Stand: 28.04.16 15:37 Uhr

Ausbeutung in Afrika: Welche Verantwortung hat BASF?

von Stefan Buchen

"Mit wem wollen wir eigentlich Geschäfte machen? Es gibt Lieferanten, bei denen wir uns Gedanken machen müssen: wie sind eigentlich die Standards? Wie sieht es mit Arbeitsnormen und Menschenrechten aus?", sagte der Vorstandsvorsitzende des Chemiekonzerns BASF auf der Bilanzpressekonferenz vor zwei Monaten in Ludwigshafen. Mit diesen nachdenklich klingenden Worten antwortete der BASF-Chef auf eine Frage von Panorama nach den Geschäftsbeziehungen zum südafrikanisch-britischen Bergbauunternehmen Lonmin. BASF kauft von Lonmin große Mengen des Edelmetalls Platin. An der Mine, die Lonmin in Südafrika betreibt, kam es vor fast vier Jahren zu einem Blutbad.

Ausbeutung in Afrika: Welche Verantwortung hat BASF?
Der deutsche Chemiekonzern BASF bezieht Platin aus Südafrika. Dort steht es auch nach dem Ende der Apartheid alles andere als gut um die Menschenrechte der Arbeiter.

"Massaker von Marikana"

Ein Foto auf einem Handy © NDR

34 Minenarbeiter der Bergbaufirma Lonmin erschoss die südafrikanische Polizei 2012 beim "Massaker von Marikana".

Es war wie die Wiederkehr der dunkelsten Tage der Apartheid. Am Nachmittag des 16. August 2012 lagen 34 Leichen von Minenarbeitern auf dem Savannenboden neben dem Firmengelände der Bergbaufirma Lonmin. Die streikenden Arbeiter wurden von der südafrikanischen Polizei erschossen. Die Männer, deren Job darin besteht, das Edelmetall Platin aus dem Fels 1.000 Meter unter der Erde zu sprengen, hatten die Arbeit niedergelegt und höhere Löhne gefordert. Insgesamt fühlten sie sich vom Arbeitgeber schlecht behandelt. Dieser hatte ihnen feste Wohnungen versprochen. Stattdessen lebten sie immer noch in Blechhütten ohne Strom und Wasser, verstreut über den “Platingürtel”, wie die Savanne nordwestlich von Johannesburg heißt.

“Niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen, miserable Unterkünfte, keine Ausbildung für die Kinder - der Bergbausektor in Südafrika funktioniert wie in der Apartheid", sagt Anwalt Dumisa Ntsebeza, ein Weggefährte Nelson Mandelas. Im August 2012 rief der Arbeitgeber Lonmin die Polizei zu Hilfe gegen die Streikenden. Die Polizisten beendeten den Streik schließlich mit Gewalt. In einem 2015 veröffentlichten  Untersuchungsbericht der südafrikanischen Regierung heißt es, der Gebrauch der Schusswaffe durch die Polizisten sei "unrechtmäßig" gewesen. Der investigative südafrikanische Journalist Greg Marinovich bringt es in einem gerade erschienen Buch auf den Punkt: es war Mord. Als "Massaker von Marikana" ist er in die Geschichte eingegangen. “Marikana” heißt dieser Abschnitt des Platingürtels.

Platin aus der Mine in deutschen Fahrzeugkatalysatoren

Was hat diese Geschichte mit uns zu tun?, könnte man fragen. Die Antwort ist: sehr viel. Fast jeder Autofahrer schleppt ein paar Gramm "Metall der Platingruppe" aus Südafrika mit sich herum. Das Edelmetall ist das Schlüsselement in Fahrzeugkatalysatoren. Platin hat die “katalytischen” Eigenschaften, durch die etwa der giftige Schadstoff Kohlenmonoxid in das weniger schädliche Kohlendioxid umgewandelt wird. Hauptkunde der Platinminen in Marikana ist der deutsche Chemiekonzern BASF, weltgrößter Hersteller von Fahrzeugkatalysatoren. Der Bereich macht fast zehn Prozent des Konzernumsatzes von zuletzt 70,5 Milliarden Euro aus.

