Stand: 26.07.12 08:00 Uhr

Dauerbereitschaft: Arbeit auf Abruf

von Ben Bolz, Jasmin Yang-Hi Klofta, Simon Kremer

Er musste quasi immer zur Verfügung stehen, wenn sein Chef ihn angerufen hat: Michael arbeitete mit einem 100-Stunden-Vertrag pro Monat für eine Zeitarbeitsfirma in Cuxhaven, Schiffe be- und entladen war sein Job. Nur: wann er arbeiten musste, erfuhr er immer erst sehr kurzfristig. Lediglich ein paar Stunden vorher rief sein Chef ihn an, und wie lange die Schichten dann waren, wusste Michael auch nicht.

Dauerbereitschaft: Arbeit auf Abruf
Prekäre Arbeitsverhältnisse und sozial unzumutbare Dauerbereitschaft: Arbeitnehmer werden dauerhaft ausgebeutet.

Ein planbares Privatleben gab es nicht mehr, Michael hatte zu funktionieren - je nachdem, wie die Auftragslage war. Nachdem er ein paar Mal aufmuckte, wurde er mit  Ablauf der Probezeit rausgeschmissen.

Grundsätzlich erlaubt

Seit 2001 ist eine solche "Arbeit auf Abruf" im Teilzeit - und Befristungsgesetz geregelt. Doch das Gesetz ist so schwammig formuliert, dass es den Unternehmern viele Spielräume lässt, es gnadenlos auszunutzen und so das unternehmerische Risiko auf die Arbeitnehmer zu übertragen. Deshalb finden sich in vielen Branchen die abstrusesten Formen der "Arbeit auf Abruf" - sei es im Einzelhandel, in der Sicherheitsbranche, im Hotelgewerbe oder im Dienstleistungsgewerbe. Besonders beliebt: Den Angestellten wird eine niedrige Stundenzahl vertraglich garantiert. Alles, was darüber liegt, arbeiten sie "auf Abruf".

Das Bundesarbeitsgericht hat zwar im Jahr 2005 entschieden, dass nur maximal 25 Prozent der vertraglich vereinbarten Mindestarbeitszeit "auf Abruf" sein dürfen, doch Eingang in das Gesetz hat die Entscheidung bisher nicht gefunden. Wohl auch deswegen halten sich viele Unternehmen nicht daran.

Zwischen zwei und 40 Stunden

Im Arbeitsvertrag einer ehemaligen Mitarbeiterin der Kaufhauskette "Breuninger" fand sich beispielsweise eine wöchentliche garantierte Arbeitszeit von zwei Stunden -  nicht ohne den Nachsatz, dass die "betriebliche wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden beträgt". Dazwischen pendelte dann auch ihre Arbeitszeit - und entsprechend ihr Lohn. Wie viel die alleinerziehende Mutter am Ende des Monats in der Tasche haben würde, wusste sie nie - aber bereit halten musste sie sich immer.

Breuninger betont gegenüber Panorama, dass solche Verträge seit Mai nicht mehr herausgegeben werden. Und was macht die Politik? Sie beklagt die Zustände und schaut dennoch tatenlos zu.

Panorama über Arbeit auf Abruf - eine moderne Form der Sklaverei.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 26.07.2012 | 21:45 Uhr