Stand: 27.11.13 19:47 Uhr

Anatomie einer Hinrichtung

von John Goetz, Arne Meyer & Niklas Schenck
Ein Mann steht auf einem Balkon. © Niklas Schenck/NDR Foto: Niklas Schenck/NDR

Salman Abdullahi will nicht erkannt werden.

Den 24. Februar 2012 wird Salman Abdullahi, der seinen richtigen Namen nicht nennen will, nicht mehr vergessen. Es ist der Tag, an dem der Somali seinen Vater verloren hat - getötet von einer US-amerikanischenKampfdrohne: "Ich bin immer noch fassungslos", berichtet Abdullah. "Mein Vater, er hat allen geholfen zu überleben."

Der Vater kehrt nicht zurück

Salman Abdullahi ist Hirte. An jenem Februartag brechen er und sein Vater sehr früh in unterschiedliche Richtungen auf - Salman mit den Ziegen, sein Vater mit den Kamelen. Die Tiere brauchen Gras und Wasser. Am späten Abend ist der Vater noch immer nicht wieder da. Aber das beunruhigt Salman nicht. Das sei schon häufiger passiert, berichtet er.

Als aber die ersten Kamele alleine an den Hütten der Familie ankommen, macht sich Abdullahi gemeinsam mit seinen Geschwistern auf die Suche. Etwa 60 Kilometer südlich der somalischen Hauptstadt Mogadischu erfährt die Gruppe, dass in unmittelbarer Nähe zwei Autos von Raketen getroffen worden sind. Höchstwahrscheinlich abgefeuert von einer Kampfdrohne.

"Wir hatten keine Ahnung, dass er tot ist!"
Ein Hirte aus Somalia berichtet von einem Drohnenangriff. Er will nicht erkannt werden. Nach dem Angriff suchte er seinen Vater - ohne zu wissen, dass es zu spät ist.

Das Drohnen-Geräusch gehört zum Alltag

In der Region, in der die Familie zu Hause ist, gehören diese Geräte zum Alltag. Abdullahi erzählt, dass er und seine Familie die Drohnen hören, aber nicht sehen können. Das Geräusch der Drohnen könnte Abdullahis Vater kurz vor seinem Tod auch gehört haben. Denn er stirbt bei dem Drohnenangriff und ist am Ende das, was im Militärsprech "Kollateralschaden" genannt wird: Ein Zivilist zur falschen Zeit am falschen Ort.

Ein Mann hält Fotos in der Hand © Niklas Schenck/NDR Foto: Niklas Schenck/NDR

Fotos zeigen die Gegend, wo der Angriff erfolgte.

Das US-Militär hat in der Gegend einen mutmaßlich hochrangigen Kämpfer der islamischen Terrorgruppe Al-Shabaab vermutet. Auch er wird bei dem Angriff getötet. Was genau dabei passiert ist, wissen nur diejenigen, die den Einsatz gelenkt haben. Teams des US-Militärs, die irgendwo in der Wüste von Nevada mit Joysticks in der Hand die Drohnen steuern. Vor riesigen Bildschirmen sitzend, auf denen die via Satellit übertragenen Echtzeitbilder der Drohnen-Kameras ankommen.

Entscheidende Logistik in Deutschland

Wo sich ein potentielles Angriffsziel aufhält, diese Informationen und die daraus folgenden Entscheidungen laufen über mehrere Stationen. Die Drohne startet vom Flughafen Dschibuti aus. Deutschland spielt bei diesem Einsatz ebenfalls eine wichtige Rolle. Das Afrika-Kommando der Vereinigten Staaten in Stuttgart und das "Air and Space Operations Center" im rheinland-pfälzischen Ramstein plant ihn entscheidend mit.

Virtueller Blick in das "Air and Space Operations Center"

Handeln deutsche Behörden völkerrechtswidrig?

Genau das aber müssten deutsche Behörden verhindern, schließlich handele es sich dabei um Straftaten, so der ehemalige Bundesrichter und Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic: "Die Tötung von Menschen außerhalb von Kriegsgebieten ist völkerrechtswidrig. Das würden nach unseren Begriffen jeweils Totschlags- und Mordstraftaten darstellen. Und deutsche Behörden, die als Daten zuliefern würden, würden sich mindestens einer Beihilfe dieser Taten schuldig machen."

Die Bundesregierung scheinen diese Umstände bislang nicht aus der Ruhe zu bringen. Gefragt nach der möglichen deutschen Hilfe beim US-amerikanischen Drohnen-Einsatz in Afrika betonte Merkel-Sprecher Steffen Seibert kürzlich: "Grundsätzlich ist die Haltung so, dass wenn im Rahmen dieses Rechercheprojektes neue Ansatzpunkte, neue Sachverhalte auftauchen, wird die Bundesregierung das ernstnehmen."

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 28.11.2013 | 21:45 Uhr