Geheimkonto in der Schweiz - Das Raubgut der Nazi-Größe Hermann Göring

von Bericht: Tom Fugmann

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Idyllisch - so hätte die Schweiz sich auch gern, makellos-neutral und mit geschönter Vergangenheit. Wir haben es alle in den großen Tageszeitungen gesehen: Die Schweizer Banken haben bußfertig Listen mit herrenlosen Opfer-Konten präsentiert - Geld, das sie über fünf Jahrzehnte für sich arbeiten ließen, von dem sie wußten, daß es Opfern des Nazi-Regimes gehört und über dessen Existenz sie die Öffentlichkeit getäuscht haben. Nicht ganz freiwillig möchten die Banken nun alles bis zum letzten Franken den Eigentümern oder ihren Erben zurückgeben. Der Ruf und Ruch raffgieriger Eidgenossen, die sich ohne Moral zu Hitlers willigen Bankern und Hehlern machen ließen, wird aber haften bleiben. Auf den Listen fanden sich auch so einige Nazi-Größen als Kontoinhaber. Bekanntlich waren es ja feine Damen und Herren, die Hierarchen des Dritten Reiches, gebildet, gut erzogen, belesen, nett zu den eigenen Kindern und Hunden, fein- und kunstsinnig. So hatte Reichsmarschall und Schmuck- und Kunstliebhaber Hermann Göring einen eigenen Juwelier, der das von den Juden erplünderte Gold und die geraubten Brillanten für ihn pflegte. Kurt Herrmann, der Juwelier des Reichsmarschalls, findet sich auf den Listen der Schweizer Banken. Die Prätiosen, die er für Göring sammelte, haben ihm ebenfalls gutes Geld gebracht. Und auch davon wußte man in der Schweiz, berichtet Tom Fugmann.

KOMMENTAR:

Vor gut zwei Wochen machten die Schweizer Banken ernst, so schien es jedenfalls. Mit einer weltweiten Anzeigenkampagne wollen sie seitdem ihre Vergangenheit aufklären: Über 1.800 Kontoinhaber aus der Zeit des Dritten Reiches, die sich seitdem nicht mehr gemeldet haben - meist KZ-Opfer, vermuteten die Schweizer. Doch ganz aus Versehen offenbar gaben sie ein Konto preis, das es eigentlich gar nicht geben dürfte: "Kurt Herrmann, Leipzig, Deutschland". Ein Bild von damals: Herrmann war der Vermögensberater der Nazigröße Göring. Für Göring organisierte Herrmann einen der größten Kunstraubzüge in der Geschichte - Gemälde in Paris, Diamanten in Amsterdam, in ganz Europa raubte er, verkaufte die Beute und legte das Vermögen in der Schweiz an.

Da der Verdacht nahe lag, ließen die Beraubten gleich nach dem Krieg bei der Schweizer Regierung nachfragen, ob ihr Vermögen dort sei, unter anderem durch holländische Diplomaten. Doch eine ergiebige Antwort bekamen sie nicht. Dabei offenbart der heute vorliegende geheime Bericht einer Schweizer Regierungsstelle, daß man über das Herrmann-Vermögen bestens Bescheid wußte. Hier die Vermögensliste Herrmanns, ein Konto etwa bei der Schweizer Kreditanstalt SKA in Zürich. Auch der Zusammenhang zu Göring und den Diamanten ist klar festgehalten, besonders verräterisch aber ein Satz am Ende. Jetzt wird klar, warum die Holländer nichts erfuhren. Die Unterbehörde schreibt über ihre eigenen Regierungsspitzen - Zitat: "Sie erachteten es nicht für angezeigt, den Fall Herrmann erneut aufzugreifen."

0-Ton

MONIKA TATZKOW:

(Historikerin)

"Den Behörden in der Schweiz war bekannt dieses enge Verhältnis zu Hermann Göring, und vor all dem Wissen hätte man zunächst die Prüfung genauer weiter durchführen müssen. Man hätte möglicherweise dann zu der Erkenntnis kommen müssen, Teile, zumindest Teile des Vermögens von Kurt Herrmann nicht nur fortgesetzt weiter zu blockieren, sondern dann auch den Opfern zurückzugeben."

KOMMENTAR:

In einem Abkommen mit den Alliierten hatten sich die Schweizer nämlich verpflichtet, Nazi-Konten zu sperren und das Geld den Opfern zukommen zu lassen. In Wirklichkeit hingegen, ließen sie Hermann nach dem Krieg sogar weiter an sein Vermögen heran, bis zu seinem Tod 1959.

0-Ton

MONIKA TATZKOW:

"In Westdeutschland wurde er entnazifiziert, und dadurch erhielt er Zugriff auf die in Deutschland verbliebenen immensen Vermögenswerte. Im Osten allerdings wurde er als Hauptkriegsverbrecher in Abwesenheit zum Tode verurteilt."

KOMMENTAR:

Seitdem ist ein Teil des Vermögens offensichtlich in der Schweiz geblieben. PANORAMA bat die Schweizer Kreditanstalt um eine Stellungnahme. Die antwortete trotz der Dokumente, Herrmann sei nie Kunde gewesen. Ein Interview lehne man aber noch ab, da man noch Unterlagen suche.

Ironie der Geschichte: Jahrzehntelang konnten die Schweizer Banker erfolgreich die Herrmann-Konten verheimlichen - jetzt haben sie ihn selbst vergessen und verraten sich durch eine Zeitungsanzeige.

Abmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Den Fluch des Goldes und des Geldes werden die Bergbewohner so einfach nicht los.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 07.08.1997 | 21:00 Uhr