Syrische Flüchtlinge in Todesangst

von Simon Kremer, NDR Info
Syrische Flüchtlinge gehen auf einer Straße. Im Hintergrund ein Auffanglager in Jordanien. © dpa picture alliance Foto: Yann Foreix

Viele syrische Flüchtlinge wollen nicht in den Auffanglagern in der Tükei oder in Jordanien landen.

Der Strom der Flüchtlinge, die das Bürgerkriegsland Syrien verlassen wollen, reißt nicht ab. Doch die Flüchtlingslager in der Türkei und in Jordanien sind überfüllt. Immer mehr syrische Familien versuchen daher, über das Mittelmeer nach Griechenland und somit nach Europa zu fliehen. Dabei begeben sie sich in die Hand von dubiosen Schleusern.

An der Grenze zu Europa spielt sich ein neues, fast unbeachtetes Kapitel des syrischen Bürgerkrieges ab. Beispielsweise auf Lesbos. Ein kleiner Junge steht am Strand der griechischen Insel. Das gegenüberliegende Ufer des türkischen Festlandes ist von hier aus nicht zu sehen. Er erzählt vom Sturm, das Boot sei voll besetzt gewesen. Das Wasser sei hineingeschwappt. Sieben Stunden hat die Fahrt gedauert, sieben Stunden Todesangst.

Auf der Flucht ertrunken

Vor zwei Monaten sind vor der Küste im Mittelmeer 61 Syrer bei ihrer Flucht ertrunken. Auch Muhannad aus dem umkämpften Aleppo hat erfahren, wie gefährlich die Überfahrt ist. "Wie ich es geschafft habe, weiß ich nicht mehr. Der Motor war zwischendurch kaputt", erzählt er. "Irgendwie habe ich den Motor repariert und wieder zum Laufen gebracht."

Für viele ist Deutschland das Ziel

Viele syrische Flüchtlinge wollen zu Verwandten nach Deutschland. Bis vor wenigen Wochen kamen sie über den Landweg: über die Türkei, dann nach Griechenland und weiter. Aber auf Betreiben der EU hat Griechenland die Grenze stark befestigt. Der einzige Weg, der den Flüchtlingen geblieben ist: die gefährliche Schlepper-Route über das Mittelmeer. Jetzt sollen Patrouillenboote der Küstenwache verhindern, dass Flüchtlinge in Europa ankommen. Die Besatzung ist griechisch. Aber koordiniert und finanziert werden die Seepatrouillen von der europäischen Grenzschutz-Agentur Frontex.

Einer der Männer, die die Grenze überwachen, ist Antonios Sofiadelis von der griechischen Küstenwache. "Wir wissen, was in Syrien passiert. Es macht uns verlegen, wenn wir sehen, was die Menschen dort erleiden. Aber: Das hat keinen Einfluss auf unseren Job."

Friedrich unterstützt harte Linie

Die EU bleibt bei ihrer harten Linie. Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte im Frühjahr gefordert, angesichts des Flüchtlingsstroms die EU-Außengrenze abzuriegeln: "Jede Möglichkeit, die Grenze sicherer zu machen, muss man begrüßen." Diese Position ist auch in Friedrichs eigener Fraktion - der CDU/CSU - umstritten. "Es gibt in Deutschland etwa 50.000 Syrer", sagt CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz. "Ich weiß aus meiner Abgeordneten-Sprechstunde, dass etliche von denen den Wunsch haben, Familienangehörige, die in die Türkei oder nach Jordanien geflohen sind, nach Deutschland zu holen. Und diesen Wunsch sollten wir möglichst erfüllen."

Hilft der Onkel aus dem Rheinland?

Muhannad und 30 weitere Flüchtlinge haben es zumindest schon einmal bis nach Lesbos geschafft. Hier wartet er jetzt, dass ihm sein Onkel Ismat aus Troisdorf bei Bonn Geld schickt, damit er die nächsten Schleuser bezahlen kann. "Warum sollte man 8.000 oder 10.000 Euro für einen Schleuser bezahlen?", fragt Ismat. Mit diesem Geld könnte man viel besser eine Existenz in Deutschland aufbauen und sich eine kleine Wohnung nehmen.

Vor wenigen Wochen ist bereits die Nichte mit ihren beiden Töchtern illegal nach Deutschland gekommen. 13.000 Euro hat ihre Flucht aus Syrien gekostet.

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NDR Info 08.11.2012 | 21:45 Uhr