Wahlkampf im Wald - Schröders Sozis suchen den rechten Kurs

von Bericht: Klaus Scherer

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Gerhard Schröder © dpa-Bildfunk Foto: Salvatore Di Nolfi

Und da gibt es noch einen, der das gut beherrscht. Der reist durchs Land, ein Mann mit gewaltigem Ehrgeiz, der Bundeskanzler werden will. Gerhard Schröder reist und wirbt, um allen klarzumachen, daß er die Sache der Sozialdemokratie am besten vertritt. Pragmatisch und erfrischend ideologiefern. Die Vorliebe für deutliche Worte statt eindeutiger Festlegungen kommt an. Das Ohr stets am Volk und ihm nach dem Munde geredet - gerne beim Thema Ausländerpolitik, zum Beispiel so: "Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gibt es nur eins: raus, und zwar schnell." Klingt harmlos für viele und kommt bei der Basis gut an.

Schröders Sozis suchen den rechten Kurs
Gerhard Schröder fordert 1997 eine schnelle Abschiebung krimineller Ausländer - ein Meinungsbild der Parteimitglieder.

Wahlkampf im Wald hat Schröder in Niedersachsen gemacht. Klaus Scherer hat hingehört, was da herausschallt - aus dem Wald und vor allem aus der SPD.

KOMMENTAR:

Das hat der SPD-Freund gern auf Video: Der Hoffnungsträger der Partei aus zwei Metern Entfernung. Schröder für alle, schön anzusehen, solange der Vorrat reicht. Ein Meinungsführer, dem man hier gerne folgt - in diesem Fall auf Einladung der Volks-Sport-Gemeinschaft Königslutter. Wandertag in Niedersachsen. Anderthalb Stunden Kurshalten liegen vor Schröder und dem Volk.

Unterdessen am Zielort: Der SPD-Stand in froher Erwartung. Es gibt viele Gründe, sich auf Schröder zu freuen.

0-Ton

FRAU:

"Also er spricht mich an als Person und auch als Mann."

KOMMENTAR:

Und weil er die Wahrheit sagt, zum Beispiel über kriminelle Ausländer.

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FRAU:

"Er spricht ja nicht gegen die Ausländer, die bei uns schon lange sind, die sich integriert haben, die hier lange leben, die spricht er gar nicht an, sondern er spricht ja eigentlich die an, die hier irgendein Verbrechen begehen oder so, was dann irgendwie so gehandhabt werden muß, daß auch das eigene Land dafür geradestehen muß, und die müssen mit zahlen. Und da spricht er, glaube ich, dem Bürger aus der Seele."

KOMMENTAR:

Familientag mit Schröder. Einer eben, der versteht. Fruchtbarer Boden, auf dem er sich da bewegt: Auch gegenüber Ausländern muß man schließlich einmal Klartext reden.

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MANN:

"Wenn sie also kriminell werden, müssen sie so schnell wie möglich abgeschoben werden, sie müssen weg hier, das will das Volk nicht."

FRAU:

"Wenn ich in der Türkei ein Verbrechen begehe, komme ich auch bei Wasser und Brot unter schlimmsten Voraussetzungen ins Gefängnis. Und hier bei uns? Und das versteht der kleine Bürger nicht."

KOMMENTAR:

Doch wo nun hinmarschieren? Genauso einsperren bei Wasser und Brot? Geht ja nicht, wenn alle abgeschoben sind.

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INTERVIEWER:

"Was soll man nun machen, soll man sie nun in den Knast stecken oder soll man sie abschieben?"

FRAU:

"Ich bin für Abschiebung."

MANN:

"Abschieben, wer hier keinen festen Wohnsitz hat, muß abgeschoben werden."

INTERVIEWER:

"Ja, dann sagen Sie aber, die kommen wieder und kommen hierher, und wir können nichts machen."

MANN:

"Aber ich bitte Sie. Warum kommen sie denn wieder? Weil wir hier als Schlaraffenland gelten, ist doch ganz klar. Es hat doch Ursachen: Die Leute führen ein schlechtes Leben dort, und den einzelnen kann ich sogar verstehen, nur - wir sind doch nicht der Wohltäter der ganzen Menschheit. Die kommen alle hierher, um besser leben zu können, das verstehe ich, ich wiederhole es noch mal. Aber insgesamt geht das nicht. Wir können doch nicht immer nur aufnehmen, aufnehmen. Kein Mensch will wieder weg."

KOMMENTAR:

Doch wie's so geht bei deutschen Sozis: Kaum hält man einen harten Kurs, regt sich bei manchen plötzlich wieder das Gewissen.