Ausbeutung in Afrika: welche Verantwortung hat BASF? © NDR

Die Arbeiter von Lonmin leben nach wie vor in Slums - ohne Wasser und Strom.

Die Wertschöpfungskette von BASF beginnt also in Marikana, 1.000 Meter unter der Savanne. Dort holen die Kumpel nach wie vor in Schwerstarbeit, bei schlechter Luft, ohrenbetäubendem Lärm und hohen Temperaturen das Edelmetall aus den niedrigen Stollen, in denen man oft nicht aufrecht stehen kann. Brutto verdienen sie umgerechnet rund 400 bis 650 Euro. Sie leben immer noch in Slumhütten ohne Strom, fließendes Wasser und Toiletten, wie Panorama bei einem Besuch vor Ort festgestellt hat. Viele Kumpel stammen aus noch ärmeren Gegenden Südafrikas oder der umliegenden Staaten, Wanderarbeiter also. Wenn sie krank werden, was häufig passiert, bekommen sie eine lächerliche Abfindung von nicht einmal 10.000 Euro und können wieder nach Hause gehen.

BASF will Lonmin-Management "coachen"

BASF muss sich dem Thema stellen. “Wir sehen es als unsere Pflicht an, denen zu helfen, besser zu werden,” sagt Vorstandsvorsitzender Kurt Bock mit Blick auf seinen Zulieferer Lonmin. Sein Verantwortlicher für “Soziale Unternehmensverantwortung” (Corporate Social Responsibility) Thorsten Pinkepank erläutert im Beraterdeutsch, BASF werde dem Zulieferer Lonmin empfehlen, einen “Pre-Grievance-Mechanism” (Vorab-Beschwerde-Mechanismus) einzurichten. Außerdem werde man das Management von Lonmin “coachen”, und man werde die BASF-Werksfeuerwehr nach Marikana schicken, um den Brandschutz in den Lonmin-Anlagen zu verbessern.

"Menschenrechte" und "Arbeitsbedingungen" - alles in Ordnung?

BASF-Chef Kurt Bock © NDR

Menschenrechte und Arbeitsbedingungen? Alles in Ordnung bei Lonmin. Und eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung sei auch für die Arbeiter besser, so BASF-Chef Kurt Bock.

Im vergangenen November ließ BASF die Bergwerke von Marikana von einer Evaluierungsfirma untersuchen, “Audit” heißt das neudeutsch. Dabei wurde “Verbesserungspotential” unter anderem beim “Brandschutz” festgestellt. Bei den Themen “Menschenrechte” und “Arbeitsbedingungen” sei aber laut BASF alles in Ordnung. Folgerichtig hat BASF den Ende 2015 ausgelaufenen Liefervertrag mit Lonmin verlängert. Eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung sei auch für die Arbeiter besser, sagt BASF-Chef Kurt Bock. Am 29. April, also diesen Freitag, muss der Konzernlenker den Shareholdern auf der Aktionärsversammlung erläutern, welche Konsequenzen er aus den Ereignissen rund um die Platinmine ziehen will und wie die Beziehung zu dem wichtigen Rohstoffzulieferer künftig gestaltet werden soll.

Wie werden die Ressourcen verteilt?

1961 schrieb der heute vergessene Antikolonialist Frantz Fanon in “Die Verdammten dieser Erde”, dass die Zukunft der Menschheit von der Art und Weise abhänge, wie die Reichtümer und Ressourcen global verteilt werden. Fanon befürchtete, dass die Führungsschicht der unabhängig gewordenen Staaten Afrikas einen ungeschriebenen Pakt mit den ehemaligen Kolonialmächten des Nordens eingehen werde, um die Reichtümer des Kontinents gemeinsam auszubeuten. Diese Vision trifft auf kein Land besser zu als auf Südafrika nach dem Ende der Apartheid. Nirgendwo auf der Welt ist der Unterschied zwischen Arm und Reich so groß wie dort.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 28.04.2016 | 21:45 Uhr