Deutsche auf Mallorca - Der Kampf um Land und Macht

von Bericht: Gesine Enwaldt

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER

Mallorca ist das einzige Stück Ausland, das die Deutschen so richtig lieben. Unser erfolgreichstes deutsches Boulevard-Blatt hat die Insel auch schon mal als 17. Bundesland ins Gespräch gebracht. Aber die Mallorquiner haben Probleme mit den rund 35.000 Deutschen, die dort leben. Dabei haben die Teutonen ihnen doch alles mitgebracht, was sie so lieben: Bier, Blasmusik und Schnitzel, auch Makler, Metzger und die Medien, Peter Maffay, Claudia Schiffer, Fußballkurse mit Rudi Völler - alles alemán. Doch die Spanier sind ganz offensichtlich undankbar, wollen nicht genesen am deutschen Wesen, sie wehren sich gegen die kaufkräftigen Besatzer. Der Chef der autonomen Regionalregierung der Balearen hat die Deutschen um mehr Rücksichtnahme gebeten, mehr Behutsamkeit beim Umgang mit den Spaniern. Denn diese fühlen sich überrollt, bedroht von den Ausländern - ein Gefühl, das vielen Deutschen doch vertraut sein dürfte - aus umgekehrter Perspektive. Unsere Landsleute müssen jetzt dort eine ganz neue Rolle lernen. Viele fühlen sich auf Mallorca diskriminiert und schlecht behandelt.

Deutsche auf Mallorca: Kampf um Land und Macht
Mallorquiner haben Probleme mit den etwa 35.000 Deutschen, die auf der Insel leben. Bericht von 1998 über den Konflikt.

Gesine Enwaldt hat sich dort umgehört - bei Deutschen und bei Spaniern.

KOMMENTAR:

Ein Villenviertel nördlich von Palma. Hauptsächlich Deutsche wohnen hier, in millionenschweren Festungen. Zäune und Sicherheitsanlagen auf Mallorca, ein typisch deutscher Import wie Wurst und Bier. Privatpolizei kontrolliert die Gegend, sorgt sich Tag und Nacht um die Sicherheit der Millionäre.

Dieser Mann ist kein Millionär, aber Tony Crownwall kümmert sich um deren Schiffe und Häuser. Nur Deutsche sind seine Kunden, wie Claudia Schiffer. Er kennt die Ecke seit elf Jahren.

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TONY CROWNWALL: (Übersetzung)

(Bootswart)

"Auf dieser Seite, das ist eine sehr teure Gegend, schöne Häuser für ein paar Millionen Deutsche Mark, Paläste, wunderbare Häuser. Die neuen Deutschen kommen, kaufen und verkaufen, haben nichts zu tun mit den Mallorquinern. Sie bringen ihre Dienstmädchen mit, die billiger sind, oder holen deutsche eigene Leute zum arbeiten. Das ist nicht gut für die Insel. Die denken, das ist hier Deutschland mit Sonne."

KOMMENTAR:

Oben in den Bergen ein Dorf der Einheimischen. Die Mallorquiner wissen, die Deutschen bringen das Geld, aber deren Reichtum sorgt für gemischte Gefühle.

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SPANIERIN: (Übersetzung)

"Heutzutage, da haben die Deutschen - entschuldigen Sie, daß ich das sage - da haben die Deutschen die Preise in den Himmel gehoben. Aber wir haben auch Schuld daran, daß es so teuer wird, weil wir es erlauben. Schuld ist auch der Mallorquiner, der das Haus verkauft. Ich komme zu ihm, und ich sage es ihm: Ich gebe dir sechs Millionen Peseten. Dann sagt er: Nein, weil ein Deutscher mir zwanzig Millionen geben wird."

KOMMENTAR:

Es ist Frühling auf Mallorca, und ein reicher Deutscher steuert seinen Wagen durch die Landschaft, auf dem Weg zu seinen florierenden Geschäften. Dann schaut er aus dem Fenster und freut sich.

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HORST ABEL:

(Millionär)

"Sehen Sie doch mal ...., ist das nicht herrlich, es ist ein Paradies. In Deutschland Eis, Schnee, Dreck und hier Mandelblüte. Wunderschön."