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MANN:

"Ich kann nur sagen, wer hier als Kriegsflüchtling aufgenommen ist, der muß, wenn der Krieg beendet ist, zurückgehen, so einfach ist das."

FRAU:

"Ich bin da nicht deiner Meinung. Ich sehe das eben dadurch: Meine Tochter macht hier ein Praktikum beim Stadtjugendring, und die sagte mir, gerade so die Kinder der Kriegsflüchtlinge: Du mußt mal überlegen, die können ganz wenig Deutsch. Die trauen sich gar nicht mal, irgendwie einem Stadtjugendpfleger zu sagen, wo sie herkommen, da werden die wütend, aus Angst, daß irgend jemand sie wieder verfolgt, obwohl sie ja keine Angst haben müssen bei uns."

KOMMENTAR:

So schweißtreibend kann Wahlkampf sein. Pause auf der Strecke, ein Prosit auf die Meinungsführerschaft der SPD. Die nächste Runde geht auf die Asylbewerber, die Basis denkt nämlich schon weiter.

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MANN:

"Nehmen wir mal die Asylbewerber, die aus Schwarzafrika kommen oder aus Afrika - was sind denn das für Leute? Das sind 18 bis 25 Jahre alte Leute, die gut in der Situation sind, die könnten arbeiten zu Hause. Nein, die kommen hierher."

INTERVIEWER:

"Woher wissen Sie das?"

MANN:

"Das sehe ich doch, die kenne ich doch alle, natürlich sehe ich das. Haben Sie schon mal einen gesehen haben, der so alt ist wie ich, zwischen 65 und 70? Haben Sie schon mal einen gesehen aus Afrika? Das sind alles junge Leute, die in Saft und Kraft sind. Die sollen da bleiben. Die wirklichen Asylbewerber, die kommen gar nicht her, weil die viel zu dumm sind und kein Geld haben. Hier kommen die jungen Leute, das sind die falschen Leute die herkommen."

KOMMENTAR:

Auch hier, man ahnt es, die Parteibasis noch nicht so ganz entschieden.

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FRAU:

"Bei uns wird jeder Ausländer über einen Kamm geschert, ob das ein Türke ist, ob das ein Grieche ist, ob das ein Afrikaner ist - man muß da wirklich ein bißchen unterscheiden."

MANN:

"Aber hör' mal, wenn ich zum Beispiel die Türken nehme: Von der Bundesregierung wird gesagt, die PKK ist verboten, und die marschieren trotzdem mit ihren Fahnen und Emblemen rum, das kann doch gar nicht wahr sein."

FRAU:

"Das dürfen wir in der Türkei auch nicht, das sehe ich genauso."

MANN:

"Das kann doch nicht wahr sein. Die Polizei guckt zu."

FRAU:

"Aber hast du schon Türken hier auch aufwachsen sehen, die dann plötzlich zurück müssen, müssen da zur Armee? Die können kein Türkisch, die können nur Deutsch, die können nicht ein Wort Türkisch. Die gehen kaputt da drüben, wenn die zurückgehen."

KOMMENTAR:

Also was jetzt? Asylbewerber, Flüchtlinge und Türken raus? Zeit, daß Schröder ankommt und noch mal erklärt, was er gemeint hat. Doch zuvor noch ein Versuch der Deutung.

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FRAU:

"Also, für mich ist das eigentlich, was Gerhard Schröder mehr meint - nun bin ich davon auch betroffen: bei mir ist vor einem Jahr eingebrochen worden und vieles entwendet, wo man persönlich dran hängt. Und ich denke mir, das sind also in erster Linie diese Rumänen- und Russenbanden. Jetzt im Urlaub und so, man merkt es auch überall, es sind also wirklich Russen und Rumänen."

KOMMENTAR:

Na also, Russen und Rumänen. Am Ziel sind sich alle wieder einig, so wie es in einer verdienten Traditionspartei auch sein soll. Es gibt Orden und für jeden noch ein SPD-Schokoladentäfelchen und endlich das ersehnte Wort zum Tage:

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GERHARD SCHRÖDER:

(Ministerpräsident)

"Ich hab' das wirklich gerne gemacht und finde das eine großartige Idee, nicht nur, weil Menschen ganz unterschiedlichen Alters zusammenkommen, sondern eben auch, weil da ein Stück bürgerlichen Gemeinsinns deutlich wird. Man tut was zusammen, unabhängig davon, wie der eine oder der andere denkt. Man findet mehr zueinander, als das vielleicht sonst der Fall ist.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 28.08.1997 | 21:00 Uhr