Hass und Hakenkreuze - Nazi-Hetze aus dem Knast

von Bericht: Thomas Berndt und Anton Mägerle

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Deutschland-Aufnäher ziert Jacke eines Neonazis © dpa - Report, Foto: Michael Hanschke © dpa - Report Foto: Michael Hanschke

Guten Abend. Haben Sie die Blumen gesehen, die Blumen vor dem Haus des Rechtsradikalen, vor der Tür des Mannes, der in der vergangenen Woche drei Polizisten umgebracht und eine Beamtin schwer verletzt hat? Dieser Mörder hat offensichtlich Unterstützer, Freunde, sogar Verehrer. Er war Mitglied in verschiedenen braunen Gruppierungen, und nachdem er sich selbst gerichtet hat, wird er nun vom feigen Mörder zum edlen Märtyrer stilisiert. Andere Neonazis, die Polizisten, Ausländer oder Behinderte schwer verletzt oder ebenfalls ermordet haben und deswegen nun im Gefängnis sitzen, mehren aus dem Knast ihren Ruhm - und das weitgehend unbehelligt von Polizei und Staatsanwaltschaft. Für die Neonazis draußen sind die inhaftierten Gewalttäter die wahren Helden der rechten Bewegung, ganz wie das große Vorbild Adolf Hitler, der seine Kampfschriften ja auch im Gefängnis verfasst hatte.

Nazi-Hetze aus dem Knast
Seit Jahren verbreiten inhaftierte Rechtsextremisten 2000 aus den Gefängnissen heraus weiter ihr Gedankengut.

Thomas Berndt und Anton Mägerle über Rechtsradikale und ihre neuen Idole.

KOMMENTAR:

Verehrung für einen rechtsextremen Mörder. Blumen vor dem Haus von Michael Berger. Kaltblütig hat er letzte Woche diese drei Polizisten erschossen. Der Tatort wurde später von Rechtsextremen geschändet, Hass-Parolen an eine Mauer geschmiert. Bevor sie entfernt werden konnten, stand hier: "Scheiß-Bullen, elendig krepieren sollen sie alle." Berger war bekennender Rechtsextremist. Seit Zeitungen dieses Foto veröffentlichen, avanciert er zum Helden der rechtsextremen Szene.

0-Ton

WILFRIED ALBISHAUSEN:

(Bund dt. Kriminalbeamter, BdK)

"Ich halte das für einen Skandal, dass ein solcher Täter jetzt aus dieser Szene zu einem Märtyrer oder zu einem Helden möglicherweise hochstilisiert wird. Ich glaube aber auch, dass das eine völlig neue Dimension, eine völlig neue Qualität von Brutalität und Zynismus in diesem Bereich ist."

KOMMENTAR:

Auch ein anderer Polizistenmörder stehe für den braunen Terror: Kay Diesner. Er genießt in der rechtsextremen Szene bei vielen Heldenstatus, in der offiziellen NPD-Zeitung taucht sein Name auf, in aller Regelmäßigkeit.

Kay Diesner sitzt im Gefängnis Lübeck, lebenslänglich wegen Mord. Im Februar 97 feuerte er ohne Vorwarnung mit einer Pumpgun auf Polizisten - bei einer normalen Verkehrskontrolle.

0-Ton

HARTWIG MÖLLER:

(Verfassungsschutz NRW)

"Wenn dann dieser Mensch auch noch als politischer Häftling, als politischer Märtyrer anerkannt wird und nicht nur als gemeiner Polizistenmörder, dann haben wir hier eine neue moralische Kategorie eingeführt."

KOMMENTAR:

Zumal der Polizistenmörder Kay Diesner in seiner Zelle fleißig agitiert. Üble Propaganda, die regelmäßig und ungehindert abgedruckt wird, in Nazi-Blättern wie dem "Hamburger Sturm". "Heil Kameraden, Hass und Tod der Juden BRD, immer Treu Kay Diesner." Und das in aller Regelmäßigkeit.

Der Kontakt zwischen den rechtsextremen Aktivisten und den Gewaltverbrechern im Knast ist generalstabsmäßig organisiert. Die Hilfsorganisation für nationale Gefangene, HNG, betreut die Inhaftierten und schleust deren Kampfschriften aus dem Knast. In einer eigenen Zeitung werden die Texte und sogenannte Gefangenenlisten veröffentlicht.

0-TonHARTWIG MÖLLER:"Die HNG ist ein Sammelbecken von Neonazis aller Schattierungen, und sie ist eines der wenigen bundesweiten Bindeglieder der Szene."

KOMMENTAR:

Ein Treffen dieser Truppe bei Mainz. Militante Skins und Altnazis bei der alljährlichen Geburtstagsfeier für Adolf Hitler. Geleitet wird die HNG seit Jahrzehnten von Ursula Müller, gerade erst wieder verurteilt wegen Volksverhetzung. Sie organisiert die Kontakte in den Knast.

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HARWIG MÖLLER:

"Ich kann nicht ausschließen, dass das Wissen um die politische Betreuung in einer Haftanstalt, das Wissen um einen gewissen Kultstatus, den man erreichen kann durch die Nennung in diesen Publikationen, die Hemmschwelle für Gewalttat in der rechten Szene möglicherweise herabsetzen könnte."

