Lügen, tricksen , täuschen - Die verlogene Ehre des Walther Leissler Kiep

von Bericht: Christoph Maria Fröhder, Hans Leyendecker, Stephan Wels

Es könnte eine Szene aus dem Denver Clan sein. Der Hauptdarsteller hat silbergraues Haar, trägt feine Maßanzüge, ist reich und fährt immer die neuesten Autos. Er ist der Saubermann, die Vertrauensperson. Aber bei einigen seiner Mitspieler ist er nicht besonders beliebt. Da gilt er als arrogant, abgehoben, aalglatt.

Die verlogenen Ehre des Walther Leisler Kiep
Ein Bericht von 2001 über den ehemaligen CDU-Schatzmeister, der scheinbar bei den CDU-Spendenprozessen hartnäckig log.

Es könnte der Denver Clan sein - aber es ist die CDU und der Hauptdarsteller ihr ehemaliger Schatzmeister, Walther Leisler Kiep. Seine Macht ist sein Wissen um die Finanzstrukturen dieser Partei. Die CDU-Spendenaffäre - irgendwie blieb sie bisher nicht so richtig an ihm hängen. Denn Walther Leisler Kiep hat hartnäckig geleugnet oder andere vorgeschoben, bis heute. Aber jetzt liegen Panorama und der Süddeutschen Zeitung neue Dokumente vor, die den charmanten Gentleman als dreisten Lügner belasten.

Waffenhändler Karl-Heinz Schreiber spendet gern und viel. Mit Geschenken versuchte er Politik zu machen, zumindest eine politische Karriere hat er so zerstört: Wolfgang Schäuble am 10.1.2000 im Interview:

"Ich habe den Herrn Schreiber irgendwann 1994 im Zusammenhang mit einer Veranstaltung, wo wir Sponsoren geworben haben, dass sie spenden für den Wahlkampf, kennen gelernt. Er hat dann am Tag danach eine Spende in bar abgegeben."

Die Nachfrage: "Wieviel waren das?"

"Das waren 100.000 Mark."

Die berühmten 100.000 Mark. Das späte Geständnis kostete Wolfgang Schäuble den Parteivorsitz. Die Spende - auf dunklen Wegen angekommen, in dunklen Kanälen versickert. Bis heute streiten Schäuble und Ex-Schatzmeisterin Baumeister darüber, wie die CDU zu dem Geld kam. Auch völlig unklar, wohin die Geldbündel gingen.

In Berlin Moabit versucht die Staatsanwaltschaft seit Monaten, den Weg der 100.000 Mark zu rekonstruieren. Jetzt wissen sie, wohin der Betrag ging. Bei ihnen liegt die Akte 8, eine Art Geständnis, unterfüttert mit detaillierten Bankbelegen. Die Dokumente zeigen, wie dreist manche Politiker offenbar lügen.

Einer war schon immer schneller als die meisten anderen in der Union: Walther Leisler Kiep. Erfolgreicher Kaufmann, Multimillionär und gleichzeitig eine große politische Karriere, Minister, Schatzmeister der CDU. Der Mann ist eine eindrucksvolle Erscheinung, und viele sind von ihm beeindruckt.

Zum Beispiel Gerhard Schröder (1999):

"Bei Walther Leisler Kiep handelt es sich um einen ungewöhnlich feinsinnigen und charaktervollen Menschen."

Schon früh wird Leisler Kiep verdächtigt, die 100.000 Mark versteckt zu haben. Denn der ehemalige Steuerberater der CDU, Horst Weihrauch, belastet ihn schwer:

"Ich hab' diese 100.000 Mark Herrn Kiep in seinem Büro in Frankfurt-Niederrath übergeben, und Herr Kiep hat den Umschlag in seiner Rocktasche, in seiner Innentasche versenkt. Und dann sind 100.000 Mark von seinem Bankkonto auf das Bankkonto der Bundespartei überwiesen worden."

