Stand: 24.05.11 12:45 Uhr

Nachruf Thomas Berndt

von Stephan Wels, Redaktionsleiter Panorama

Thomas Berndt starb am 14. Mai 2011 viel zu früh. Panorama-Redaktionsleiter Stephan Wels nimmt in einem persönlichen Nachruf stellvertretend für die Redaktion Abschied von einem herausragenden Autoren und einem der vertrautesten Kollegen.

Thomas Berndt, Panorama  Foto: Dirk Uhlenbrock

Thomas Berndt(†), Panorama

Er wollte keinen Abschied. Keine großen Szenen, kein Mitleid, das am Ende nur ihm Schmerzen bereitet hätte. Er hoffte und er wollte, dass alle mit hoffen. Oder genauer: Er wollte nicht verzweifeln und schon gar nicht die Verzweiflung anderer erleben. Er mied Gespräche über die Krankheit, er sprach über seinen Sohn Joshua, das Wochenende, die Freunde und den FC St. Pauli. Über die Sendung, die Filme und Recherchen. Erst wenige Tage vor seinem Tod bat er uns, ihn aus einem Projekt zu nehmen. Er schrieb, er wisse nicht, wann er wieder ganz stabil sei.

So eine Haltung kostet viel Kraft. Er hatte sie und in dieser Haltung am Ende seines Lebens war Thomas radikal. Radikaler, als ich es mir hätte vorstellen können. Thomas war immer jemand, der wusste was er wollte. Er verfolgte beharrlich seine Ziele, aber er war nie ein Eiferer. Er rang lange um eine Meinung und Haltung, um sie dann ebenso ausdauernd zu vertreten. Aber er merkte auch, wenn er sich geirrt hatte und besaß die Fähigkeit, dies einzugestehen.

Ich kannte ihn seit seinen Anfängen bei Panorama. Er kam frisch aus dem Volontariat, ein selbstbewusster Kerl, vor Kraft strotzend. Hart arbeiten, hart feiern, Grenzen schien es keine zu geben. Journalismus war Rock'n'Roll, mit Torsten Lapp, dem Kameramann, fuhr er nächtelang quer durch Deutschland, Enthüllungen, Dokumentationen, schließlich sogar Ausland. Viele Jahre lang ein Rausch. Er erbte mein Themengebiet, den Bereich Justiz und innere Sicherheit, er wurde festangestellt, er war angekommen.

Und er hatte, was nicht so viele von uns haben: ein Privatleben. Er war bereit, für Geschichten alles zu geben, aber wenn seine Freundin Geburtstag hatte, stand das Universum still. Völlig verzaubert war er, als sein Sohn Joshua auf die Welt kam. Auch da war er angekommen: als Familienvater. Im Job war er längst gereift. Die Leidenschaft, für die gute Sache bei Panorama zu Felde zu ziehen, hat er nie verloren.

Aber er hatte auch eine neue Reporterliebe entdeckt: Asien. Wann immer es möglich war, ging er als Vertretung nach Singapur und Tokio. Die Menschen dort faszinierten ihn, er berichtete klug und einfühlsam, der Weltspiegel wurde seine zweite journalistische Heimat und Korrespondent sein Lebenstraum. Als der Korrespondentenplatz in Tokio frei wurde, fragten wir ihn. Er rang mit seiner Frau, beide entschlossen sich.

Alle Weichen gestellt, alles zum Greifen nah, dann bat er mich eines Tages in sein Zimmer. Thomas hatte die Leidenschaft, die aus einem guten Journalisten einen herausragenden macht.  Er war mehr als nur mein Kollege, ich bin froh, ein Stück Weg mit ihm gegangen zu sein.

Thomas Berndt, 1965-2011
PositionVonBis
NDR-Volontariat   01.08.199401.02.1996
Freier Mitarbeiter  01.02.199631.12.1998
Festangestellter Redakteur Panorama  01.01.1999-
Herausragende Reportagen und Panorama-Beiträge:
Die braune Wahlschlacht18.08.1998
Nazis auf Stimmenfang09.09.1998
Jagd auf Kinderschänder06.05.2001
Die Todespiloten23.11.2001
Hass und Hetze an Deutschen Koranschulen02.10.2003
Die Kofferbomber13.12.2006
Wunderwaffe ohne Wirkung26.04.2007
Die Bluttat von Tessin05.07.2007