Computerchaos beim BKA - Missmanagement und Inkompetenz

von Bericht: Thomas Berndt, Andreas Lange

Panorama hat schon einmal über das Computerfahndungssystem des Bundeskriminalamtes berichtet, genannt INPOL-Aktuell. Bedeutet: uralte Computersysteme, lahm und oft funktionsuntüchtig. Und das in Zeiten der Terrorfahndung. So schlimm schon die Gegenwart ist, es wird nicht besser. Denn seit zehn Jahren doktert das BKA an einem neuen INPOL, mit dem ehrgeizigen Titel: INPOL-Neu. Neu an INPOL-Neu ist aber nur, dass es genauso wenig funktioniert wie INPOL-Aktuell.

Computerchaos beim BKA
Ein Bericht von 2001 über das neue Informationssystem beim BKA - es funktioniert ebenso schlecht wie das alte.

Terroristenjagd in Deutschland: Bei der Rasterfahndung nach den sogenannten Schläfern sind die Polizisten vor allem auf umfangreiche Computerdaten angewiesen. Doch das bundesweite Fahndungssystem stammt noch aus den siebziger Jahren, ist viel zu langsam und nicht mehr zeitgemäß. Seit fast zehn Jahren bastelt das Bundeskriminalamt an einem Nachfolgesystem, der Name INPOL-Neu. Doch das funktioniert noch immer nicht. Und so musste das zuständige Bundesinnenministerium vor drei Wochen gegenüber Panorama zugeben: Der geplante Start für INPOL-Neu wird auf die Jahreswende 2003/2004 verschoben.

Claus Henning Schapper, Staatssekretär im Bundesinnenministerium sagte am 11.10.2001: "Es läuft noch nicht. Ich sage, es ist außerordentlich ehrgeizig, es würde das BKA und die deutsche Polizei an die Spitze der technischen Nutzung stellen." Panorama hakt nach: "Aber erst 2003/2004."

Schapper: "Das ist richtig." - "Ja, und wir haben jetzt die Terroristenfahndung."

Darauf Schapper: "Richtig."

Staatssekretär Schapper in Erklärungsnot. Und mittlerweile ist das Computerchaos bei INPOL-Neu noch sehr viel schlimmer. Denn seine eigene Behörde, das Bundesministerium des Innern, kommt in einem internen Prüfbericht zu einem vernichtenden Ergebnis: Das Projekt INPOL-Neu sei in einem "erheblich sanierungsbedürftigen Zustand mit gravierenden Managementfehlern". Deshalb gehen die Prüfer davon aus, dass das Projekt im jetzigen Zustand "nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann".

Nicht erfolgreich abgeschlossen - nach fast zehn Jahren Entwicklungszeit und Kosten in dreistelliger Millionenhöhe. Doch vom Innenministerium dazu keine neue Stellungnahme für Panorama. Und Staatssekretär Schapper hatte offensichtlich schon vor drei Wochen den Überblick verloren.

Schapper am 11.10.2001: "Es gibt keine Anlaufprobleme seit fast zehn Jahren."

Interviewer: "Aber '92 hat man angefangen, sich darüber Gedanken zu machen."

Schapper: "Ich hab' Ihnen gesagt, wir arbeiten an den - die Entwicklungsarbeiten haben '99 begonnen."

Interviewer: "Okay, aber '92 war der Startschuss, das muss man ganz klar sagen."

Schapper: "'99 war nicht der Startschuss, '99 haben sich die Polizei-Abteilungsleiter ...."

Interviewer: "'92."

Schapper: "'92 haben sich die Polizei-Abteilungsleiter zusammengesetzt und haben sich vorgenommen: Wir wollen mal die Vorbereitungen treffen für ein neues INPOL-System."

Interviewer: "Na, das ist ja nun schon fast dann zehn Jahre her."

Schapper: "Das ist fast zehn Jahre her."

Und deshalb ist die Computerpleite auch ein Fall für den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. Das Fazit der Finanzkontrolleure des Parlaments: Fehlplanung, Misswirtschaft und Kostenexplosion.

Dietrich Austermann, Bundestagsabgeordneter, CDU: "Uns regt am meisten auf, dass offensichtlich die Kosten des Projektes durch die Verzögerung und die Komplexität, des Termins, mangelnder Aufsicht sich praktisch versiebenfachten. Wir gehen davon aus, dass aus den ursprünglichen 40 Millionen Mark jetzt 280 Millionen Mark Kosten werden, ohne dass wir heute absehen, dass das Ganze auch je funktionieren wird. Also da ist sicher in erheblichem Maße Steuergeld für falsche Dinge zum Fenster rausgeworfen worden."

Deshalb der Auftrag an den Bundesrechnungshof, das Projekt INPOL-Neu zu prüfen. Unterstützung dabei vom Innenministerium: Fehlanzeige - ganz im Gegenteil. In einem Schreiben an die Abgeordneten beklagt der Rechnungshof: Die Prüfung werde zur Zeit durch ein wenig kooperatives Verhalten des Bundesministeriums des Innern behindert.

Schließlich kommt auch der Rechnungshof zu einem vernichtenden Urteil über INPOL-Neu. Das Projekt werde nicht professionell durchgeführt, die Gesamtkomplexität bei weitem unterschätzt. Zudem gäbe es Mängel bei der Fachaufsicht durch das Innenministerium.

Dietrich Austermann: "Ich glaube, deutlicher kann man nicht sagen, dass Behördenversagen dazu geführt hat, dass das Projekt nicht besser vorangekommen ist."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 01.11.2001 | 21:00 Uhr