Hoch gereizt, knapp verloren - Der Zoff im Deutschen Skatverband

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Rund 20 Millionen Deutsche tun es, mit Lust und Leidenschaft, meist abends und mehr oder minder regelmäßig. Sie reizen und stechen, sie stöhnen und schreien. Zu dritt muß man dafür sein - ich rede vom Skatspielen. Bis 1945 war Altenburg die deutsche Skatstadt, mit dazugehörigem Gericht, zuständig für die jeweils neueste Version der Regeln. Dort wurden vor fast einem halben Jahrtausend auch die ersten Karten hergestellt und vor hundert Jahren der erste deutsche Skatverband gegründet. Nach der deutschen Teilung mußten die Spieler im Westen eine neue Verbandsstadt finden. Bielefeld wurde zur westdeutschen Skatmetropole. Und nun, nach der Wiedervereinigung, gab es ein klassisches, echt deutsches Dilemma: Wo liegt sie, die neue gemeinsame deutsche Skatstadt? Altenburg oder Bielefeld? Eine Frage von nationalem Interesse. Sie wurde gerade eben entschieden.

Über Zoff unter Skatbrüdern berichtet Thomas Berbner.

Zoff im deutschen Skatverband
Die Entscheidung des Deutschen Skatkongresses, den Sitz der Verbandes nicht nach Altenburg zu verlegen, sorgt für Ärger.

KOMMENTAR:

Hier wird noch mit dem deutschen Blatt gespielt. In Altenburg, Thüringen, ist man stolz auf die eigene Skattradition. Und jetzt das: Der deutsche Skatverband entscheidet sich gegen Altenburg und läßt seinen Sitz im Westen. Eins ist klar: die Stimmung bei den Altenburger Skatmeisterschaften ist in diesem Jahr ziemlich schlecht.

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SKATSPIELER:

"Wir sind die Besiegten, alles, was vom Westen kommt, das muß besser sein wie jetzt. Altenburg war ja schon von jeher - ich bin jetzt 67 Jahre - Altenburg war die Skatstadt aus Deutschland. Und die ziehen nun alles, ganz egal was es ist. Und ich finde es eine große Sauerei."

"Es gehört nach Altenburg, meine Meinung, das ist immer eine Traditions-Skatstadt gewesen und nicht Bielefeld. Was hat denn Bielefeld zu bieten?"

"Bielefeld - ich will nicht zu nahe treten dem westdeutschen Skatverband - die haben sich mehr oder weniger eingeschlichen. Aber Altenburg hat Tradition. Das finden alle aktiven Spieler von der ehemaligen DDR nicht gut."

KOMMENTAR:

Und das ist kein Wunder, war doch Altenburg auch zu DDR-Zeiten das Mekka der Skatspieler. Einmal im Jahr pilgerten sie aus dem gesamten Arbeiter- und Bauernstaat nach Thüringen, um in der Geburtsstadt des Skat ihre Kräfte zu messen.

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MANN:

(Archivaufnahmen DDR-Fernsehen)

"Im Namen des Rates der Stadt Altenburg und im Namen des Altenburger Skataktivs begrüße ich Sie herzlich zum 23. Altenburger Turnier mit weitaus über 3.000 Teilnehmern."

KOMMENTAR:

Das Altenburger Turnier galt als inoffizielle DDR-Meisterschaft. Abgeschottet von der Welt und abgeschnitten vom Skatverband im Westen, erlebte Altenburg seine größte Blüte. Turniere wie diese, darauf sind die Thüringer noch heute stolz, konnte der Westen nie auf die Beine stellen. Skat auf Weltniveau.

Altenburg, Krauzstraße 7 b. Wir treffen den großen alten Mann des DDR-Skat. Hans Jäschke hat vierzig Jahre darauf gewartet, daß die Mauer zwischen der geteilten Skatnation fällt. Daß der Skatverband dann nach Altenburg zurückkehrt, stand für ihn außer Frage.

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HANS JÄSCHKE:

(Skatgericht Altenburg)

"Ich meine, wir wollen doch unseren Freunden, unseren Brüdern und Schwestern in den alten Bundesländern nichts wegnehmen, sondern lediglich wieder an die Stelle hinsetzen, wo es hingehört. Es gehört, in Deutschland sind wir doch eine Einheit, ich denke, daß es so ist, aber hier wurde ich eines besseren belehrt."

