Mercedes A-Klasse

von Bericht: Karl-Otto Maue

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Elch © picture-alliance/OKAPIA KG Foto: Michael H. Francis

Elch

Offensichtlich ist auf gar nichts mehr Verlaß: Ein Stern ist vom Himmel gefallen, Mercedes steht da wie ein Anfänger, der gummibereifte Kasperbuden produziert. Tausende von Autofahrern quälen Zweifel, seit die Stuttgarter Firma zugeben mußte, daß ihr Kleinstmobil ein Umfaller ist. Da ist nicht nur ein Wagen, da ist ein Mythos, eine Ikone gekippt. Statt Auto des Jahres - die Enttäuschung des Jahrzehnts. Wäre das einem - sagen wir - koreanischen oder italienischen Konzern passiert, hätte Auto-Deutschland nur mild-arrogant gelächelt. Und nun das. Bei der Nobelautoschmiede werden jetzt wohl köpfe rollen, Manager kippen.

Aber noch vor dem Tritt vom Elch hätte auch deutschen Testfahrern dämmern können, daß das Mini-Ding relativ leicht aus der Spur zu bringen ist, meint Karl-Otto Maue.

KOMMENTAR:

Es sollte das automobile Ereignis des ausgehenden Jahrhunderts werden, ein Kleinwagen mit dem berühmten Stern - oder, um es mit Mercedes zu sagen:

0-Ton

WERBESPOT:

"Wir haben was Neues von den Menschen."

KOMMENTAR:

Das ist das Neueste von den Menschen:

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WERBESPOT:

"Extrem variabel, variabel, variabel."

KOMMENTAR:

Das konnte vorher noch keiner.

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WERBESPOT:

"Und das Sicherheitskonzept hochentwickelt."

KOMMENTAR:

Sofern kein Elch im Wege steht. Dieses Wunderwerk der Technik hat den sogenannten Elchtest leider nicht bestanden. Seit es Elche gibt, weiß der Schwede, daß er ihnen auf der Straße ausweichen muß. Und seit die Schweden mit der neuen A-Klasse den Elch-Ausweich-Test gemacht haben, ist die deutsche Autowelt aus den Fugen geraten. Der Baby-Benz eine Mißgeburt? Seine Erzeuger wiederholten den Elchtest.

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JÜRGEN HUBBERT:

(Vorstand Daimler-Benz)

"Wir mußten dabei feststellen, daß bei diesem Test die Möglichkeit gegeben ist, daß die A-Klasse kippen kann."

KOMMENTAR:

Woran kann es bloß liegen, daß der Baby-Benz kippen kann? Jedenfalls nicht an der Autotechnik, sagt Mercedes. Schuld sind immer die anderen, entweder der Fahrer oder die Reifen. Mercedes hat festgestellt:

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JÜRGEN HUBBERT:

"..., daß die Bereifung einen wesentlichen Einfluß auf das Testergebnis hat."

KOMMENTAR:

Die schwedischen Elchtestfahrer weisen diese Behauptung kurz und knapp zurück.

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INTERVIEWER:

"Sind die Reifen das Problem?"

ROBERT COLLIN:

(Schwedischer Testfahrer)

"Nein."

INTERVIEWER:

"Was ist das Problem? Der Wagen ist zu hoch, und der Schwerpunkt liegt zu hoch?"

ROBERT COLLIN:

"Ja, das ist es."

KOMMENTAR:

Der Baby-Benz also doch eine Mißgeburt, zu hoch, zu kurz, zu schmal, unten zu leicht, und oben zu schwer.

Ach, wenn es doch bloß keine Elche gäbe. Vom technischen Wunderwerk wurde der Baby-Benz über Nacht zum rollenden Risiko. Auch die Autotester, die die A-Klasse über den grünen Klee gelobt haben, beschwören jetzt, wie gestern exklusiv in STERN-TV die Gefahr:

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MANN:

"Sie müssen ganz schnell reagieren. Sie reißen das Lenkrad herum, und Sie müssen, weil Gegenverkehr Ihnen entgegenkommt, wieder auf die ursprüngliche Fahrbahn zurück, Sie wollen nämlich einem Kind ausweichen."

KOMMENTAR:

Noch im Sommer war die Zeitung dieses Testers anderer Meinung: Das bemerkenswerteste Auto des Jahrzehnts, hieß es da, und Mercedes sei es gelungen, wie seinerzeit Columbus, eine undurchführbar scheinende Idee genial umzusetzen. Aber vor drei Monaten wußte ja auch noch kein Mensch, daß es Elche gibt.

AUTO BILD verteilte Noten. Das Baby im Crashtest eins a. Nur in einem Fahrbericht klang leise Kritik an: Kommen Sie nicht in extreme Situationen, dann kann das Heck abrupt ausbrechen.

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MICHAEL DROSTE:

(Auto Bild)

"Besonders dann, wenn Sie plötzlich mit dem Fuß vom Gas gegangen sind, driftete das Heck weg, und das Auto war nur noch schwer auf Kurs zu halten und ich glaube, für Normalfahrer kaum noch zu kontrollieren."

INTERVIEWER:

"Wie gefährlich war das tatsächlich?"

MICHAEL DROSTE:

"Ja, im Ernstfall auf der Straße würde das bestimmt zum Unfall führen im Gegenverkehr, das Auto wäre an die Planke gegangen."

KOMMENTAR:

Wie schnell man in der A-Klasse an der Planke landen kann, haben die Autotester ihren Lesern so deutlich nicht gesagt.

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MICHAEL DROSTE:

"Wir haben es nicht an den Pranger gestellt, das ist vollkommen klar. Aber wir haben auch andere Autos, die am Heck ausbrechen, nur - die brechen bei höheren Geschwindigkeiten aus."

INTERVIEWER:

"Wäre es richtig gewesen, an den Pranger zu stellen?"

MICHAEL DROSTE:

"Ja, im Nachhinein, klar, hätte man machen können."

KOMMENTAR:

Jetzt wissen nicht nur die Fachjournalisten, sondern auch Mercedes-Benz, daß es Elche gibt. Aber keine Sorge, die A-Klasse ist sicher. Oder ist Ihnen auf so einer Straße schon mal ein Elch in die Quere gekommen?

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 30.10.1997 | 21:00 Uhr