Schwunghafter Handel - Hakenkreuze und Hitlerbüsten für deutsche Wohnzimmer

von Bericht: Thomas Berndt und Wlodzimierz Nechamkis

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Ideologien brauchen Symbole und wohl auch Nippes für die Schrankwand. Das gilt für den Nationalsozialismus in besonderem Maße, bis heute. Hitlers Kopf als Briefbeschwerer, der Aschenbecher mit Hakenkreuz, der Silberlöffel mit SS-Runen - Nazi-Devotionalien sind begehrte Sammelobjekte. Und die wahren Freunde des NS-Kitsches kaufen inzwischen jenseits der deutschen Grenze ein. Die Nachfrage schafft dort das Angebot und ein neues Einkaufsparadies.

Thomas Berndt und Wlodzimierz Nechamkis berichten über polnische Handwerker und Händler, die die Marktwirtschaft richtig verstanden haben, und über ihre Kundschaft, hauptsächlich Deutsche.

Hakenkreuze und Hitlerbüsten für deutsche Wohnzimmer
Polnische Händler vertreiben Nazi-Devotionalien - und die Hitler-Büsten und Hakenkreuze landen in deutschen Wohnzimmern.

KOMMENTAR:

Ein Keller im deutsch-polnischen Grenzgebiet. Was dieser Kleinunternehmer hier produziert, so behauptet er jedenfalls, sei nichts besonderes. Inzwischen könne man die Hitler-Figuren doch überall bekommen auf den Märkten in Polen, entlang der deutschen Ostgrenze. Genauso wie Parteistempel mit Reichsadler und Hakenkreuz, vom Original kaum zu unterscheiden. Die Kundschaft kommt aus Deutschland, erzählt der Mann, und zahlt gut für alles, was an ihren einstigen Führer erinnert.

Hitler ist ein Mensch, der etwas Schlimmes angestellt hat, erzählt der Mann, aber es gibt genug Leute in Deutschland, die meinen, er sei doch eigentlich gar nicht so schlecht gewesen.

Die kurzgeschorene deutsche Kundschaft ist etwas kamerascheu, aber zum Einkaufen gleich hinter der Grenze herzlich willkommen. Was in Deutschland verboten ist, kann man hier ungeniert einkaufen. Alles eine Sache von Angebot und Nachfrage.

Besonders gut verkauft sich in Polen die Ehrennadel "Schlacht für Schlesien". Und als Spezialität der Führer als eine Art Terrakotta-Figur, natürlich original und frisch ausgegraben - nichts besonderes.

0-Ton

MANN:

"Ich bin so erstaunt, wenn ich das alles so seh`, also wirklich ganz toll. Ich bin jetzt das erste Mal hier, wirklich toll."

KOMMENTAR:

Für Freunde des Dritten Reichs - Polen ein echtes Einkaufsparadies. Am Nachbarstand gehört der Führer nur zum Standardprogramm, als Briefbeschwerer für 50 Deutsche Mark. Besonders stolz ist der Händler nämlich vor allem auf seine Nazihelme, für 600 Mark, SS-Rune und Hakenkreuz inklusive. Kundschaft aus Deutschland kommt genug.

Es kommen auch viele alte Leute, erzählt der Händler, einige zeigen sogar ihre NSDAP-Ausweise vor und schimpfen, sie hätten 1945 ihre Abzeichen abgeben müssen, im Gefangenenlager oder so. Die wollen sie jetzt einfach wiederhaben.

Und Nachwuchsprobleme gibt es offenbar auch nicht. Sehr beliebt bei Jüngeren: der Hitler für die Wohnstube oder Armbinden als Mitbringsel.

INTERVIEWER:

"Was haben Sie da jetzt grade gekauft?"

MANN:

"Eine Armbinde, für meinen Vater, weil er das sammelt."

KOMMENTAR:

Gebrauchsgegenstände aber, meint der Verkäufer, gehen am besten: die Gürtelschnalle mit Hakenkreuz oder der gußeiserne Aschenbecher für 28 Mark.

Und was sich gut verkauft, wird auch fleißig produziert. Berührungsängste mit dem Dritten Reich kennt der Kleinunternehmer jedenfalls nicht. Nur eines, sagt er, würde er nie tun: den Stoff, aus dem die Hitler-Büsten sind, irgend jemandem verraten, denn schließlich sei die Konkurrenz groß entlang der deutsch-polnischen Grenze. Der Lack jedenfalls kommt aus einer ganz normalen Sprühdose. Hauptsache der Führer glänzt wieder.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 03.06.1999 | 21:00 Uhr