KOMMENTAR:

Das Tragische dabei: Auch in der DDR hat er sich für die Einheit aller deutschen Skatspieler eingesetzt. Jeden Mittwochabend wachte Hans Jäschke als Altenburger Skatrichter über die Einhaltung der Regeln und hielt Kontakt zum Skatgericht der BRD in Bielefeld. Die Regeln sollten auf beiden Seiten gleich ausgelegt werden, damit eines Tages auch am Skattisch wieder zusammenwachsen konnte, was zusammengehört.

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HANS JÄSCHKE:

"Daß in den Köpfen tatsächlich noch ein Graben vorhanden ist, das wissen wir doch. Können nicht unsere so schlauen Brüder aus den alten Bundesländern mal einen Pflock mehr zurückstecken? Wie oft haben wir es denn gemußt, wie oft müssen wir es denn."

KOMMENTAR:

Zurückstecken? Der mächtige Landesverband Nordrhein-Westfalen stimmte beim Skatkongreß für Bielefeld. Das Argument: Tradition ist schön und gut, aber wir sind in der Mehrheit. Schließlich hat Nordrhein-Westfalen doppelt so viele Mitglieder wie alle neuen Länder zusammen.

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SKATSPIELER:

"Wenn wir hier so stark sind, sprich Bielefeld, dann hat Bielefeld auch einen Anspruch darauf, Sitz des deutschen Skatverbandes zu sein."

0-Ton CURT BENNEMANN:

(Skatverband Nordrhein-Westfalen)

"Ich bin auch ganz froh, daß es so gekommen ist, denn Bielefeld hat ja, schätze ich, genauso viel Tradition wie Altenburg, und Altenburg muß nicht nur Forderungen stellen, sondern auch mal ein Stück nachziehen - das betrifft alle neuen Länder - in den Mitgliederzahlen."

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PETER TRIPMAKER:

(Skatverband Nordrhein-Westfalen)

"Ich bin Teilnehmer des Kongresses gewesen. Es sind ein paar Entscheidungen getroffen worden, die mir auch nicht so zugesagt haben, aber als Demokrat muß ich halt sagen, die trage ich mit. Und das ist in Ordnung, da kann ich auch mit leben. Und das sollten die Altenburger heute auch tun. Schönen Gruß an Altenburg, in vier Jahren können sie es ja noch mal probieren."

KOMMENTAR:

Bekanntlich läßt sich ja über Demokratie leichter reden, wenn man in der Mehrheit ist. Die Altenburger jedenfalls haben das ungute Gefühl, daß die Skatbrüder im Westen sie irgendwie über den Tisch gezogen haben - Demokratie hin oder her.

0-Ton

SKATSPIELER:

"Ich denke, Demokratie ist immer in aller Regel zu bevorzugen. Aber es gibt halt eben auch Ausnahmen, und ich glaube, in diesem Punkte wäre eine Ausnahme sicher sinnvoll und sensibel gewesen."

0-Ton

HANS JÄSCHKE:

(Skatgericht Altenburg)

"Man hat eine historische Chance verpaßt, uns näher zusammenrücken zu lassen."

KOMMENTAR:

So bleibt Hans Jäschke nichts anderes übrig, als sich im Altenburger Spielkartenmuseum von der Größe vergangener Tage zu überzeugen. Auch hier ist es übrigens mit Händen zu greifen: Die Entscheidung gegen Altenburg hat den Menschen im Osten gezeigt, was der Westen von ihren Traditionen hält, nämlich nichts.

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ABM-KRÄFTE:

(Spielkartenmuseum Altenburg)

"Es muß unbedingt alles kaputt gemacht werden, was in den Osten gehört."

"Machtstreben."

"Es darf nicht sein, was hier eigentlich her gehört."

"Das ist doch wieder eine politische Maßnahme und nichts anderes: Runter mit euch Ossis, Schluß."

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Mit der Demokratie ist es wohl wie mit dem Skatspiel: Man muß nicht recht haben, nur die besseren Karten, in dem Fall die Mehrheit.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 10.12.1998 | 21:45 Uhr