KOMMENTAR:

Das Gefängnis in Spremberg, Brandenburg. Auch diese beiden Skins sind verurteilt wegen Körperverletzung. Sie fühlen sich allerdings als politische Gefangene. Patrik, der Skin mit Brille, prügelte einen Linken krankenhausreif - zweieinhalb Jahre Haft. Ronny verletzte einen Türken schwer durch Tritte mit seinen Springerstiefeln. Hier im Knast sind die beiden eine Macht. Fast dreißig Prozent der Häftlinge gehören zum rechten Spektrum.

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BERNHARD GAUDIAN:

(Sozialtherapeut JVA Spremberg)

"Ich denke, die Rechtsradikalen, die hier in der Anstalt sind, sind auch gut organisiert, und man kennt sich von draußen, man weiß, wer in der NPD war oder in anderen Organisationen, die jetzt splittermäßig gruppiert sind."

KOMMENTAR:

In der JVA Spremberg geht Nazi-Propaganda offenbar problemlos ein und aus, rechtsextreme Zeitungen, Musik und so weiter. Auch diese beiden Skins wissen, dass hier im Knast Nazi-Material kursiert. Darüber reden wollen sie vor der Kamera natürlich nicht, schon gar nicht über Skin-Zeitungen, sogenannte Zines.

0-Ton

SKIN:

"..... da hab' ich überhaupt keinen Zugriff drauf, nee."

INTERVIEWER:

"Aber Ihr kriegt schon mit, dass da auch regelmäßig Sachen veröffentlicht werden?"

SKIN:

"Na klar, aber nicht nur in Spremberg, in anderen Anstalten zum größten Teil."

KOMMENTAR:

Eine dieser Skin-Zeitungen, "Blood and Honour", kommt jedenfalls problemlos in den Knast. Und mehr: Häftlinge schreiben sogar regelmäßig für das Blatt, stacheln die braune Szene draußen auf. "Heil Kameraden", schreibt da ein Häftling, "die neueste Ausgabe hat uns ohne Probleme seitens der Staatsknechte erreicht." Und in einem anderen Skin-Blatt berichtet ein Häftling aus Brandenburg, er schreibe und zeichne regelmäßig für die Nazi-Hefte "Freyer" und "United Skins". Dazu trage er im Knast T-Shirts mit dem Aufdruck "Skinheads, uns kriegt keiner klein". Die Post wird im Jugendvollzug eben nur stichprobenartig kontrolliert und sowieso fast nie gelesen. Überforderte Beamte, hilflose Justiz.

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HEIKE SCHURIG:

(Leiterin JVA Spremberg)

"Verhindern können wir es nicht. Und wir beobachten auch, dass versucht wird, Kameradschaften hier, auch grade im Jugendvollzug, versucht auszubilden und zu verstärken. Und auch Kontakte von innen und von außen."

KOMMENTAR:

Das gilt auch für Hameln in Niedersachsen. Hier im Knast wird eifrig Propaganda produziert. Die Verehrung von Rudolf Hess oder die Verherrlichung der militanten Nazi-Szene - alles nachzulesen in einer eigenen Knast-Zeitung, der Nazi-Postille "Reaktion 88". Unterzeile: Worte die durch Mauern gehen, und niemand kann sie stoppen. Angefertigt wird die Zeitung im Gefängnis, nach eigenen Angaben im sogenannten "Hamelner Systemknast". Das ist unter Häftlingen kein Geheimnis.

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SKIN:

"Er schreibt über einen bestimmten Themenbereich, und, wie gesagt, man hat irgendwie Leute, wo auch dann die Seiten kopiert werden, zusammengestellt werden. Fertig ist das Ding."

KOMMENTAR:

Nach den PANORAMA-Recherchen hat jetzt das Niedersächsische Justizministerium reagiert, verschärfte Kontrollen angekündigt.

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MICHAEL BUCKUP:

(Justizministerium Niedersachsen)

"So etwas darf einfach nicht passieren, und da darf kein Raum sein, in einer Jugendanstalt erst recht nicht wie auch in einer Erwachsenen-Vollzugsanstalt, dass überhaupt so etwas publiziert wird. Denn so eine Anstalt darf einfach nicht in den Ruf kommen, also eine Drehscheibe für rechtsextremes Gedankengut zu sein oder aber auch ein Schulungszentrum, wo dann Gefangene zu beeinflusst werden, dass sie anschließend für die rechtsextreme Szene wunderbar mit einzusetzen sind."

KOMMENTAR:

Auch dieser Häftling - nennen wir ihn Frank - hat einen Ausländer zusammengetreten, dazu kam Volksverhetzung. In ein paar Wochen wird er entlassen, kehrt, wie er selber sagt, zurück in die rechts Szene und fühlt sich dabei als Held.

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SKIN:

"Würde man schon sagen. Also, wie gesagt, das zeichnet schon aus, wenn man halt trotz der Inhaftierung, trotz Druck und alles, trotzdem noch aufrecht geblieben ist."

INTERVIEWER:

"Ein Skin geblieben ist."

SKIN:

"Skinhead geblieben ist vor allen Dingen auch."

Abmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Resozialisierung, Wiedereingliederung in die Gesellschaft ist also nicht zu erwarten, jedenfalls nicht im Gefängnis.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 22.06.2000 | 21:00 Uhr