Dumpfe Parolen, volle Kassen - Steuerzahler finanzieren Zoff bei Rechtsradikalen

von Bericht: Nicola von Hollander und Christoph Thees

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Selbst für Landtagsabgeordnete auf der Oppositionsbank sind politische Ziele offensichtlich nicht so leicht durchzusetzen. Als Paradebeispiel für komplettes Versagen auf der politischen Bühne können die Abgeordneten der rechtsextremistischen Deutschen Volksunion, der DVU, gelten. Wo immer die Vasallen des Münchner Millionärs Dr. Gerhard Frey bisher in die Länderparlamente eingezogen sind, das Bild war schnell das gleiche: Sie schwänzten Ausschußsitzungen, verpraßten Fraktionszuschüsse, und nicht einmal die Lieblingsthemen dieser Partei - Ausländer und Asyl - konnten sie bisher irgendwo glaubwürdig vertreten. Es war vor rund zehn Monaten, bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, da strahlten die DVU-Kandidaten in die Fernsehkameras. Knapp 13 Prozent der Stimmen bekamen sie damals, damit hatte niemand gerechnet. Heute sind sie zerstritten und so gut wie arbeitsunfähig.

Steuerzahler finanzieren Zoff bei Rechtsradikalen
1998 zog die rechtsextreme DVU in Sachsen-Anhalts Landtag ein. 1999 sind die Mitglieder zerstritten und arbeitslos.

Über das absurde braune Theater in Magdeburg berichten Nicola von Hollander und Christoph Thees.

KOMMENTAR:

Einzug der DVU in den Magdeburger Landtag vor einem Jahr. Fehlende Parlamentserfahrung ersetzten die braunen Debütanten durch Selbstbewußtsein.

0-Ton

HELMUT WOLF:

(DVU-Fraktionsvorsitzender, April 1998) "Man wird mit uns rechnen können, und wir werden Anträge und Initiativen einbringen, und wir werden den Etablierten das Hören und Sehen vergehen lassen."

KOMMENTAR:

Scharfe Parolen, dazu noch Selbstüberschätzung.

0-Ton

HELMUT WOLF:

"Wir machen erstmal die vier Jahre Opposition, und Sie werden sehen, wir übernehmen hinterher die Regierung."

KOMMENTAR:

Daraus aber wird nichts. Die Magdeburger DVU-Fraktion zerfällt. DVU'ler - auch hier im Landtag eine Ansammlung von politischen Wirrköpfen und Abgeordneten, für die sich die Justiz interessiert. Einige der Vorwürfe: Tierquälerei, Hakenkreuz-Schmierereien, Stasi-Tätigkeit. Gute Voraussetzungen also für eine DVU-Karriere.

0-Ton

BURKHARD SCHRÖDER:

(Rechtsextremismus-Experte)

"Die Leute, die sich für die DVU aufstellen lassen, wissen gar nicht oder ahnen nicht, daß sie eigentlich in einer Firma arbeiten. Und wenn sie dann nach der Wahl einen Posten bekommen haben, dann denken sie: Jetzt bin ich Abgeordneter, jetzt bin ich tierisch wichtig für diese Gesellschaft. Und dann stellen sie fest, daß sie das Geld nach München schicken müssen, daß sie von dort die Reden kriegen, daß sie eigentlich jeden Windhauch in München absegnen lassen müssen. Und das gefällt ihnen nicht, dann ist meistens die Enttäuschung sehr groß."

KOMMENTAR:

Er ist einer von vier Rechtsextremisten, die nicht mehr zur DVU-Fraktion gehören: Torsten Miksch. Dennoch kassiert er seine Abgeordnetenbezüge weiter, jetzt als fraktionsloser Rechtsextremist. Aber Miksch will mehr: eine eigene Fraktion, und er ist schon fast am Ziel. Nur ein Aussteiger mehr, und schon könnte Fraktionsgeld fließen.

0-Ton

TORSTEN MIKSCH:

(ehem. DVU-Abgeordneter)

"Wenn wir eine Fraktion wären, hätten wir Gelder zur Verfügung, Fraktionsgelder, die uns die Arbeit im Landtag erleichtern würden."

0-Ton

WOLFGANG SCHÄFER:

(Landtagspräsident Sachsen-Anhalt)

"Sollte sich eine neue Fraktion gründen, welcher Art auch immer, kämen auf das Land Kosten in Höhe von etwa einer Million DM zu - das setzt sich zusammen aus den Fraktionskosten-Zuschüssen, aus Beiträgen für die Abgeordneten, Einrichtung von Geschäftsräumen, Bereitstellung von Telefon, Fax usw."

KOMMENTAR:

Jährlich 1 Million Mark zusätzlich aus der Kasse des Steuerzahlers - viel Geld für eine zweite rechtsextreme Fraktion. Aber der Zoff in den eigenen Reihen hält die DVU nicht davon ab, sich selbst zu feiern. Das zeigt auch ein internes DVU-Video, das PANORAMA vorliegt. Der Magdeburger Fraktionsvorsitzende und seine Erfolgsbilanz.

0-Ton DVU-Video

HELMUT WOLF:

(DVU-Fraktionsvorsitzender)

"Das Landesparlament in Sachsen-Anhalt wurde in seiner Struktur so stark verändert, daß der gesamte Plenarsaal umgebaut werden mußte. Die vorhandene Sitzordnung paßte nicht mehr hinten und nicht mehr vorne. Da war die erste Million gleich mal futsch."

KOMMENTAR: Steuergelder verschleudern, darüber freut sich der Fraktionsvorsitzende. Aber die DVU kann noch mehr.

0-Ton

HELMUT WOLF:

"Des weiteren versuchten wir, eine repräsentative Umfrage zu starten, und wissen Sie wo? bei den Ausländern. Wir wollten wissen, ob ausländische Mitbürger gegen kriminelle Ausländer sind. Da gab es ebenfalls wieder Unruhe."

KOMMENTAR:

Unruhe stiften statt konkreter Politik. Doch das ist längst nicht alles.

0-Ton

HELMUT WOLF:

"Ich denke, die zweite Raketenstufe hat planmäßig gezündet und verleiht uns die kosmische Geschwindigkeit, die wir brauchen."

KOMMENTAR:

Gezündet und ferngesteuert, wie immer aus der Münchener Parteizentrale mit dem Vorsitzenden Gerhard Frey.

0-Ton BURKHARD SCHRÖDER:

(Rechtsextremismus-Experte)

"Es hat noch niemand bei Frey gearbeitet in der Partei, der intellektuell in irgendeiner Art und Weise ernst zu nehmen wäre. Das duldet Frey auch nicht, weil er darauf angewiesen ist, daß die Leute genau das tun, was er sagt. Es gibt nichts in dieser Partei - es ist eine klassische Führerpartei als Karikatur - was nicht aus München und von Frey abgesegnet worden wäre. Deshalb wird die DVU auch langfristig immer scheitern."

KOMMENTAR:

Die bisherige Bilanz in Magdeburg: Null Politik, jede Menge Steuergelder verschleudert. Die damalige DVU-Werbung müssen viele ihrer Wähler heute ganz anders verstehen.

0-Ton

DVU-Werbespot:

FRAU:

"Was bringt es konkret, wenn man DVU wählt?"

HELMUT WOLF:

"So wird der Stimmzettel zum Denkzettel."

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Die Selbsterfahrungsgruppen der braunen Laienspielschar sind lächerlich. Es ärgert nur, daß sie mit Steuergeldern so gut subventioniert werden.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 04.03.1999 | 21:00 Uhr