Stand: 02.03.17 10:06 Uhr

Schily: "Wir müssen um die Demokratie kämpfen"

Ist Donald Trump eine Gefahr für die amerikanische Demokratie oder gar für die ganze Welt? Darüber sprachen wir mit Otto Schily (SPD), dem ehemaligen Bundesinnenminister.

Herr Schily, viele Medien stellen Trump als jemanden dar, der Chaos anrichtet, der unerfahren ist und politisch noch viel lernen muss. Schätzen wir die Gefahr groß genug ein?

Otto Schily: Der Mann ist jetzt Präsident der USA - einer der mächtigsten, wenn nicht sogar der mächtigsten Nation auf Erden. Er ist jemand, der über ein riesiges Nuklearwaffenpotenzial verfügt, das er jetzt nochmal vergrößern will. Aber die Vorstellung, dass dieser Mann, diese erratische Figur, jemand ist, der kaum weiß, was er morgen denkt und aufgrund welcher Information er agiert, ist beunruhigend. Man kann Albträume bekommen, dass er womöglich irgendeine merkwürdige Information bekommt und dann womöglich in die Nähe des roten Knopfes gerät.

Interview mit Otto Schily über Donald Trump
"Demokratie muss immer wieder neu erfunden werden", sagt der ehemalige Innenminister Otto Schily. Er glaubt, dass die demokratischen Institutionen Trump einhegen werden.

Wenn Trump sagt: Die Medien sind unsere Feinde, sie sind die Feinde unseres Volkes. Auch die Gerichte akzeptieren nicht, was ich für euch tun will - dann scheint das ja eine Strategie zu sein, um seinen Wählern zu signalisieren: Ich will für euch etwas Gutes, aber die Medien und Gerichte behindern mich in meiner Arbeit.

Schily: Ja, das ist ja eine sehr ätzende Polemik, die er da veranstaltet und die ist natürlich hochgefährlich. Denn damit gibt er seinen Anhängern zu verstehen, dass diese Institutionen unsere Feinde sind und die müssen wir abschaffen. Oder wir müssen sie so verändern, dass sie nur noch das machen, was wir wollen. Das ist eine gefährliche Entwicklung, zweifellos, aber ich glaube nicht, dass er auf Dauer Erfolg damit haben wird.

Inwieweit betreibt Trump eine Aushöhlung des Rechtsstaates?

Schily: Wenn ich die Gerichte nicht mehr anerkenne, dann funktioniert der Rechtsstaat nicht mehr. Ich versuche, gerade als Jurist, den Menschen zu vermitteln, dass die Stabilität einer Gesellschaft sehr entscheidend davon abhängt, dass sich die Menschen im Grundkonsens wiederfinden. Dazu gehört der Respekt vor den Institutionen. Die übergroße Mehrheit der Menschen führt ihr Leben so, dass es einigermaßen kompatibel ist mit dem, was unsere Institutionen hervorgebracht haben: Sie akzeptieren Gerichtsentscheidungen oder halten sich an Gesetze. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Ist das Vertrauen der Menschen in die Institutionen weg, entsteht ein Kampf alle gegen alle. Wenn so etwas entsteht sind wir in einem Endstadium angelangt.

Was macht es mit einer Demokratie, wenn der Präsident permanent gegen die Gewaltenteilung, gegen die Richter, gegen die Presse, gegen die Opposition wettert und damit die Grundfeste der Demokratie angreift und ins Lächerliche zieht?

Schily: Das ist für die Demokratie sicher ein Schaden und kann auch einen weitergehenden Schaden stiften. Allerdings sollte man nicht übersehen, dass Amerika auch seine Institutionen hat. Auch innerhalb des Senats und innerhalb des Kongresses gibt es natürlich Kräfte, die nicht alle so einfach beiseite zu schieben sind. Es ist ja auch bemerkenswert, dass Präsident Trump von einigen republikanischen Senatoren doch kräftige Kritik einzustecken hat. Ich glaube schon, dass es auf Dauer vielleicht doch gelingt, ihn einzuhegen. Ich kann das nicht prognostizieren. Es kann auch sein, dass Trump nach einer relativ kurzen Frist scheitert als Präsident. Es ist zu früh für eine Prognose.

Wir sind in den siebziger Jahren geboren und aufgewachsen mit dem Gefühl, dass die Demokratie selbstverständlich ist und dass das der beste Zustand für einen Staat ist. Doch seit zwei Jahren beschleicht einen ein mulmiges Gefühl und man frage sich: Ist die Demokratie wirklich das System, in dem alle leben wollen? Wenn ich nach Polen oder Ungarn und nun auch in die USA blicke, können Zweifel daran kommen.

Schily: Die Demokratie ist überhaupt nicht selbstverständlich. Es ist schön, dass Sie so eine Grundauffassung haben und dass Sie auch so erzogen sind. Das hängt ja auch damit zusammen, dass Sie sich da relativ wohl fühlen in so einer demokratischen Gesellschaft, denn die Freiheit hängt davon ab, dass wir solche Institutionen haben. Aber selbstverständlich ist eine Demokratie überhaupt nicht, sondern sie muss immer wieder neu erfunden und neu errungen werden. Demokratie lebt nur dann, wenn der Einzelne sich selber dafür engagiert und wenn er meint, ich bin Teil dieser Demokratie und ich setze mich dafür ein.

Das Interview führten Anja Reschke und Robert Bongen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 02.03.2017 | 21:45 Uhr