Koch-Mehrin schwänzt Ausschusssitzungen

Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins Panorama hat die EU-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin (FDP) in diesem und auch im vergangenen Jahr alle Sitzungen des Petitionsausschusses des Europäischen Parlamentes geschwänzt. Zuletzt nahm sie im November 2009 an einer Sitzung des regelmäßig tagenden Ausschusses teil. Es ist der einzige Ausschuss, in dem Koch-Mehrin Vollmitglied ist. Im Petitionsausschuss werden Anliegen und Probleme der Bürger behandelt. Die Ausschussarbeit zählt zu den wesentlichen Aufgaben eines EU-Parlamentariers.

Koch-Mehrin fehlte zudem 2011 auch bei fast allen Sitzungen des Ausschusses "Industrie, Forschung und Energie", in dem sie bis Juni 2011 stellvertretendes und kurze Zeit auch Vollmitglied war. Die Mitgliedschaft in diesem Ausschuss hat sie im Mai 2011 nach der Plagiatsaffaire aufgegeben.

Silvana Koch-Mehrin war zu keiner Stellungnahme vor der Kamera bereit. Sie verweigerte auch die Beantwortung von schriftlichen Fragen.

Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Hans Meyer kritisiert: "Das Verhalten, das Frau Koch-Mehrin an den Tag legt, ist für niemanden akzeptabel und schadet ihrer eigenen Partei und dem Europaparlament. Man kann ihr nur raten, entweder wieder zur Arbeit zurückzukehren oder aber aus dem Parlament auszuscheiden."

Der Delegationsleiter der FDP im Europäischen Parlament Alexander Graf Lambsdorff war zu keiner Stellungnahme bereit. Der FDP-Europaabgeordnete Jürgen Creutzmann erklärte in Panorama, dass man berücksichtigen müsse, dass Silvana Koch-Mehrin früher in der Partei auch noch viele andere Aufgaben inne hatte. Zu einer möglichen Mandatsniederlegung Koch-Mehrins sagte er: "Es ist die Entscheidung von Frau Koch-Mehrin, ihr Mandat zu behalten, und ich bin überzeugt, sie wird in Zukunft so kräftig mitarbeiten, dass diese Forderung nicht mehr erhoben werden muss."

Seit rund vier Monaten sind so gut wie keine öffentlichen Termine außerhalb des Europäischen Parlamentes bekannt geworden, an denen Koch-Mehrin teilgenommen hätte. Ihre Homepage, wo sie über ihre Arbeit als Abgeordnete informiert, war bis vor ein paar Tagen in weiten Teilen auf dem Stand von 2009.

Erst im Zuge der Panorama-Anfrage wurde sie geradezu hektisch aktualisiert, wie Panorama mit Screenshots belegen kann. Dabei wurden Meldungen aus den vergangenen Monaten eingestellt, die tatsächlich vor ein paar Tagen noch gar nicht  auf der Homepage zu finden waren. Dabei handelt es sich um die Meldungen vom 27. Juni "EU-Journal" sowie die Meldung vom 13. Juli "Peti/Stellungnahme zum Haushalt" und vom 18. Juli "Buchbeitrag". Unter der Rubrik "Meine Europapolitik" findet man jetzt auch den Hinweis, dass ihre Arbeit im Petitionsausschuss offenbar noch in diesem Jahr enden soll. Vor der Panorama-Anfrage stand er noch ohne zeitliche Befristung als ihr Hauptausschuss auf ihrer Seite. 

Ganz verschwunden von der Homepage ist  inzwischen der Hinweis auf das Wahlkreisbüro von Silvana Koch-Mehrin. Panorama hatte wochenlang versucht, telefonischen Kontakt zu diesem angeblichen Büro herzustellen. Die Anrufe wurden weitergeleitet auf eine anyonyme Mailbox eines Mobiltelefons. Wann das Büro besetzt ist, war nicht in Erfahrung zu bringen. Die FDP in Karlsruhe, die nach eigenem Bekunden Frau Koch-Mehrin ein Büro vermietet hat, konnte zu den Öffnungszeiten keine Auskunft geben. Am Haus selbst befindet sich momentan keine Hinweistafel auf ein Wahlkreisbüro Koch-Mehrins.  

Gregor Hackmack von "Abgeordnetenwatch" fordert Frau Koch-Mehrin auf, sich zu überlegen, "ob sie ihr Mandat nicht an jemanden abgibt, der Lust auf seine Arbeit hat".

Es ist nicht das erste Mal, dass Silvana Koch-Mehrin Negativschlagzeilen mit ihrer Arbeitsmoral als Parlamentariern macht. 2009 vor der Europawahl kämpfte sie mit dem Vorwurf einer niedrigen Präsenzquote im Plenum des Europäischen Parlamentes. Dieses Problem hat sie 2011 nicht mehr: in ihrer Funktion als stellvertretende  Parlamentspräsidentin, die sie bis Mai inne hatte,  nahm sie an rund 84 Prozent aller Plenarsitzungen teil.

Silvana Koch-Mehrin bekommt  als Abgeordnete des Europäischen Parlamentes ein Bruttogehalt von rund 8000 Euro. Hinzu kommen eine allgemeine Kostenpauschale von rund 4300 Euro sowie ein Tagegeld pro Sitzungstag von rund 300 Euro. Sie hatte das Mandat trotz der Plagiats-Affäre um ihre Doktorarbeit im Mai 2011 behalten.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 29.09.2011 | 21:45 Uhr