Stand: 12.05.20 19:10 Uhr

Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank: Fragen und Antworten

Mitten im Hamburger Wahlkampf fordern die Opposition und auch der Grüne Koalitionspartner vom Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Aufklärung in Sachen Cum-Ex: Sie wollen wissen, wie genau die Hamburger Finanzverwaltung mit der Warburg Bank im Steuerverfahren umgegangen ist. Und ob es hierbei möglicherweise zu Absprachen zwischen dem Finanzamt und dem Senat gekommen ist. Die Diskussion ins Rollen gebracht hatte ein Bericht von Panorama und der "Zeit" aus der vergangenen Woche.

Genossen und Banker: Das 47-Millionen-Geschenk
Hamburg hat auf eine Forderung von 47 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften der Warburg Bank verzichtet.

Weshalb verzichtete Hamburg darauf 47 Millionen Euro von der Warburg Bank zurückzufordern?

Die Hamburger Finanzverwaltung hatte 2016 darauf verzichtet, 47 Millionen Euro von der Warburg Bank zurückzufordern. Diese 47 Millionen Euro hat die Bank nach Auffassung der Kölner Staatsanwaltschaft, der Wirtschaftsprüfer von Deloitte, die im Auftrag der BaFin tätig waren, sowie zahlreicher Experten zu Unrecht vom Fiskus erhalten. Und zwar durch sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Aus den Akten der Kölner Staatsanwaltschaft geht unter anderem hervor, dass auch die Betriebsprüfer des Hamburger Finanzamtes im Herbst 2016 zu dem Schluss kamen, dass Warburg das Geld zurückzahlen müsse. Dieses Ergebnis wurde dann an die übergeordnete Finanzbehörde weitergeleitet. Danach kam es trotzdem zur steuerlichen Verjährung. Im Jahr darauf, 2017, wäre eine weitere Millionen-Forderung der Stadt an Warburg beinahe erneut in die Verjährung gelaufen. In diesem Fall wies das Bundesfinanzministerium die Hamburger Steuerverwaltung an, das Geld zurückzufordern.

Das "Hamburger Abendblatt" berichtet nun, Finanzamt und Steuerverwaltung der Behörde hätten sich damals mit dem Fall befasst und seien im November 2016 zu der Entscheidung gekommen, dass die Erfolgsaussichten in einem Rechtsstreit mit Warburg zu gering seien, um das Geld zurückfordern zu können. Man habe offensichtlich befürchtet, es könne zu Regressansprüchen in Millionenhöhe gegen die Stadt kommen, wenn sich die Forderung als unberechtigt herausstellen würde. Im Jahr 2016 gab es allerdings bereits umfangreiche Ermittlungen zu den Cum-Ex-Geschäften der Warburg Bank. Die Wirtschaftsprüfer von Deloitte kamen im Auftrag der Bankenaufsicht Bafin nach umfangreicher Prüfung im Dezember 2016, also vor der Verjährung, zu dem Schluss, dass es sich bei den Geschäften um Cum-Ex-Deals handelte. Sie gingen davon aus, dass die zu Unrecht ausgezahlten Gelder von Hamburg zurückgefordert werden würden.

Verhandelten Hamburg und Warburg Bank 2019 über eine "Billigkeitslösung"?

NDR und "Die Zeit" haben berichtet, dass das Bundesfinanzministerium Ende 2019 eine so genannte Billigkeitslösung in Sachen Warburg Bank abgelehnt hat. Teil dieser Lösung war es offenbar, dass die Bank nur einen Teil des möglichen Steuerschadens an den Fiskus gezahlt hätte. Dies hätte dazu geführt, dass der Bank Millionensummen erspart worden wären. Das Abendblatt berichtet, die Hamburger Finanzverwaltung hätte diesen Vorschlag der Warburg-Bank selbst abgelehnt und sich in Berlin hierzu nur rückversichern wollte.

Anwälte der Warburg Bank hatten Ende vergangenen Jahres vor dem Landgericht Bonn bekannt gegeben, dass Warburg seit Längerem Gespräche "mit den zuständigen Finanzbehörden" führe. Dabei ging es offenbar auch darum, die mögliche Steuerschuld von Warburg zu reduzieren. In dem Warburg-Schreiben heißt es weiter, für eine "gütliche Einigung" sei man auf die "Bereitschaft aller Beteiligten angewiesen, und dazu gehört auch das Bundesfinanzministerium in Berlin".

Ist es möglich, dass Hamburg die verjährten Millionen doch noch zurückbekommt?

Ja, das ist möglich. In Bonn sind vor dem Landgericht zwei britische Aktienhändler wegen schwerer Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften angeklagt. Die Wirtschaftsstrafkammer hat fünf Banken in den Prozess einbezogen, darunter M.M. Warburg und Warburg Invest. Sollten die Angeklagten verurteilt werden, könnte das Gericht die aus den Geschäften entstandenen Profite bei den Banken einziehen, auch wenn sie steuerrechtlich verjährt sind. So hat es der Vorsitzende Richter im Dezember mitgeteilt. Er hat auch angekündigt, das Geld zurückholen zu wollen. Allerdings ist der dafür anzuwendende Paragraf 73 des Strafgesetzbuchs bislang nicht in Cum-Ex-Fällen eingesetzt worden.

