Stand: 16.02.16 21:45 Uhr

"Es ist viel Geld im Spiel"

von Robert Bongen

Herr Dr. Schneiderhan, warum ist das Gesundheitswesen anfällig für Absprachen, für Bestechung und für Korruption?

Wie in jedem Bereich, in dem jemand Aufträge vergibt, besteht die Gefahr, dass dieses unter Berücksichtigung der eigenen Vorteile geschieht - und weniger im Interesse desjenigen, für den er diese Aufträge vergeben sollte. Das ist ein immer wiederkehrendes Muster in Korruptionsverfahren. Das ist im Gesundheitswesen nicht anders als in allen anderen Geschäftsfeldern auch.

Was macht den Bereich der Krebstherapie besonders attraktiv für Bestechungszahlungen?

Peter Schneiderhan

Der Jurist Dr. Peter Schneiderhan hält das geplante Gesetz zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen für nicht ausreichend.

Es gibt einerseits sehr teure Behandlungen und sehr teure Medikamente. Das heißt, es ist viel Geld im Spiel. Und andererseits ist das Verhältnis zwischen Arzt und Apotheker enger, da die Rezepte aus medizinischen Gründen direkt vom Arzt an den Apotheker gegeben werden, ohne den Umweg über den Patienten. Also ohne Unsicherheitsfaktor, wenn man es aus der Sicht potenzieller Täter betrachtet. Das lädt zu Absprachen und Bestechungszahlungen ein.

Nun soll dies künftig verboten sein. Noch in diesem Frühjahr wird der Bundestag das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen verabschieden.

Korruption wird als ein ganz großes Problem angesehen, zu Recht. Und niedergelassene Ärzte sind bisher weder unter die Bestechlichkeit von Amtsträgern gefallen noch unterlagen sie als Nicht-Vertragspartner der Krankenkassen der Korruption im Geschäftsbereich. Insofern gibt es hier eine Regelungslücke, die geschlossen werden musste.

Jahrelang hat die Politik um dieses Gesetz gerungen. Ein Durchbruch?

Es ist eine notwendige gesetzliche Maßnahme, um eben in diesem Bereich auch Korruption mit strafrechtlichen Mitteln bekämpfen zu können. Insofern kann man von einem Durchbruch sprechen, ja.

Dr. Peter Schneiderhan

Der Jurist Dr. Peter Schneiderhan ist Mitglied des Präsidiums des Deutschen Richterbundes. Er ist als Oberstaatsanwalt in Stuttgart tätig und leitet dort seit 2009 eine Abteilung in der Schwerpunktabteilung für Wirtschaftskriminalität. Zuvor hatte er verschiedene andere Positionen in der Stuttgarter Justiz, zumeist im Bereich des Strafrechts, inne. Im Rechtsausschuss des Bundestags trug er die Stellungnahme des Richterbunds zum Entwurf des Antikorruptionsgesetzes im Gesundheitswesen vor.

Dennoch sind Sie nicht zufrieden mit dem Gesetz?

Von Seiten der Strafermittlung stört uns an dem Gesetz, dass uns die Möglichkeit der verdeckten Ermittlung fehlt, also die Telefonüberwachung und das Abhören des gesprochenen Wortes im öffentlichen Raum.

Was bedeutet das?

Ich kann das an einem parallelen Gesetzesvorhaben zum Sportwettbetrug erläutern. Dort sollen uns verdeckte Maßnahmen eröffnet werden. Das könnte dann folgermaßen aussehen: In einer Bar trifft sich ein Wettspieler mit einem Trainer. Es besteht der Verdacht, dass die beiden Absprachen über die Manipulation von Spielten treffen, um in größerem Umfang Wetten manipulieren zu können und damit Geld zu verdienen. Hier kann ich dieses Gespräch, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen, aufzeichnen. Das wäre natürlich ein ganz wesentliches Ermittlungsergebnis, wenn dann tatsächlich zum Beispiel über Zahlungswege gesprochen würde. Wenn sich in derselben Bar jedoch ein niedergelassener Arzt mit einem Pharmareferenten trifft, und es besteht der Verdacht, dass hier Absprachen getroffen werden, etwa darüber, dass Rezepte gegen Rückvergütungen eingelöst werden sollen, dann kann ich dieses Gespräch nicht abhören. Es ist unverständlich, warum hier der Gesetzgeber diese verdeckten Ermittlungsmaßnahmen nicht eröffnet. Im Bereich der gewerblichen Korruption sind sie möglich, im Bereich der Sportwettmanipulation sollen sie ebenfalls kommen. Bei der Gesundheitskorruption aber nicht.

