP - im Osten die Nachfolgerin der DDR-Blockpartei LDPD? Auch die stand fest zum Sozialismus, was die FDP heute allein der PDS anlastet. LDPD-Parteitag, nur zwei Jahre vor dem Fall der Mauer - die DDR-Liberalen Claqueure einer Diktatur.

Manfred Gerlach, LDPD-Vorsitzender, 1987: "Jawohl, die LDPD ist eine demokratische Partei, die ohne Wenn und Aber im und für den Sozialismus wirkt. Wir Liberaldemokraten haben uns für alle Zeit unwiderruflich an die Seite der Partei der Arbeiterklasse gestellt."

Solche eindeutigen Bekenntnisse der liberalen Blockpartei zu SED und Sozialismus versucht die FDP-Führung heute weg- oder schönzureden. So Cornelia Pieper: "Die liberale Grundhaltung war bei den meisten Mitgliedern an der Basis auch in der LDPD, die ja vorwiegend auch eine Partei der Selbständigen zu DDR-Zeiten war, gegeben. Bloß man hat sich ja gegen die Obrigkeit damals nicht durchsetzen können."

Monika Kaiser, Historikerin aus Berlin: "Das kann man so pauschal für die ganze Zeit nicht sagen. Es gab am Anfang vor allen Dingen in der LDPD wirklich kritische und oppositionelle Stimmen. Die sind aber im Wesentlichen Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre liquidiert gewesen, und es setzte sich der SED-linientreue Kurs durch."

Monika Kaiser hat gründlich wie kaum eine Zweite die Geschichte der Blockparteien in der DDR erforscht: "LDPD war keinesfalls der Hort der Opposition in vierzig Jahren DDR-Sozialismus. Ich glaube auch, dass es vielleicht ganz zum Ende der DDR, speziell vielleicht bei der LDPD, eben kritische Äußerungen gab wie in anderen Parteien auch, wie speziell in der SED auch. Aber es ist nie irgendwo offenkundig geworden, dass sie möglicherweise reformerische Ansätze entwickelt hätten."

LDPD-Normalität. Auch an der Basis bedingungslose SED-Treue. Ein Werbeblatt der Partei im sächsischen Plauen: "Die LDPD ist eine Partei, die unter Führung der SED in der Gemeinschaft aller demokratischen Kräfte gesamtgesellschaftliche Mitverantwortung trägt, zur Stärkung der DDR als untrennbarer Bestandteil der sozialistischen Staatsgemeinschaft."

Auf der nächsten Seite der örtliche Parteisekretär Joachim Günter. Nach der Wende prominenter FDP-Politiker, der es sogar bis zum Staatssekretär in der Bundesregierung brachte, eine Karriere, die die FDP einem PDS-Mann kaum durchgehen ließe.

Beispiel Nummer 2: Rosemarie Burkhardt aus Weißenfels. Den CDU-Parteitag 1987 im Westen kommentierte die DDR-Liberale in einem Rundschreiben mit Hasstiraden, griff den Klassenfeind an, ganz im Stil einer SED-Kommunistin: "Es ist - und das haben die Liberaldemokraten in Weißenfels klar erkannt - nicht nur die Person Kohl, sondern es sind die aggressivsten Kreise des Monopolkapitalismus, welchen der Entspannungsprozess ein Dorn im Auge ist."

Als sie das unterschrieb, war Frau Burkhardt kleine LDPD-Kreissekretärin in Weißenfels, heute ist sie Landesgeschäftsführerin der FDP Sachsen-Anhalt. Vorsitzende dort ist Cornelia Pieper, vor der Wende auch LDPD. Bei der Chefin erst Nichtwissen, dann Absolution.

Cornelia Pieper: "Also ich weiß nicht, auf was für ein Protokoll Sie sich beziehen. Ich kenne das Protokoll leider nicht, deswegen kann ich das jetzt auch nicht ganz klar beantworten, welchen Bezug sie dazu haben. Ich möchte nur sagen, dass ich glaube, dass es wichtig ist, dass man auch die Vergangenheit von Personen, die ihr Bestes gegeben haben, auch mit ihrem Erwerbsleben, mit ihrem Arbeitsleben nicht einfach ignorieren kann, auch der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR nicht."

Also dann auch vergessen oder verdrängen, wie die LDPD alljährlich die Mauer bejubelte.

Zitat: "Dass am 13. August 1961 der Frieden gerettet wurde, war gut für ganz Europa. Mit Genugtuung wurde dieses Datum im Geschichtskalender vermerkt - als Zeugnis der Entschlossenheit und der Fähigkeit des Sozialismus, kalte Krieger wirksam in die Schranken zu weisen."

Die Schranken fielen, die Mauer wurde abgerissen. Die FDP erbte Millionen von der LDPD und ließ viele aus der Blockpartei im vereinten Deutschland bruchlos politische Karriere machen, der Zukunft zugewandt. Aber sie droht denen, die der PDS das Gleiche zubilligen wollen.

Günter Rexrodt: "Das ist eine schwierige Geschichte für unsere Bundesrepublik. Die Sozialdemokraten würden signalisieren, wenn sie das machten, bundesweit, dass sie in den Postkommunisten eine Machtreserve sehen."

Also muss die SPD im Roten Rathaus von Berlin eine Ampelkoalition bilden - mit der liberalen FDP, denn Postkommunisten gibt's ja nur noch in der PDS.

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Das Erste | Panorama | 01.11.2001 | 21:00 Uhr