Politiker - Spuren der Macht

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Was macht Macht mit Menschen, mit Menschen, die ganz oben, an der Spitze, angekommen sind? Haben sie sich verändert? Macht korrumpiert, Macht macht sexy, besessen, süchtig, härter, letztendlich einsam - stimmt das? Und wie hat Macht diejenigen verändert, die wir zum Teil schon seit Jahren kennen, unsere Politiker? Sie sind älter, oft glatzköpfiger, dicker oder dünner geworden - und sonst? Die Photographin Herlinde Koelbl hat sie jahrelang scharf beobachtet und erstaunliche, fast schon intime Gespräche mit ihnen geführt.

Politiker - Spuren der Macht
Acht Jahre lang hat Herlinde Koelbl Politiker mit der Kamera begleitet. Ihr Thema: Wie verwandelt Macht den Menschen?

Über die Spuren der Macht: Beatrice Schaechterle und Thomas Berndt.

KOMMENTAR:

Eine Frau mit Macht, Angela Merkel.

1991 bis 98.

Auf den Spuren der Macht, die Photographin Herlinde Koelbl. Ihr Thema: Wie verwandelt die Macht den Menschen? Sie hat Politiker mit der Kamera begleitet und interviewt, acht Jahre lang.

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HERLINDE KOELBL:

(Photographin)

"Für manche war acht Jahre, so ungefähr, war das eine halbe Ewigkeit, also das konnten sie sich gar nicht vorstellen und waren deshalb auch besonders offen. Und manche haben gesagt: Was, acht Jahre, man muß doch sofort in die Presse, so ungefähr, was nützt es, wenn ich Ihnen jetzt was erzähle, es muß jetzt öffentlich gemacht werden."

KOMMENTAR:

Gerhard Schröder 1991, damals noch Ministerpräsident von Niedersachsen. Der Weg vom Provinzfürsten zum Staatschef

Die Interviews, aufgezeichnet mit der Amateurkamera. Die Mächtigen im Homevideo.

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GERHARD SCHRÖDER:

(1994)

"Eins ist klar: Ich betreibe relativ wenig Selbsterforschung, aus vielerlei Gründen."

FRAGE:

"Weil Sie gar nicht wollen, daß Sie sich näher kennenlernen?"

GERHARD SCHRÖDER:

"Ich mich selber? Vielleicht auch das. Ich muß mir die Fähigkeiten behalten, zu verdrängen, aus Selbstschutz."

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FRAGE:

"Heißt das, daß dieser Mann, mit dem Sie zusammen waren, nicht mehr existiert?"

RENATE SCHMIDT:

(1994)

"Das ist jetzt im Wandel, so wie es ist - weiß ich nicht, vielleicht erholt sich’s auch wieder, aber ich weiß im Moment auch gar nicht, ob ich das will, weil ich vielleicht mich in einen anderen verliebt hab‘. Aber das weiß ich noch nicht."

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JOSCHKA FISCHER:

(1995)

"Sehe ich aus wie früher der Spenglermeister. Oder um bei der Profession meiner Vorfahren zu bleiben - der Metzgermeister wurde 50."

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HERLINDE KOELBL:

(Photographin)

"Ich glaube, Joschka Fischer war sehr, sehr ehrlich. Durch einen allerdings privaten Sturz hat er so eine Art Zäsur in seinem Leben bekommen. Nach außen hin hat er natürlich schon gezeigt oder hat er gesagt, es ist eine physische Veränderung, aber es war in Wirklichkeit eine innere Veränderung. Das Erstaunliche ist bei Joschka Fischer auch: obwohl er sich äußerlich am meisten verändert hat, ist er aber einer der Geradlinigsten geblieben."

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JOSCHKA FISCHER:

(1995)

"Politik, das ist auch - das sind die Menschen mit den schmalen Lippen. Warum? Weil man so viel wegstecken muß, runterschlucken muß."

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HERLINDE KOELBL:

(Photographin)

"Sie sind alle mißtrauischer geworden, sie haben Spontaneität, Begeisterung verloren, sie sind härter geworden und gewonnen haben sie vielleicht eine Befriedigung, man lebt sich also aus. Und ich denke, dieses Lusterlebnis, das wollen sie halt alle doch immer irgendwo wieder haben."

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FRAGE:

"Was haben Sie sozusagen am härtesten lernen müssen?"

RENATE SCHMIDT:

(1996)

"Daß man nicht vertrauen darf auf das, was einem Menschen selbst unter vier Augen sagen. Und da ist grade in der Politik ein viel größeres Maß an Mißtrauen, ja, an Mißtrauen angebracht, nicht nur an bestimmten Stellen, Mißtrauen angebracht, als ich es für möglich gehalten habe."

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JOSCHKA FISCHER:

(1994)

"Wenn Sie in die Abgründe der Macht geschaut haben, auch in die Verführung, die das bedeutet, und wissen, dir wird vielleicht schwindlig dabei, sondern eine ordentliche Brotzeit ist dir doch lieber als das ganze Schischi."

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GERHARD SCHRÖDER:

(1998)

"Ich muß jetzt los."

FRAGE:

"Wahrscheinlich."

GERHARD SCHRÖDER:

"Ich glaube auch, mein Staatssekretär wartet, ich muß noch ein bißchen regieren. Tschüß."

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Noch ein bißchen regieren gehen. Wenn Sie mehr über die Veränderungen unserer Politiker erfahren und sehen möchten: Am kommenden Mittwoch zeigen die Kollegen vom Westdeutschen Rundfunk die "Spuren der Macht", 90 Minuten in der ARD.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 23.09.1999 | 21:00 Uhr