Glosse "Namenskrieg"
JOACHIM WAGNER:
Phantasie ist nicht gerade eine typisch deutsche Eigenschaft. Beim Ausdenken von Vornamen scheinen wir jedoch überraschend erfinderisch. Da wollen Eltern ihre Kinder zum Beispiel Sahara, Lufthansa oder Winnetou taufen. Vor allzuviel Kreativität und Exotik bei der Namensgebung stehen jedoch die Standesämter.
Vor einer Bürokratenposse von Edeltraud Remmel möchte ich mich von Ihnen verabschieden und Ihnen dafür danken, daß Sie heute PANORAMA trotz des Schreinemakers-Spektakels treu geblieben sind. Tschüß und auf Wiedersehen in drei Wochen.
KOMMENTAR:
Das ist Luisa Domaris. Am 12. Februar kam sie auf die Welt. Bis vor kurzem wurde sie offiziell als "Unbekannt Metzler" geführt, denn der Name Domaris stieß beim Standesamt Koblenz auf massiven Widerstand. Und so konnte "Unbekannt Metzler" auch erst im Oktober getauft werden, nachdem der Namenskrieg durch einen Waffenstillstand beendet war. Mutter Nicole - sie ist erst 19, aber schon kampferprobt. Und Domaris, das ist die Heldin dieses Romans:
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NICOLE METZLER:
"Als die Sonne den Zenit überschritten hatte, richtete sich Domaris wie von einem Instinkt geleitet auf und schaute zum Ufer."
KOMMENTAR:
Der Standesbeamte dagegen schaute nur auf seine Bestimmungen. Domaris, der Name sei nicht geschlechtsspezifisch, deshalb: abgelehnt. Kein Problem, meinten die Metzlers und boten als Zusatz Luisa an. Also: Domaris-Luisa - mit Bindestrich. Doch damit ging's erst richtig los. Sechs Monate lang dauerte der Kampf, beschäftigte mehrere Instanzen und verzögerte obendrein die Auszahlung des Erziehungsgeldes. Die Fahndung nach dem tieferen Sinn behördlicher Verweigerung führte zum Standesamt Koblenz. Der Experte für Öffentlichkeitsarbeit versuchte, Licht ins Dunkel zu bringen.
0-Ton Standesamt Koblenz:
"Der einzige Einwand war, daß dieser Name nicht eindeutig geschlechts - daß er das Geschlecht des Kindes erkennen läßt."
INTERVIEWERIN:
"Aber die wären ja bereit, den Zusatz Luisa dazu zu geben."
Standesamt Koblenz: "Ja."
KOMMENTAR:
Zweiter Anlauf:
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INTERVIEWERIN:
"Aber die Kindesmutter war ja bereit, den Namen Luisa dazuzusetzen."
Standesamt Koblenz:
"Das ist auch aber kein Grund - oder keine, na - dadurch wird der Name Domaris auch nicht besser erkennbar."
INTERVIEWERIN:
"Mit Luisa nicht?"
Standesamt Koblenz:
"Nein - ach Mensch - Entschuldigung."
KOMMENTAR:
Der dritte Versuch:
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Standesamt Koblenz:
"In dem Fall, wo die - in dem Fall - also bis zu dem Zeitpunkt, wo Domaris als nicht erkennbar geschlechts - ja, und so weiter."
KOMMENTAR:
Dann endlich das Plädoyer gegen den Bindestrich:
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Standesamt Koblenz:
"Ja, laut Gesetz ist es so geregelt, daß auch eine Bezeichnung wie Domaris nicht automatisch zum Menschennamen wird, indem diese Bezeichnung mit eindeutigen Mädchennamen wie in dem Fall Luisa verbunden wird."
KOMMENTAR:
Daß eigentlich nur der Bindestrich störte, erfuhren die Metzlers im Klartext vom Standesamt nie. Statt dessen sollten sie den Nachweis erbringen, daß Domaris ein Name und keine Bezeichnung sei, wohl um den Bindestrich zu retten.
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Standesamt Koblenz:
"Diese Vorgaben oder diese Unterlagen, die lagen der Stadt Koblenz nicht vor."
INTERVIEWERIN:
"Sie meinen, der Roman?"
Standesamt Koblenz:
"Der Roman, in dem der Name auftaucht."
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NICOLE METZLER:
"Ich wollte ihm auch das Buch zeigen, woraus ich den Namen habe, aber das wurde direkt abgelehnt: Nein, gibt es nicht."
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VERA METZLER:
"Der Standesbeamte meinte, er brauchte eben den Nachweis von der griechischen Botschaft, damit man ihn eintragen könne."
INTERVIEWERIN:
"Wieso von der griechischen Botschaft?"
VERA METZLER:
"Ja, weil es klang für ihn griechisch."
KOMMENTAR:
Dann entschied das Amtsgericht im zweiten Anlauf. Luisa Domaris heißt sie nun, ohne Bindestrich. Und so fragt sich der Außenstehende, wo eigentlich ist der kleine Unterschied - Domaris hinten, Luisa vorne. Das Schlußwort hat der Experte vom Standesamt:
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Standesamt Koblenz:
"Nee, das war dann einfach - die Sache mit dem Bindestrich."
