Stand: 22.09.16 17:00 Uhr

Massive Tierschutz-Probleme bei Bauern-Chefs

von Oda Lambrecht & Christian Baars

NDR und SZ haben allen verantwortlichen Verbandsvertretern Standbilder aus den Videos geschickt und um Stellungnahmen gebeten. Im Namen von Paul Hegemann erklärte eine Vertreterin des Schweineproduktionsverbandes ZDS zunächst, er könne die Fotos nicht seinem Betrieb zuordnen. Deshalb lehne er ein Interview ab.

Schweine seien tierärztlich behandelt worden

Auf weitere Rückfragen und den Verweis auf vorliegende GPS-Daten erklärte der ZDS: "Grundsätzlich bedauern wir das Entstehen solcher Bilder, die es in einer tierwohlgerechten Schweinehaltung zu vermeiden gilt." Ursache für die zu sehenden Verletzungen und Erkrankungen der Tiere seien Kannibalismus beziehungsweise ein Infektionsgeschehen. Die Schweine seien jedoch tierärztlich behandelt worden. Die erkennbaren Verschmutzungen würden "aus der Verfütterung von Nebenprodukten der Backwarenindustrie seit dem Frühjahr 2015" resultieren. 

Verletzte Tiere auf Hof von Bundestagsabgeordnetem

Auf den Aufnahmen, die vom Familienbetrieb von Johannes Röring in Vreden (NRW) stammen, stellten die beiden Tierschutz-Experten Diana Plange und Matthias Gauly ebenfalls schwerwiegende Probleme fest. Auch hier sind mehrere schwer verletzte Tiere zu sehen, die offensichtlich nicht ausreichend tierärztlich behandelt worden sind - unter anderem mit blutigen Wunden, einem eingerissenem Darm, Abszessen und Verletzungen an den Beinen. Ein Schwein kann sich anscheinend nur noch mühsam vorwärts robben. Von den Tierschutz-Aktivisten gemessene Ammoniak-Werte liegen mit mehr als 50 ppm ebenfalls deutlich über den zulässigen Höchstgrenzen.

Kadaver im Stall

Johannes Röring. © dpa

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Bauernpräsident in Westfalen-Lippe, Röring, bestreitet Probleme auf seinem Hof.

Außerdem zeigen die Bilder einen Tierkadaver, der von anderen Schweinen angefressen wird. Nach Einschätzung der Fachexperten lag das Tier dort bereits längere Zeit. Diana Plange kritisierte, dass der Halter anscheinend seine Schweine und die Ställe nicht ausreichend kontrolliert habe. Matthias Gauly sagte gegenüber NDR und SZ: "Zusammengefasst stellt das so die schlechteste Form der Schweinehaltung dar, die man sich vorstellen kann, mit einem hohen Potenzial an Tierleid und katastrophalen hygienischen Bedingungen."

Johannes Röring hatte zunächst zugesagt, sich nach einer Prüfung der Bilder in einem Interview zu äußern. Ein Termin dafür kam jedoch nicht zustande. Stattdessen schickte die Röring GbR ein Anwaltsschreiben. Darin heißt es, die Haltungsbedingungen im Stall seien zum Zeitpunkt der Bildaufnahmen "einwandfrei" gewesen.

Röring bestreitet Vorwürfe

Auf den Bildern sei "nichts zu sehen, was einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellen könnte". Der Kadaver sei "erst kurz vor der Aufnahme in das Abteil gelegt worden", um es dort zu fotografieren, heißt es in dem Schreiben. "Denn die anderen Schweine würden einen Kadaver, der dort abgelegt wird, sofort als Futter ansehen und damit beginnen, es aufzufressen." Entsprechende Bissverletzungen seien auf dem Bild jedoch nicht zu sehen. Die Tierschutz-Aktivisten von ARIWA bestreiten, den Kadaver dort hingelegt zu haben.

Brutales Erschlagen von Ferkeln

Weitere Aufnahmen der Organisation, die NDR und SZ vorliegen, stammen aus einer Ferkelzucht der Agrarprodukte Laskau GmbH in Thüringen. Einer der beiden Geschäftsführer des Unternehmens ist Helmut Gumpert, Präsident des Thüringer Landesbauernverbandes. Auf den Bilder einer versteckt angebrachten Kamera ist zu sehen, wie eine Tierbetreuerin neugeborene Ferkel auf den Betonboden schleudert, um sie töten.

"Das ist ein grober Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und sicherlich auch eine Straftat", sagte Fachtierärztin Diana Plange. Denn nach geltendem Gesetz müssen Tiere zunächst betäubt und anschließend durch Blutentzug getötet werden. Dies bestätigte auch das Thüringer Gesundheitsministerium in Erfurt.

Verdacht werde sehr ernst genommen

Die Agrarprodukte Laskau GmbH teilte auf Anfrage von NDR und SZ über einen Anwalt mit, dass es in dem Betrieb "strenge Vorgaben für die Nottötung von Ferkeln" gebe. Bislang seien der Geschäftsführung keine Verstöße dagegen bekannt geworden. Der Verdacht werde jedoch "sehr ernst" genommen. "Der Sache wird betriebsintern nachgegangen", so der Anwalt. Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass "Nottötungen weisungswidrig durchgeführt wurden", werde der Betrieb "arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen".

Putenerzeuger-Verbands-Chef räumt Probleme ein

Thomas Storck und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. © dpa

Thomas Storck - hier mit Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt - räumt Probleme ein, sagt aber, er sei selbst aktiv geworden.

Die Tierschutz-Aktivisten haben auch in einem Putenstall der Gut Jäglitz GmbH in Roddahn / Brandenburg gefilmt. Inhaber und Geschäftsführer ist der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Putenerzeuger (VDP) und Vize-Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), Thomas Storck. Die Bilder sind in der Zeit zwischen Juli und Dezember 2015 gedreht worden. Sie zeigen Tiere mit Erkrankungen und teils erheblichen Verletzungen. Laut Prof. Gauly ist hier zum Teil ein Kannibalismus in einem Ausmaß zu sehen, "der weit über das hinausgeht, was eigentlich üblich ist" und wo der Landwirt hätte deutlich früher eingreifen müssen.

Thomas Storck räumte auf Anfrage von NDR und SZ die Probleme ein. Er erklärte, dass es sich um "erschreckende",  "schlimme Bilder" handele. Er sei "in höchstem Maße betroffen und traurig".  Allerdings seien die Bilder "nicht repräsentativ für den Zustand der gesamten Herde". Außerdem sei er selbst im Herbst vergangenen Jahres auf die Probleme aufmerksam geworden. Die zuständigen Tierbetreuer habe er bereits Anfang 2016 entlassen. Mittlerweile würden die Anlagen wieder ordnungsgemäß geführt. Er stehe "aus Überzeugung für eine tiergerechte Putenhaltung", so Storck.

Tierschutz-Aktivisten wollen Debatte

Erasmus Müller von der Tierschutzorganisation "Animal Rights Watch" (ARIWA) erklärte gegenüber NDR und SZ, ihnen sei es wichtig, die Aufnahmen aus den Ställen führender Landwirtschaftsvertreter zu zeigen, weil diese Verbände Tierschützern immer wieder vorwerfen würden, Einzelfälle aufzubauschen und lediglich schwarze Schafe in die Öffentlichkeit zu zerren. Er wünscht sich eine Debatte darüber, ob die Gesellschaft wirklich wolle, dass Tiere so "bestialisch" leiden, so Müller.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 22.09.2016 | 21:45 Uhr