So habe Kiep die Schreiber-Spende gewaschen, ihre Herkunft verschleiert, auf Wunsch von Brigitte Baumeister. Der Grandseigneur dementiert empört:

"Daran ist überhaupt nichts richtig", sagte Walther Leisler Kiep im Januar 2000. "Ich bin weder von Frau Baumeister mit dieser Spende befasst worden noch befragt worden, was sie mit dieser Spende zu tun habe. Dieser Vorgang soll ja im Jahre 1994 gewesen sein, also zwei Jahre nach meinem Ausscheiden als Bundesschatzmeister."

Die Frage des Interviewers: "Heißt das, dass Sie noch nicht mal von der Spende gewusst haben?"

"Ich habe nichts von der Spende gewusst."

Konsequent vertritt er seine Version auch vor dem Untersuchungsausschuss, der die Parteispendenaffäre klären soll. Natürlich habe er die Spende nicht gewaschen. Er gibt sich empört, als der Grünen-Abgeordnete Ströbele nachhakt: "Gab es denn überhaupt mal so einen Vorgang?"

Kieps Antwort: "Das wäre ja ein Vorgang, den ich nicht als Routine oder normal bezeichnen würde."

Ströbeles darauf: "Ich auch nicht."

Kieps Replik daraufhin: "Denn er hat ja im Grunde den Charakter einer - so könnte man sagen - Geldwäsche, wenn Sie so wollen, nicht."

Ströbele humorvoll: "Könnte man sagen."

Kiep ironisch: "Könnte man sagen, ja, genau. Ich habe an solchen Vorgängen nicht teilgenommen."

Kieps Pech: Sein früherer Gefährte und Steuerberater Weyrauch ist ein ausgesprochen penibler Zeitgenosse. Pedantisch bewahrte er wichtige Belege auf. Zusammen mit seinem Anwalt übergab er die Dokumente nach Panorama-Recherchen vor wenigen Tagen, Ende Ausgust, der Staatsanwaltschaft Berlin.

Die sogenannte Akte 8, ein brisantes Dossier - Leisler Kieps Albtraum. Ganz oben eine Barquittung: Leisler Kiep bestätigt den Empfang der 100.000 Mark, die er angeblich nie gesehen haben will. Dann die Details der Geschichte: 70.000 Mark lässt Kiep an seinen Sohn überweisen. 30.000 Mark behält er selbst in bar. Dann lässt er Weyrauch über ein gesondertes Konto die 100.000 Mark an die CDU überweisen - Geldwäsche perfekt.

Ein Gentleman als Lügenbaron?

Aber Weyrauch hat noch mehr: eine Art internes Geständnis von Kiep. In einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen Weyrauch und Kiep erkennen beide folgenden Sachverhalt als wahr an:

Horst Weyrauch erhielt von Brigitte Baumeister 100.000 Mark in bar. Baumeister habe gesagt, das Geld sei von Schreiber. Sie fragte Weyrauch, ob er Kiep fragen könne, ob der Betrag über ihn der CDU zugeführt werden könne. Kiep stimmte, wenn auch zögernd, zu. So weit die Vereinbarung, die von Rechtsvertretern beider Parteien im November 2000 unterzeichnet wurde.

Das bestätigt Eberhard Kempf, Verteidiger von Horst Weyrauch: "Wir haben wochenlang, einige Monate insgesamt, verhandelt und haben mit einem von Herrn Kiep persönlich gebilligten Ergebnis abgeschlossen."

Doch trotz dieser klaren Vereinbarung will Kiep nichts zugeben. Ein halbes Jahr später, im Juli dieses Jahres, zweiter Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss.:Vorsitzender Neumann fragt, warum er die 100.000 Mark an die CDU überwiesen habe und fragt:

"Bleibt es dabei, dass es ihre private Spende war und dass Sie dieses Geld nicht von Herrn Weyrauch bekommen haben?"

Kiep ungerührt: "Jawohl."

Diese Aussage angesichts der Beweise gegen ihn - ein fast pathologisches Verhalten. Vielleicht paart es sich bei Walther Leisler Kiep aber auch mit einer politischen Grundhaltung.

Dazu die Einschätzung des Staatsrechtlers Professor Günter Frankenberg:

"Wenn das alles zutrifft, würde ich sagen, kann man ihn nur charakterisieren als jemand, der mit herablassender Verachtung unseren Institutionen und auch unserem Recht gegenübersteht."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 30.08.2001 | 21:00 Uhr