Schweigen und leugnen - Schwierige Wahrheitssuche bei CDU-Parteispendenaffäre

von Bericht: Mathis Feldhoff und Volker Steinhoff

Anmoderation

CHRISTOPH LÜTGERT:

Die Wahrheitssuche bei der CDU-Spendenaffäre ist schwierig. Zu viele wollen nichts gewusst haben. Sie beteuerten zwar ständig, sie wollten rückhaltlose Aufklärung, formierten sich dann aber immer zu einer Mauer des Schweigens. Dieses Spielchen beobachten wir seit Monaten. Gegen einen von ihnen wurde heute vom Untersuchungsausschuss des Bundestages Beugehaft beantragt, damit dieser Mann endlich sagt, was er weiß. Aber auch andere - damals ganz oben in der CDU - dürften weit mehr wissen, als sie bisher gesagt haben.

Schweigen, leugnen: Wahrheitssuche bei CDU-Spendenaffäre
Man wolle rückhaltlose Aufklärung, aber die Wahrheitssuche bei der CDU-Spendenaffäre gestaltet sich 2000 schwierig.

Mathis Feldhoff und Volker Steinhoff waren heute in Berlin, um zu erkunden, ob es von denen endlich erste Bekenntnisse oder Geständnisse gab.

KOMMENTAR:

Heute war sein großer Auftritt. Heiner Geißler. Er hatte als Erster in der CDU über die geheimen Konten geredet. Und Heiner Geißler muss es wissen, schließlich war er zwölf Jahre lang Generalsekretär. Doch all die Jahre über hatte er geschwiegen. Vor dem Untersuchungsausschuss heute lieferte er dafür eine paradoxe Erklärung.

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HEINER GEISSLER:

(ehem. CDU-Generalsekretär)

"Ich habe doch nicht geschwiegen. Das, was ich gewusst habe, haben alle gewusst, es stand in der Zeitung."

INTERVIEWER:

"Aber die Öffentlichkeit wusste das - - -."

HEINER GEISSLER:

"Aber selbstverständlich, Ihre Kollegen haben recherchiert, es stand alles in der Zeitung."

INTERVIEWER:

"Warum ist das ein Skandal, wenn das schon in der Zeitung stand?"

HEINER GEISSLER:

"Es ist kein Skandal, es war nur nicht in Ordnung."

KOMMENTAR:

Heiner Geißler, vor über zehn Jahren der mächtige Parteigeneral. Schon damals wusste er von den dubiosen Geldquellen und machte dennoch weiter mit. So wie viele in der CDU-Zentrale. Bis auf den Verwaltungschef der CDU, dem fielen damals 800.000 Mark auf aus einer schleierhaften Quelle.

Auch Geißler wurde 1988 alarmiert. Seine Reaktion: ein Schulterzucken und der Satz: "Ja, Sie haben ja Recht, aber was soll ich denn machen."

Das ist der ehemalige Verwaltungschef, Rüdiger May. Vor über zehn Jahren stieß er durch Zufall auf Kohls schwarze Kassen. Mit Geißlers Schulterzucken gab er sich nicht zufrieden und weigerte sich, die 800.000 Mark abzuzeichnen. Daraufhin musste May gehen und bekam eine Abfindung.

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RÜDIGER MAY:

(ehem. CDU-Generalsekretär, PANORAMA 16.12.99)

"Also darüber kann ich Ihnen inhaltlich gar nicht sagen, weil ich in einem Auflösungsvertrag, der einvernehmlich zu Stande kam, eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben habe, und die ist bis heute nicht aufgelöst."

KOMMENTAR:

Mays Verschwiegenheit schützt noch einen anderen: Volker Rühe, auch er ein ehemaliger Generalsekretär, auch er heute vor dem Untersuchungsausschuss. Anders als sein Vorgänger Geißler will er nichts über die Hintergründe von Mays Abgang gewusst haben, nichts über die dubiosen 800.000 Mark, nichts über schwarze Kassen. Dabei hatte PANORAMA schon vor vier Monaten berichtet, dass es Volker Rühe war, der den Aufhebungsvertrag mit Rüdiger May unterschrieben hatte, also die Entlassung.

