Nazi-Schulungen für Kinder - Bundesregierung schaut tatenlos zu

Schulungen im Sommerlager der neonazistischen HDJ.

Einschlägig bekannte Neonazis schulen Kinder und Jugendliche. Laut der Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke stehen Fächer wie Menschenführung, Rhetorik und Lagersicherheit im HDJ-Lehrplan ganz oben auf der Agenda.

Sie lassen Kinder aufmarschieren und fürs Vaterland strammstehen. Sie fanatisieren 7-Jährige und schulen sie in "Heimattreue" und Hass gegen die Demokratie. Sie drillen Jugendliche und bilden sie zum Kampf aus. Die "Heimattreue Deutsche Jugend" ist die wichtigste Nachwuchsorganisation der Neonazis – und der Staat lässt sie gewähren. Ein Verbotsverfahren ist offenbar in weiter Ferne. Dabei weisen Experten schon lange darauf hin, dass viele Gründe für ein hartes Durchgreifen vorliegen. Doch das Innenministerium lässt die rechtsextreme Truppe weiter Kinder ausbilden, viele Justizbehörden geben sich machtlos. Kein Wunder, dass das Auftreten der HDJ offensiver und dreister wird.

Der SPD-Innenexperte Niels Annen hat gegenüber Panorama ein Verbot der neonazistischen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) gefordert. Annen sagte, es dürfe keine falsche Toleranz geben. Zu den Gründen, warum das Bundesinnenministerium noch nicht gegen die HDJ vorgegangen sei, sagte er, es gebe möglicherweise "so etwas wie ein Trauma nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren". Daher könne man nicht ausschließen, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble "eine weitere Debatte  vermeiden möchte".

Dies könne aber kein Grund sein, über die "Gesetzesverstöße der HDJ" hinwegzusehen sowie zu ignorieren, dass "von dieser Organisation eine wirkliche Gefährdung für unsere Demokratie ausgeht". Bei der HDJ "werden Kinder mit den Grundgedanken des Nationalsozialismus erzogen", betonte Annen. Die HDJ gilt in Expertenkreisen als die wichtigste Nachwuchsorganisation der Neonazi-Szene.

Das Bundesinnenministerium wollte sich gegenüber Panorama nicht zu einem möglichen Verbotsverfahren äußern.

"Zugriff auf die Seele der Kinder"

Die HDJ rüstet nach Recherchen von Panorama unterdessen offenbar auf. So liegen dem Magazin Bilder von einem paramilitärischen Lager vor, dass die HDJ offenbar mitorganisiert hat. Der Rechtswissenschaftler Günther Frankenberg warnt daher eindringlich vor der Organisation. Er hält die HDJ für „besonders gefährlich, weil sie zugreift auf die Seele von Kindern und Jugendlichen“. Kinder würden "in Lager paramilitärisch ausgebildet und zu aggressiven Kämpfern" gemacht. Die Neonazis seien sich "ihrer Sache so sicher", weil nichts geschehe, sagte Frankenberg weiter. So werde ein Uniform-Verbot von der Organisation einfach ignoriert.

Die HDJ beschreibt sich selbst als "die aktive volks- und heimattreue Jugendbewegung für alle deutschen Mädel und Jungen von 7 bis 25 Jahren". Die regionalen Schwerpunkte der HDJ erstrecken sich auf den nord- sowie nordostdeutschen Raum, so die Bundesregierung im Juli 2007 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage. Tatsächlich fand erst am vergangenen Wochenende ein Treffen der HDJ bei Neubrandenburg statt. Außerdem gab es nach Recherchen von Panorama mindestens zwei weitere Treffen, von dem eins auch im süddeutschen Raum stattfand. Zudem trugen HDJ-Aktivisten vom Bundesinnenministerium verbotene Uniformen.

"Wiking Jugend" 1994 verboten

Die HDJ gilt bei vielen Experten als eine Nachfolgeorganisation der "Wiking Jugend". Diese war im Jahr 1994 "wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit der NSDAP und der Hitler-Jugend" verboten worden. Damit wurde es auch untersagt, Ersatzorganisationen zu bilden.

Panorama über "soldatische Erziehung" für Kinder und Politiker, die das Treiben der Neonazis nicht stoppen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 27.03.2008 | 21:45 Uhr