Ausgeraubt und beschimpft - Verwandte des ermordeten Amadeu Antonio erstmals in Deutschland

von Bericht: Thomas Berndt, Antonio Cascais

Es ist fast elf Jahre her, da wurde im gerade wiedervereinigten Deutschland ein Angolaner umgebracht. Neun Wochen nach dem Ende der DDR starb Amadeu Antonio in Eberswalde, gejagt und ermordet von Rechtsradikalen. Er war das erste bekannt gewordene Opfer des Fremdenhasses in Deutschland. Vor einem halben Jahr berichtete "Panorama" über seine Familie, die zum Teil in Deutschland und zum Teil in Angola lebt. Von unseren Zuschauern wurde daraufhin Geld gespendet, damit die Mutter des Ermordeten zum ersten Mal für ein paar Tage nach Deutschland kommen konnte, an den Ort, an dem ihr Sohn ermordet wurde. Er war zuvor im Sarg zurück nach Angola geliefert worden, ohne Erklärung ohne Entschuldigung.

Ausgeraubt und beschimpft - Amadeu Antonios Verwandte
Nach einem Panorama-Beitrag konnten die Mutter und ein Bruder durch Spenden den Todesort von Amadeu Antonio besuchen.

Flughafen Berlin-Tegel. Manuel Antonio und Helena Afonso kommen aus Angola, nach Deutschland, dem Land, in dem ihr Sohn und sein Bruder ermordet wurde. Eine Reise, die sie sich seit über zehn Jahren gewünscht haben, um mit ihrer Trauer besser fertig zu werden. Die erste Begegnung mit dem kleinen Amadeu. Er ist der Sohn der ehemaligen Lebensgefährtin des Ermordeten.

Amadeu Antonio - 1990 war er in Eberswalde von fünfzig Nazis totgetreten worden. In Angola, bei den Verwandten, kam nur seine Leiche an - keine Entschuldigung, keine Erklärung, keine Entschädigung.

Nach zehn Jahren der erste Besuch in Eberswalde. Die Stelle, an der ihr Sohn sterben musste.

Die Mutter des Ermordeten, Helena Afonso, ist kann Ihren Schmerz nicht verbergen: "Amadeu, mein Sohn, warum musstest du sterben. Hier an diesem Ort hat man mir das Wichtigste genommen, was ich im Leben hatte, dich, Amadeu. Und wir, wir stehen alleine da mit unserem Schmerz."

Eine Gedenkstätte in Deutschland hatten sie sich anders vorgestellt. Enttäuschend: nur eine Tafel an einem Mauerpfosten. Die Blumen müssen sie auf den Bürgersteig legen.

Termin im Rathaus von Eberswalde, der Stadt, die den Tod von Amadeu Antonio lange verdrängt hat. Der Bürgermeister hat eingeladen, doch dann die nächste Enttäuschung: Er lässt sich entschuldigen. Statt dessen ein Kaffeekränzchen mit der Pressesprecherin. Und keine Erklärung, warum sich die Stadt nie in Angola gemeldet hat.

Auf die Frage, ob die Stadt Eberswalde nicht selbst diese Menschen hätte einladen können, reagiert die Pressesprecherin der Stadt Eberswalde, Angelika Röder, etwas verunsichert: "Wissen Sie, das ist eine Frage des Könnens, können kann man alles. Aber man hätte vielleicht schon eher etwas Kontakt oder mehr Kontakt aufnehmen können. Aber, ja, das sehen wir jetzt, dass man vielleicht daraus ein bisschen Schlussfolgerungen ziehen kann."

Manuel Antonio, der Bruder des ermordeten Angolaners ist seht traurig: "Ich habe auf eine richtige Entschuldigung gehofft, und nach zehn Jahren habe ich immer noch keine bekommen. Wir sind abgefertigt worden. Man hat uns am Ende 300 Mark gegeben, so nach dem Motto: Hier, kauft euch was zu essen."

Termin in der Rechtsmedizin. Auf Anordnung des Amtsgerichts Eberswalde werden hier Blutproben genommen, von den Angolanern und dem kleinen Amadeu. Nach zehn Jahren soll damit für den Jungen endlich Gewissheit herrschen, ob der erschlagene Amadeu Antonio wirklich sein leiblicher Vater ist. Seine Opferentschädigungsrente von 190 Mark steht auf dem Spiel. Der Junge bekommt sie bislang nur unter Vorbehalt.

Sie wollen die Rente für den Jungen sichern. Für sie selbst sind alle Ansprüche auf Entschädigung längst verjährt. Ein paar Tausend Mark - Spenden von verschiedenen Organisationen, mehr bekommen sie in Deutschland nicht. Und ein Großteil dieses Geldes wird ihnen wenig später hier, am Berliner Bahnhof Friedrichstraße, auch noch geraubt - von Taschendieben.

Der nächste Schock, zwei Tage vor der Abreise: Möglicherweise ist der kleine Amadeu doch nicht ihr leiblicher Enkel. So erste Ergebnisse der Rechtsmedizin. In drei Wochen wird das Gericht seine Entscheidung verkünden, heißt es.

Doch Helena Afonso kann warten: "Der Jung hat seinen Platz in meinem Herzen. Ich werde mich immer um ihn kümmern, egal, welches Ergebnis kommt. Ich habe ihn liebgewonnen, wie meinen eigenen Sohn."

Kurz vor der Rückreise nach Angola, Helena Afonso will ein zweites Mal Blumen niederlegen am Gedenkstein. Die Sprecherin der Stadt will unbedingt dabei sein - als Zeichen des guten Willens. Doch es ist ein Abschied für immer. Helena Afonso wird nicht wiederkommen nach Eberswalde, der Stadt, in der ihr Sohn ermordet wurde.

Weiterführende Informationen zum Thema:

Amadeu Antonio Stiftung

Linienstr. 139

10115 Berlin

Tel.: 030 - 240 886 - 10

Fax: 030 - 240 886 - 22

E-Mail: info@Amadeu-Antonio-Stiftung.de

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 07.06.2001 | 21:00 Uhr