Polizei-Einsatz gegen Zuhälter - Die Suche nach Mädchen und Millionen

von Bericht: Thomas Berndt und Gita Ekberg

Polizei-Einsatz gegen Zuhälter - Die Suche nach Mädchen und Millionen

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Man findet sie in den Boulevard-Blättern der Großstädte, Kleinanzeigen mit ganz eindeutigem Inhalt. "Anna, griffiges Luder, großer Busen, wunderschön und heiß" - und so weiter und so weiter. Diese Frauen empfangen ihre Freier nicht im Bordell, sondern ganz privat, in einem Appartement, oft in guten Wohngegenden, manchmal auch an den feinsten Adressen. Solche "Modellwohnungen", wie sie genannt werden, gibt es in allen Städten. Daß es dabei nicht ausschließlich um Prostitution, sondern auch um Menschenhandel, Vergewaltigung und Geldwäsche geht, ist bekannt. Aber in vielen Städten muß die Polizei hilflos zusehen - in Hamburg nur bis vorgestern. Mit der größten Razzia in der Kriminalgeschichte der Stadt befreiten Beamte mehr als fünfzig Frauen aus den Fängen skrupelloser Menschenhändler und Zuhälter. Ihnen wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, mit Millionengewinnen.

Polizeieinsatz gegen Zuhälter
Ein Bericht von 1999 über eine Großrazzia in Hamburg: Beamte befreiten mehr als 50 Frauen aus den Fängen der Zuhälter.

Thomas Berndt und Gita Ekberg über Hintergründe und Folgen dieser Razzia.

KOMMENTAR:

Diesen Gebrauchtwagen, Marke Lincoln superlarge, hat sich gerade die Hansestadt Hamburg angeeignet. Wert: rund 100.000 Mark, kleine Extras inklusive. Die Limousine wurde gerade beschlagnahmt. Genauso wie diese beiden Edelkarossen, zusammen rund 300.000 Mark wert.

Und das ist einer der früheren Besitzer: Frank H., schwerreicher Großunternehmer und Immobilienbesitzer. Seit Jahren eine schillernde Figur im Hamburger Rotlichtmilieu. Er soll Mitglied einer kriminellen Vereinigung sein, mit Internationalen Kontakten. Jahrelange Ermittlungen belegen, wie offenbar nicht nur diese Zuhältertruppe arbeitete.

0-Ton

REINHARD FALLAK:

(Polizei Hamburg)

"Für diese kriminelle Vereinigung galt er als Raumbeschaffer. Er war wohl derjenige, der zunächst in Südamerika, aber mit zunehmendem Maße in Osteuropa die Frauen angeworben hat, die Frauen gekauft hat und auch die Frauen hier zur Prostitution gezwungen hat. Er war der Brutale dieser Gang, der, wenn auch was nicht funktionierte, dann durchaus mal mit den Fäusten alles wieder gradegerückt hat."

KOMMENTAR:

Eine Großrazzia beendete jetzt das Treiben. Die Polizei stürmte die 85 Wohnungen der Bande, alles getarnte Bordelle. Insgesamt haben hier bis zu 130 Frauen anschaffen müssen, für einen Hungerlohn, in Doppelschichten. Die meisten zudem illegal in Deutschland. Lohnend für die Zuhälter: Geringe Investitionen bei hoher Rendite.

0-Ton

MANFRED QUEDZUWEIT:

(Leiter LKA Organisierte Kriminalität)

"In einer vorsichtigen Rechnung kann man sicherlich sagen, daß eine solche Frau im Monat bis zu 10.000 Umsatz macht."

KOMMENTAR:

Ein schmieriges Geschäft. Insgesamt kassierten die Täter 1,3 Millionen - jeden Monat.

Die Ermittlungen im Rotlichtmilieu allerdings sind nicht nur in Hamburg schwierig. Dieses Bordell der Bande hatte die Kripo nämlich schon einmal durchsucht, im August 1997. Damals überprüften sie einen Gast und mußten feststellen, das ist ein Kollege. Der Verdacht besteht, daß der Kripo-Beamte mit den Zuhältern kräftig zusammengearbeitet hat, als Gesellschafter. Mittlerweile ist er vom Dienst suspendiert, die Ermittlungen laufen noch.