Die Warburg-Bank argumentiert vor Gericht derzeit mit der Verjährung. Um ihre Position zu stärken, hat sie unter anderem die Vorsteherin des Hamburger Finanzamts für Großunternehmen als Zeugin benannt.

Im "Hamburger Abendblatt" wird nun berichtet, dass die Behörde schon im Herbst 2016 der Meinung war, man könne sich je nach Ausgang in einem Strafprozess das Geld später zurückholen. Das steht allerdings in Widerspruch zu Aussagen in einer Sitzung des Haushaltsausschusses im Februar 2018. Dort erklärten Senatsvertreter laut Protokoll: "Auch eine erfolgreiche Strafverfolgung lasse den Eintritt der steuerrechtlich eingetretenen Verjährung nicht hinfällig werden. Was steuerrechtlich verjährt sei, bleibe verjährt."

Was ist zu den Treffen von SPD-Spitzenpolitikern bekannt?

Olaf Scholz gestikuliert mit seiner Hand. © picture alliance / AA Foto: Abdulhamid Hosbas

Will bei dem Treffen mit Olearius nicht über Cum-Ex gesprochen haben: Olaf Scholz.

Die Recherchen hatten weiter offengelegt, dass sich Hamburger SPD-Spitzenpolitiker mit dem Chef der Warburg-Bank, Christian Olearius, getroffen und über den Cum-Ex-Fall gesprochen haben. Zu diesem Zeitpunkt wurde strafrechtlich gegen Olearius ermittelt wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung. Bundesfinanzminister Scholz, damals Erster Bürgermeister Hamburgs, hat das Treffen inzwischen eingeräumt. SPD-Bundestagsabgeordneter Johannes Kahrs hatte ein eigenes Treffen mit Olearius gegenüber NDR und "Die Zeit" zunächst bestritten. Inzwischen hat auch Kahrs gegenüber dem Abendblatt mehrere Treffen mit Olearius eingeräumt.

Olearius notiert zu dem Treffen mit Scholz unter anderem, dass er diesem vom Steuerverfahren und vom Strafverfahren berichtet habe. Laut Aufzeichnungen traf sich der Banker zudem im Dezember 2017 mit dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Johannes Kahrs. Olearius notiert dazu, Kahrs habe in dem Gespräch zugesagt, sich in Berlin "einen Durchblick" zu verschaffen. Er wolle sich der Frage annehmen: "Was treibt das Ministerium?" Ein Sprecher von Olaf Scholz erklärte, es habe in diesem Zusammenhang keine politische Einflussnahme gegeben. Johannes Kahrs erklärte, er habe sich über die Rolle der Deutschen Bank im Cum-Ex-Fall informieren wollen.

Entlastende Indizien für Olaf Scholz?

Das "Hamburger Abendblatt" hat berichtet, dass sich im Tagebuch des Warburg-Bankers Olearius ein Eintrag fände, der Olaf Scholz "entlastet". Danach gäbe es keinen Beleg, dass Scholz Einfluss genommen hätte. Der NDR hat dies auch nie behauptet. Der "Abendblatt"-Artikel bestätigt das Treffen von Scholz und Olearius. Weiter widerspricht Olearius dem Hamburger Senat, der das Treffen schließlich doch noch zugab, aber weiterhin versicherte, man habe nicht über Cum-Ex etc. gesprochen.

Sinngemäß heißt es in dem Tagebuch-Auszug zum Treffen zwischen Scholz und Olearius, der Banker habe Scholz von dem Strafverfahren und dem Steuerverfahren berichtet. Er schreibt weiter, dass er Scholz zurückhaltendes Verhalten so interpretiere, dass sich die Bank und er "keine Sorgen zu machen brauchen". Woher dieses Gefühl rührt, lässt sich journalistisch nicht beurteilen.

Fest steht: Im Tagebuch ist nicht vermerkt, wie sich Scholz konkret zu den Ermittlungen und zum Steuerverfahren geäußert hat. Auf dieser Basis hat Panorama berichtet. Der heutige Bundesfinanzminister hatte zuvor mehrere schriftliche und telefonische Anfragen von NDR und "Die Zeit" zu dem Treffen unbeantwortet gelassen. Auch ein Interviewangebot nahm er nicht wahr.

Welche Fragen sind noch ungeklärt?

Viele Fragen sind bislang ungeklärt. So ist bislang unklar, weshalb sich die Rechtsauffassung der Hamburger Finanzverwaltung im Cum-Ex-Fall offenbar deutlich von der Rechtsauffassung anderer Behörden unterschieden hat.

Der Hamburger Senat hatte außerdem Ende 2019 auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Fraktion erklärt, Treffen zwischen Regierungsmitgliedern und Warburg-Bankern habe es - zumindest im Zusammenhang mit dem Steuerverfahren - nicht gegeben. Die Tagebuchaufzeichnungen von Christian Olearius zum Treffen mit Scholz stehen hierzu im Widerspruch. Zudem ist bislang nicht geklärt, worüber im Detail bei den Treffen gesprochen wurde. Unklar ist auch, weshalb die Hamburger Finanzbehörde nun berichtet, sie sei bereits 2016 davon ausgegangen, dass sie über ein Strafverfahren doch noch an Warburgs Steuermillionen kommen könne. Das steht in Widerspruch zu einer Aussage von Senatsvertretern im Haushaltsausschuss im Jahr 2018 (s.o.).

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 13.02.2020 | 21:45 Uhr