Können Sie sich erklären, warum nicht?

Im Gesetzesentwurf gibt es keine Begründung, warum die Straftat nicht im Katalog des Paragrafen 100a der Strafprozessordnung, der uns eben diese Ermittlungsmöglichkeiten gibt, aufgenommen wird. Ich kann nur vermuten, dass zu Recht die Scheu besteht, Gespräche zwischen Arzt und Patienten abhören und aufnehmen zu lassen. Das rechtfertigt aber das vollständige Nichtaufnehmen dieser Maßnahmen nicht. Hier hätte man Möglichkeiten, dieses ganz, ganz enge Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient durch besondere Schutzmaßnahmen aus den Ermittlungsmaßnahmen herauszunehmen. Vielfach finden diese Gespräche ja nicht in diesem Arzt-Patienten-Verhältnis statt, sondern zwischen Arzt, Apothekern und Pharmavertretern. Diese Unterhaltungen bedürfen keines besonderen Schutzes.

Als Vertreter des Deutschen Richterbundes haben Sie im Rechtsausschuss des Bundestags auf diese Lücke hingewiesen.

Ich habe in der Anhörung darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit, verdeckte Maßnahmen durchführen zu können, in diesem Bereich notwendig ist.

Wie war die Reaktion?

Ich hätte erwartet, dass eine Diskussion beginnt, wie man das Arzt-Patienten-Verhältnis schützen kann, unter gleichzeitiger Eröffnung dieser Ermittlungsmöglichkeiten für die Strafverfolgungsbehörden. Dies fand nicht statt. Mein Petitum wurde übergangen. Es gab keine Reaktion.

Das heißt, die Täter können sich jetzt - zugespitzt gesagt – darauf einrichten, dass die Ermittler das, was sie da absprechen, nur schwer aufdecken können?

Entscheidend ist die Unrechtsvereinbarung, die wir nachweisen müssen. Die Beziehung der einen Leistung auf die andere. Dies wird nie schriftlich fixiert. Wir können daher nur hoffen, über Indizien einen Tatnachweis zu führen, zum Beispiel, wenn auf einmal Arzneimittel nur über eine Apotheke bezogen werden und Gelder fließen. Optimal wäre es natürlich, wenn die mündliche Absprache, die getroffen wird, dokumentiert werden könnte. Dazu bräuchte man aber eben auch die verdeckte Ermittlung. Die Täter, die ganz gezielt in die Kriminalität gehen, werden wissen, dass wir diese Ermittlungsmöglichkeiten nicht haben und ja, sie können sich dementsprechend einrichten.

Wie stark blutet da das Herz eines Staatsanwaltes?

Wir haben als Strafverfolger nur die Möglichkeiten, die uns der Gesetzgeber an die Hand gibt. Sofern diese der Straftat nicht angemessen sind, blutet einem schon das Herz. Im vorliegenden Fall insofern besonders stark, als eben die Inkonsequenz da ist: Bei der Korruption im Geschäftsbereich dürfen wir mit diesen Ermittlungsmöglichkeiten arbeiten, im Bereich der Korruption im Gesundheitswesen nicht. Ich kann hier keinen Unterschied erkennen, warum wir das in einem Bereich dürfen und im anderen Bereich nicht.

Der Zug scheint abgefahren, das Gesetz wird wohl erstmal so kommen. Glauben Sie, dass es irgendwann nochmal überarbeit wird?

Wir hoffen es, dass die Praxis zeigen wird, dass wir diese verdeckten Ermittlungsmaßnahmen brauchen. Und dass es keinen Grund gibt, warum uns diese im Bereich der Korruption im Gesundheitswesen nicht eröffnet werden.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 18.02.2016 | 21:45 Uhr