Stand: 02.02.17 10:00 Uhr

Donald Trump und US-Atombomben in Deutschland

von Robert Bongen, Johannes Jolmes & Volker Steinhoff

Die Welt schaut auf Trump - und im kleinen Ort Büchel in der Eifel schaut manch ein Einwohner sogar noch ein wenig mehr auf den neuen US-Präsidenten, mit Interesse und mit Sorge. Der Grund dafür liegt circa acht Meter tief in der Erde, in Bunkern auf dem benachbarten Fliegerhorst der Bundeswehr, streng bewacht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich dort die letzten amerikanischen Atomwaffen auf deutschem Boden befinden. Bis zu 20 Bomben vom Typ B61, die Sprengkraft größer als die der Bombe von Hiroshima. Im Ernstfall sollen deutsche Tornados die Bomben zum Ziel bringen. Genaueres ist nicht bekannt, von Seiten der Bundesregierung gibt es offiziell dazu keine Auskunft.

US-Atombomben in Deutschland und Donald Trump
Auf deutschem Boden sind US-Atomwaffen stationiert. Was bedeutet dies in Zeiten, in denen ein US-Präsident die NATO als auch schon mal als "obsolet" bezeichnet?

Sorge in der Eifel

Die Atomwaffen sind seit Jahren ein Politikum in der Region: Für die einen sind sie Garant für den Erhalt des Flugplatzes und damit von vielen Arbeitsplätzen in der südlichen Eifel, für die anderen sind sie ein großer Unsicherheitsfaktor. "Ein Herr Trump strahlt natürlich kein großes Vertrauen aus, dadurch wird die Unsicherheit größer", sagt eine Anwohnerin. Der Mann sei unberechenbar, sagt eine andere, "der erzeugt bei mir ein sehr mulmiges Gefühl." Und der örtliche Metzger ergänzt: "Wir sitzen hier in der Eifel auf einem Pulverfass, das ist eine sehr gefährliche Situation."

Was ist die NATO noch wert?

Donald Trump hat mit seiner Amtseinführung auch den berühmten Atomkoffer bekommen - und die Codes, mit denen er binnen Sekunden einen Atomschlag auslösen kann. Damit ist er auch Herr über die Waffen in Büchel, sogenannte "taktische Atombomben", die Teil des nuklearen Sicherheitsschirmes sind, den die Amerikaner über Europa gespannt haben.

US-Atombomben in Deutschland: Trumps unberechenbare Macht

Seit Donald Trump Präsident der USA ist, scheint die gegenseitige Abschreckungspolitik als Grundpfeiler der Sicherheitsarchitektur zu wanken.

Sicherheitsgarantien im Rahmen der NATO, die seit der Zeit des Kalten Krieges existieren, als sich zwei Blöcke gegenüberstanden, NATO und Warschauer Pakt. Sie folgen der Logik der gegenseitigen Abschreckung: Greift ihr mich mit einer Atombombe an, antworte ich ebenfalls damit. Ein zynisches Pokerspiel, das darauf beruht, dass der Gegner nicht zum Äußersten greift, weil die Konsequenzen verheerend wären. "Man droht im Grunde mit einem kalkulierten Selbstmord. Aber je sicherer man diesem Selbstmord droht, mit der Willigkeit zu sagen, es bleibt mir nichts anderes übrig, desto mehr schreckt man die andere Seite ab, genau das zu unternehmen, was man selber nicht möchte", erklärt Ulrich Kühn vom Carnegie Endowment for International Peace.

Sicherheitsarchitektur ist ins Wanken geraten

Doch diese Abschreckungspolitik als Grundpfeiler der Sicherheitsarchitektur scheint zu wanken: Denn diese beruht auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen - und darin sind sich viele Politiker und Experten einig: Kein Staat kann zurzeit sicher sein, ob Trump bedingungslos andere NATO-Verbündete verteidigen würde. Was hält der neue Präsident nun von der NATO? Steht er zu den Sicherheitsgarantien? Kein Tag vergeht ohne eine neue Volte aus den USA: Erst richtet Trump seinen Verbündeten aus, die NATO sei "obsolet", dann sieht er sie als Geschäft, ein paar Tage später betont er dann wieder deren Bedeutung.

Donald Trump

Sorge um Atomwaffenarsenal in Deutschland: Was plant Donald Trump?

"Im Grunde haben wir jetzt schon ein Problem mit der amerikanischen Abschreckungszusage, weil Trump eben nicht mehr daran interessiert ist, ein wertebasiertes System in Europa zu haben und dafür eben Europa auch zu verteidigen, sondern er hat nur noch Business-Interessen. Und Business-Interessen können sich verändern“, befürchtet Ulrich Kühn. Und Karl-Heinz Kamp, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, ergänzt: "Trump sagt zum Beispiel, er schrecke nur noch ab, wenn die Verbündeten das machen, was er wolle, also auch mehr Geld mehr zahlen. Er setzt Bedingungen. Abschreckung muss aber prinzipiell unbedingt sein.“

Braucht Deutschland eigene Atomwaffen?

Dabei ist ein klares Bekenntnis der US-Amerikaner wichtiger denn je, denn seit der Ukraine-Krise und der Annexion der Krim durch die Russen sind die Fronten zwischen NATO und Russland verhärtet wie seit Langem nicht. Nicht wenige Experten fordern in dieser Situation eine Debatte über die Frage: Was tun, wenn Trump den nuklearen Schutz aufkündigt? Wenn Trump die Atomwaffen aus Europa abzieht?

Dann wäre Deutschland atomwaffenfrei. Das würde sicherlich nicht nur in Büchel viele Abrüstungsfreunde freuen. Doch was ist mit der Sicherheit? Jahrzehntelang konnte Deutschland unter den US-Nuklearschirm schlüpfen und verzichtete vertraglich auf eigene Atomwaffen. Soll Europa nun einen eigenen Nuklearschirm aufbauen, unter Einbeziehung der Atomwaffen, über die Großbritannien und Frankreich verfügen? Über die europäische Option, sprich die Nutzung der bestehenden nuklearen Arsenale, wird in den Hinterzimmern in Berlin schon diskutiert. CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter, Obmann im Auswärtige Ausschuss des Bundestags und ehemaliger Generalstabsoffizier der Bundeswehr, wagte unlängst in einem vielbeachteten Interview einen Vorstoß und brachte eine gemeinsame europäische nukleare Abschreckungspolitik ins Spiel, sollten die Amerikaner die Sicherheitsgarantien in Frage stellen. Es dürfe keine Denkverbote geben, forderte er. Dass in Europa Zonen unterschiedlicher Sicherheit entstehen sei unbedingt zu verhindern.

Die offene Debatte scheut die Politik bisher weitgehend - auch über eine deutsche Atombombe. Die ist wohl technisch möglich, aber aufgrund vieler Verträge wie dem Atomwaffensperrvertrag momentan nicht erlaubt. Die Idee sei nicht komplett absurd, sagt Sicherheitsforscher Kühn. "Sollte sich in den nächsten Jahren die Sicherheitslage in Deutschland und Europa deutlich weiter negativ verändern, sprich Russland weiter den Frieden in Europa bedrohen und die Amerikaner sich gleichzeitig zurückziehen, dann möchte ich nicht ausschließen, dass man auch in Deutschland damit anfängt, darüber nachzudenken, wie man sich wirklich verteidigen muss." Es ist ein sensibles Thema - unpopulär und heikel - das angesichts des neuen Mannes im Weißen Haus leider schneller als gedacht aktuell werden könnte.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 02.02.2017 | 21:45 Uhr