Stand: 12.03.24 11:45 Uhr

Zum Tod von Harald Mayer

von Tina Soliman
Schwarzweiß-Bild von Harald Mayer in seinem Rollstuhl. © NDR

Harald Mayer ist tot. Nun hat er es geschafft, wenn auch anders als gewollt. Er starb am Abend des 10. März.

Harald war direkt, lustig und extrem kämpferisch. Sein Ziel war es, sterben zu dürfen, wenn er irgendwann nicht mehr kann. Und er hatte Geduld, viel Geduld. Vom Hals abwärts gelähmt, kämpfte der an Multipler Sklerose Erkrankte bis zum Bundesverwaltungsgericht für die Freigabe eines bestimmten Medikaments, Natrium Pentobarbital, mit dem er selbstbestimmt aus dem Leben scheiden wollte. Er bekam das Mittel nicht. Jetzt braucht er es nicht mehr. 

Harald wurde niemals müde. Sein Engagement war grenzenlos, Panorama hat er oft Interviews gegeben. Seine Wut auf die Schikanen des Alltags, die er nicht hinnehmen wollte, war groß. Denn den kleinen Radius, den er noch hatte, wollte er unbedingt nutzen, etwa mit einem modernen Rollstuhl oder einem Roboterarm. Mit der eisernen Hand konnte er zwar bei den Konzerten, die er so liebte, nicht in die Hände klatschen, aber einen Schalter betätigen oder selbstständig essen konnte er damit schon. Er stritt hartnäckig um diese Hilfsmittel. Und er bekam sie. Aber es kostete ihn viel Lebenskraft. 

Doch meist wollte Harald mit uns gar nicht über den alltäglichen Kampf mit dem Medizinischen Dienst, der Krankenkasse und den Gerichten sprechen. Denn er stand ja für mehr als den Kampf und auch für mehr als seine Krankheit. Harald liebte Konzerte, gutes Essen, einen Drink, eine Zigarette, die wir ihm gerne hielten. Aber vor allem liebte er es zu fliegen. Alles was schwebte, seinen unbeweglichen Körper leicht werden ließ.

Wir begleiteten ihn nach Tirol zum Paragliden. Endlich wie jeder andere sein, schwebend, schwerelos, die Krankheit vergessend, sei dies der schönste Tag seines Lebens gewesen. Nie sei er so glücklich gewesen, sagte er zu meinem Kameramann Torsten Lapp und mir. Wir freuten uns für ihn, seine Begeisterung war ansteckend.

Fast sechs Jahre haben wir Harald für Panorama und für zwei Dokumentationen im Ersten filmisch begleitet. Harald ist uns über die vielen Jahre mit seinem Galgenhumor und seiner pfälzischen Art ans Herz gewachsen. Anfangs hatte er Angst, dass wir ihn wegen seines pfälzischen Dialekts nicht verstehen würden, doch schließlich verstanden wir uns extrem gut.

Auch wenn das Thema Sterbehilfe nicht gerade leicht ist, lachten wir bei diesen Dreharbeiten außergewöhnlich viel. Etwa, wenn sein digitaler Sprachassistent Alexa ihn aufforderte, doch selbst aufzustehen, um den Fernseher anzumachen und er seine digitale Helferin anblaffte: "Würd' ich ja, wenn ich könnte, du dumme Nuss!" Darauf wusste Alexa nichts zu entgegnen. 

Auch in längeren Drehpausen telefonierten wir regelmäßig, schrieben. Harald schrieb mit den Augen, dank einer speziellen Technik. Telefonieren wurde zuletzt beschwerlicher. Dennoch erzählte er mir noch vor einer Woche, mit immer dünner werdender Stimme, dass er Ostern an die Nordsee fahren würde, fragte, ob man sich nicht treffen wolle.

Harald hatte immer Pläne und er setzte sie auch um. Und auch wenn er für den assistierten Suizid mit dem Mittel seiner Wahl hartnäckig kämpfte, vergaß er dabei nie das Leben. Sein Leben war bis zum Schluss lebenswert. Er wurde 53 Jahre alt.