Die Reaktion der CDU über den Bericht: Wut und Empörung. Alles nur Unterstellungen von PANORAMA, unhaltbare Verdächtigungen, lächerlich, so die CDU.

Auch Rühe wies jede Verantwortung von sich, schob die Schuld auf seinen Vorgänger.

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VOLKER RÜHE:

(ehem. CDU-Generalsekretär, PANORAMA 16.12.99)

"Fragen Sie doch Heiner Geißler, die Ablösung und der Konflikt liegt vor meiner Zeit. Und die Entscheidung - ich bin gar nicht mal sicher, ob ich ihn überhaupt noch gesehen hab' - die Entscheidung, sich von ihm zu trennen, liegt vor der Zeit, bevor ich Generalsekretär wurde."

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HEINER GEISSLER:

"Wieso soll ich einen meiner besten Leute rausschmeißen?"

INTERVIEWER:

"Warum sagt Herr Rühe dann, das sei vor seiner Zeit von Ihnen betrieben worden?"

HEINER GEISSLER:

"Das weiß ich nicht, das hat er mir nicht gesagt, ich weiß nicht, wem er das gesagt hat."

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NTERVIEWER:

"Aber Sie haben unterschrieben?"

VOLKER RÜHE:

"Das weiß ich nicht, kann ich nicht sagen."

INTERVIEWER:

"Auf dem Aufhebungsvertrag ist Ihre Unterschrift."

VOLKER RÜHE:

"Wie bitte, das mag sein, ja, das weiß ich nicht. Aber trotzdem, als ich dorthin kam, war die Sache im Grunde genommen entschieden, nach meiner Erinnerung."

KOMMENTAR:

Rühes Behauptung: mit May persönlich hätte er so gut wie nichts zu tun gehabt. Der gefeuerte CDU-Hauptabteilungsleiter wunderte sich über Rühes Auftritt in PANORAMA.

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RÜDIGER MAY:

"Ich hab' ihm dann bereits im Dezember ein Fax geschrieben und ihm gesagt: Lieber Herr Rühe, nach meinen Kalenderaufzeichnungen haben wir dann und dann über folgendes geredet, ich hab' das Amt übergeben, und dann haben wir über die Modalitäten meines Ausscheidens geredet, den Vertrag selbst habe ich mit anderen Leuten ausgehandelt, und dann haben Sie den Vertrag am 24.10. unterschrieben. Das Ganze habe ich gemacht, um einfach sein Gedächtnis aufzufrischen."

KOMMENTAR:

Noch mehr Auffrischung vor zwei Wochen, als May vor den Untersuchungsausschuss trat. Dort bezeugte er die Rolle Volker Rühes bei seiner Entlassung. Zitat: "Rühe teilte mir mit, das Verhältnis zwischen mir und der CDU sei gestört."

Verleugnen und vertuschen, die Wahrheit nur scheibchenweise. Heute, nach vier Monaten Hinhaltetaktik und drei Stunden Verhör durch den Untersuchungsausschuss, musste Rühe zum ersten Mal zugeben, was er vor vier Monaten in PANORAMA noch bestritten hat.

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VOLKER RÜHE:

"Ich habe den Auflösungsvertrag unterschrieben, aber ich habe die Auf-, ich habe die Auflösung des Vertrages nicht betrieben."

KOMMENTAR:

Unterschrieben ja, aber nicht betrieben und erst recht nicht gefragt, warum ein wichtiger CDU-Angestellter entlassen wird. Die wirklich interessanten Fragen hat Volker Rühe auch heute nicht beantwortet.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 06.04.2000 | 21:00 Uhr