Und auch bei der Razzia vor zwei Tagen erlebte die Polizei eine böse Überraschung. Möglicherweise hat im Vorfeld diesmal jemand den Einsatz verraten.

0-Ton

MANFRED QUEDZUWEIT:

(Leiter LKA Organisierte Kriminalität)

"Also, wir haben bei diesem Einsatz vorgestern festgestellt, daß wir von den acht Objekten drei Objekte hatten, wo unmittelbar vor den polizeilichen Einsatzmaßnahmen Frauen aus dem Objekt rausgegangen sind."

KOMMENTAR:

Ob er eine Indiskretion von Polizeibeamten ausschließen könne:

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MANFRED QUEDZUWEIT:

"Nein, kann ich nicht ausschließen."

KOMMENTAR:

Mehr als ärgerlich, denn seit fast einem Jahr observiert die Kripo Frank H. und seine Komplizen auf Schritt und Tritt. Ausschweifende Partys mit Frauen, Kaviar und Kokain. Über siebzig Damen haben sie nachweislich allein in dieser Zeit nach Deutschland eingeschleust, aus Moskau, Santo Domingo oder Rio. Auch der etwas bieder wirkende Karl-Heinz U. war offenbar dabei, als Kassenwart.

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REINHARD FALLAK:

(Polizei Hamburg)

"Er ist praktisch der zweite Kopf dieser Bande, der halt nichts von Gewalttätigkeiten oder von Schleusungen hielt, aber der dieses - ich sage mal: schmutzige Geld gewaschen hat und versucht hat, legal in den Wirtschaftskreislauf hier in Hamburg einzusetzen."

KOMMENTAR:

Diese Villa in bester Lage an der Hamburger Alster war das noble Hauptquartier der Zuhälterbande. Von hier dirigierten sie ein Imperium aus Immobilien, Restaurants und Nachtclubs. Die Bordellverwaltung nannte sich schlicht "Trinitas". Im Handelsregister sind solche Firmen zwar ordnungsgemäß eingetragen, unter "Trinitas" aber tauchen immer nur die Namen von Frank H. und Karl-Heinz U. auf, weitere Gesellschafter und Großverdiener verstecken sich hinter "und andere". Zwar illegal, aber die jährlichen Geldbußen von rund 1.000 Mark zahlten die Zuhälter aus der Portokasse und verdienten weiter - unerkannt.

Mit der Tarnung war es längst vorbei, als ein Sondereinsatzkommando jetzt die Bordellzentrale an der Alster stürmte. Insgesamt wurden über fünfzig Kartons mit Firmenunterlagen beschlagnahmt, für die Polizei eine wahre Goldgrube. Denn die Finanzermittler der Kripo beschlagnahmen seit neuestem nicht nur Akten, sondern vor allem die kriminellen Gewinne. Geld, Autos und Immobilien. Und das streicht dann der Staat ein - zum Wohle des Finanzetats.

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MANFRED QUEDZUWEIT:

(Leiter LKA Organisierte Kriminalität)

"Wir haben Schmuck sichergestellt, zum Beispiel eine Uhr, die mit 50.000 Schweizer Franken bezahlt worden ist. Wir haben durch einen Gerichtsvollzieher Taschenpfändungen vornehmen lassen bei den Tätern. Bei diesen Taschenpfändungen sind 40.000 Mark Bargeld rausgekommen."

KOMMENTAR:

Und bei einem diskreten Besuch in verschiedenen Banken stießen die Geldfahnder gestern zudem auf über fünfzig Konten der Bande. Insgesamt über 5 Millionen Mark.

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REINHARD FALLAK:

(Polizei Hamburg)

"Im Grunde genommen ist es das Ziel, die ganzen Gewinne, die hier erzielt worden sind, abzuschöpfen und dem Staat zuzuführen und diese neunköpfige Tätergruppe von Millionären, die sie im Moment sind, wieder zu Sozialhilfeempfängern zu machen."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 06.05.1999 | 21:15 Uhr