Stand: 16.09.15 14:47 Uhr

Bauernkrieg: Wer Mindestlohn zahlt, verliert

von Johannes Edelhoff

Gnadenlos schiebt sich der schwere Häcksler über das Zucchinifeld und vernichtet die gesamte Ernte. Bauer Pierre Maurer aus dem Elsass schaut zu, denn die Aktion ist von ihm gewollt. Für ihn lohne sich die Ernte seines Gemüses nicht mehr. "Es zu zerstören ist billiger, als wenn ich es ernte. Es ist traurig, denn ich bin Landwirt und ich will ja die Ware nicht kaputt machen, aber der Markt ist kaputt", sagt Maurer und schaut weiter zu, wie der Häcksler Zucchini für Zucchini in kleine Stücke zerhackt. Zerstört nach seiner Überzeugung durch die deutsche Billigkonkurrenz.

Bauernkrieg: Wer Mindestlohn zahlt, verliert
Salat für 59 Cent, Kohlrabi für 29 Cent - wie ist das möglich, trotz Mindestlohn? Panorama hat mit Erntehelfern gesprochen und erfahren, wie dieser umgangen wird.

Pierre Maurer glaubt, deutsche Bauern seien Schuld daran, dass der Markt am Boden ist. Seit Jahren würden diese Erntehelfer ausbeuten, Dumpinglöhne zahlen und so Gemüse extrem günstig anbieten können. Eigentlich müsste mit den Billiglöhnen in Deutschland Schluss sein, denn seit diesem Jahr gilt ein spezieller Mindestlohn von 7,40 Euro. Das Gemüse im Supermarkt müsste also eigentlich teurer sein. Ist es aber nicht: Salat gibt es bereits für 59 Cent und der Kohlrabi wird für 29 Cent angeboten.

Bezahlung pro Stunde - oder pro Kiste

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV).

Der Bauernverband sieht keinen Handlungsbedarf: "Wir haben in Deutschland eine Vielzahl von Gesetzen, die sind einzuhalten", so der Präsident Joachim Rukwied.

Der Discounter Aldi gibt auf Nachfrage an, die niedrigen Preise lägen an den "schlanken Strukturen". Doch ist das tatsächlich der einzige Grund oder wird der Mindestlohn umgangen? Auf Nachfrage sagt der Bauernverband, es gebe in Deutschland eine klare gesetzliche Regelung, die besagt, dass der Mindestlohn zu zahlen sei, dies würde auch geprüft und kontrolliert.

Mindestlohn ja, aber Gemüse bleibt so günstig wie immer? Wie geht das? Panorama-Reporter haben mit Erntehelfern gesprochen. Diese berichten, dass sie nicht pro Stunde, sondern pro Kiste bezahlt werden. Pro Kiste bekämen sie etwa 2 Euro. In zehn Stunden schafft ein Anfänger etwa 30 Kisten - das macht 60 Euro, also einen Stundenlohn von etwa 6 Euro. Das wäre also unter dem Mindestlohn. Eine Erntehelferin berichtet, dass sie oftmals nur 20 Kisten schaffe. Das wären sogar nur 3 bis 5 Euro die Stunde.

Discounter weisen Verantwortung zurück

Verantwortlich für die befragten Erntehelfer ist ein Lieferant des Discounters Lidl. Er bestreitet die Vorwürfe und sagt, die Entlohnung bei Bundzwiebeln sei nicht immer gleich. Je nach Ausgangsqualität des Zwiebelbestandes würden die Auszahlungspreise variieren. Der Mindestlohn würde aber immer gezahlt, so der Gemüselieferant. Durch die leistungsabhängigen Bezahlungen hätten Mitarbeiter die Chance, mehr zu verdienen. Und Lidl selbst entgegnet auf Anfrage von Panorama: "Lidl lehnt jegliche Form von Arbeitsrechtsverletzungen ab. Jeder Partner von Lidl muss vertraglich versichern, dass er diese Grundsätze umsetzt."

Das gleiche Bild bei einem Aldi-Lieferanten: Auch hier sprechen Panorama-Reporter mit Erntehelfern. Nach deren Lohnabrechnungen liegt der Stundenlohn bei etwa 3 bis 4 Euro, in zwei Monaten habe ein Erntehelfer rund 1.100 Euro verdient. Aldi schreibt auf Nachfrage, gerechte Arbeitsbedingungen seien ein wichtiges Anliegen. "Aber Lieferanten sind für die Einhaltung des Mindestlohns selbst verantwortlich."

Ist der Ehrliche der Dumme?

Rudi Behr aus Seevetal

Rudi Behr aus Seevetal zahlt seinen Erntehelfern den Mindestlohn. Doch so macht er Verluste, denn die Gemüsepreise sind zu niedrig.

Es gibt aber auch ehrliche Bauern, wie Rudi Behr aus Seevetal in Niedersachsen. Er zahlt den Mindestlohn. Doch die Gemüsepreise sind so niedrig, dass er bei vielen Kulturen, beispielsweise Radieschen, Verluste macht. Hunderttausende Euro hat Bauer Behr bereits verloren, weil sich der Anbau vieler Sorten nicht mehr lohnt. Es sei ein Konkurrenzkampf, bei dem der Ehrliche der Dumme sei und verliere, sagt Bauer Behr.

Für den Bauernverband scheint das kein Thema zu sein. Auf Nachfrage gibt es die immer gleiche Antwort: "Nochmals, wir haben in Deutschland, und nicht nur für die Landwirtschaft, eine Vielzahl von Gesetzen. Die sind einzuhalten", so Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Doch der Mindestlohn wird eben nicht überall eingehalten. Man lässt die Bauern offenbar gewähren und am Ende gewinnt anscheinend der, der am meisten betrügt.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 17.09.2015 | 21:45 Uhr