Stand: 11.01.01 21:00 Uhr

Presseerklärung: Zeugin widerspricht Außenminister Fischer in Gewaltfrage

Ehemalige Hausbesetzerin erklärt, Fischer habe sich ihr gegenüber für den Einsatz von Molotow-Cocktails ausgesprochen.

Joschka Fischer © picture-alliance/ dpa Foto: Erwin Elsner

Erstmals hat eine Zeitzeugin öffentlich der Aussage von Bundesaußenminister Fischer widersprochen, er sei immer gegen den Einsatz von Molotow-Cocktails gewesen.

In der jüngsten Ausgabe des ARD-Magazins Panorama am gestrigen Donnerstag schilderte Frau Dr. Elisabeth H. detailliert eine Begegnung mit Joschka Fischer im Jahr 1973. Fischer war damals Mitglied der militant-linken "Putzgruppe", die sich wiederholt harte und auch gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferte.

Elisabeth H., die heute im Ausland lebt, gehörte 1973 zur Frankfurter Hausbesetzer-Szene. Als die Räumung eines besetzten Hauses im Kettenhofweg anstand, stritten verschiedene Gruppierungen der linken Szene darüber, wie militant man der Polizei entgegentreten sollte. Elisabeth H. wurde damals von den Bewohnern des besetzen Hauses zu Joschka Fischer und anderen Mitgliedern der Putzgruppe geschickt, um diese davon abzubringen, Molotow-Cocktails einzusetzen.

Wörtlich erklärte Elisabeth H. in Panorama: "Für uns war der Einsatz von Molotow-Cocktails eine Schwelle, die wir nicht überschreiten wollten. Das war etwas, was wir nicht wollten, auf keinen Fall."

Frage: "Wer war der Hauptgesprächspartner, den Sie hatten?"

Elisabeth H.: "Joschka Fischer."

Frage: "Und für was genau hat er sich eingesetzt?"

Elisabeth H.: "Ja, dass das Haus mit - unter anderem mit Gewalt noch zu verteidigen sei. Ja, der Vorschlag war, bis - so weit zu gehen, auch Molotow-Cocktails einzusetzen, um das Haus zu verteidigen. Sie wollten als Gruppe eine Art Verteidigungs-Avantgarde bilden. Also, die wollten nicht, dass wir uns bewaffnen, die wollten als Gruppe, ja, wenn man so will, diesen Dienst tun. Das war sehr lang, die Diskussion dauerte also mindestens vier Stunden, wenn ich mich richtig erinnere. Es war nicht leicht, sie zu überzeugen."

Am Ende habe sie die Militanten um Joschka Fischer aber vom Einsatz von Molotow-Cocktails abbringen können.

Die Aussagen von Elisabeth H. stehen im Gegensatz zu wiederholten Äußerungen von Bundesaußenminister Fischer. So antwortete Fischer im Stern vom 4.Januar 2001 auf die Frage "Sie haben sich in der Szene der Straßenkämpfer auch nicht dafür eingesetzt, Molotow-Cocktails zu werfen?" wie folgt:" Nein, diese Aktionen sind spontan geschehen." Und auf die Frage "Können Sie denn ausschließen, daß Sie für Molotow-Cocktails waren?", versicherte er im Spiegel vom 8. Januar 2001 nochmals:"Das hat nicht meiner Haltung und Überzeugung entsprochen. Insoweit kann ich das ausschließen."

Anmerkung der Redaktion: Elisabeth H. wurde für Panorama von Bettina Röhl interviewt. H. bestätigte in mehreren Telefonaten mit Panorama die Richtigkeit ihrer Darstellung, wollte aber ihr Interview zurückziehen, um nicht in die aktuelle Diskussion hineingezogen zu werden. Panorama gibt diese Presseerklärung erst heute heraus, weil die Ausstrahlung des gestrigen Berichts bis kurz vor Beginn juristisch gefährdet war.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 11.01.2001 | 21:00 Uhr