KOMMENTAR:

Horst Abel ist ganz verliebt in die Insel. Er spricht hier spanisch mit stark hessischem Akzent, und alles wäre wirklich paradiesisch, wäre da nicht die mallorquinische Behördenwelt, für ihn ein Ort der Schikane. Abels Bierlokal liegt im Touristenzentrum, hier, an der Playa de Palma. Er ärgert sich über seine spanischen Konkurrenten.

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HORST ABEL:

"Das ist alles ein Besitzer hier, dem die erste Hälfte von der Bierstraße gehört, und ein sehr guter Freund vom Bürgermeister. Also ich bin davon überzeugt, daß der ohne Baugenehmigung baut hier, aber das interessiert doch niemand."

KOMMENTAR:

Klare Fronten also: Die Spanier dürfen wild herumbauen, und er, der Deutsche, muß sein Bierlokal bald schließen, nur weil seine Braukessel keine Genehmigung haben. Nur bei ihm, dem Deutschen, ist die spanische Behörde pingelig. Er fühlt sich diskriminiert.

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HORST ABEL:

"Die schwächsten Glieder sind immer die Ausländer, weil sie davon ausgehen, daß die sich nicht so wehren können wie die Mallorquiner. Also untereinander hat man schon mehr Respekt, ein Mallorquiner wird einen Mallorquiner nicht so schnell anzeigen oder eine Ordnung durchsetzen: die Musik ist übertrieben, egal was - wie ein Mallorquiner dem Ausländer gegenüber."

KOMMENTAR:

Wie ein Löwe werde er kämpfen, um sein Bier und auch gegen seinen mallorquinischen Nachbarn, einen Feind der Biergelage, der hatte ihn angezeigt. Kampf in Zeiten der Winterruhe im Einzugsgebiet des deutschen Saufgeheges "Ballermann 6". Jetzt sammeln sie Muscheln, wo jüngst sieben Millionen Touristen den Besucherrekord brachen. Im Winter atmet die Insel durch.

Die deutsche Rentnerschaft, Vorhut der entfesselten Massen, bei ihrem friedlichen Gang. Allein in der Schinkenstraße halten sie inne, in Abels Nachbarschaft, am Zaun des Frankfurters Manfred Meisel. Blumen erinnern an dessen Ermordung vor drei Monaten. Der Gastronom Meisel, seine Angestellte, sein Sohn - kaltblütig erschossen. Von den Tätern keine Spur, aber die Rede ist von deutscher Mafia, Milieu und Auftragsmord, die Spanier schockiert über das Drama um den deutschen Bierkönig. Der Mord hat Horst Abel einen Schreck eingejagt, denn auch er gilt hier als König. Metzger ist er und entsprechend auf Mallorca der König der Wurst, der deutschen Wurst, versteht sich. Im Sommer verrührt er hier zweieinhalb Tonnen Fleisch am Tag für seine hungrigen Landsleute. Fern der Heimat stillt Abel die germanische Sehnsucht nach Bierschinken, Wienerwurst oder Kassler. Heute im Topf: Aufschnitt, streng nach deutschem Reinheitsgebot.

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HORST ABEL:

("Wurstkönig")

"Die Frau hier drüben ist auch schon 15 Jahre bei mir, macht das schon wie ein deutscher Metzger."

KOMMENTAR:

Rund hundert Spanier beschäftigt Abel. Inzwischen hat er mehrere Betriebe.

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HORST ABEL:

"Mein Hauptziel, als ich hergekommen bin, war, Millionär zu werden."

INTERVIEWERIN:

"Hat's geklappt?"

HORST ABEL:

"Ja, doch, ich bin ja jetzt schon - ich muß mal überlegen - ich bin jetzt schon 29 Jahre hier, also wenn ich es da nicht geschafft hätte, 29 Jahre, das wäre nun traurig."

KOMMENTAR:

Dieser Deutsche war einmal Millionär und hat soeben auf Mallorca alles verloren.

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EDUARD HINGERL:

(Ex-Millionär)

"So, das ist jetzt der berühmt-berüchtigte Zirkusplatz in Calvia."

KOMMENTAR:

Sein Elan ist dahin, die Zeichen stehen auf Sturm für großdeutsche Projekte auf der Insel. Zwei Millionen Mark investierte der Bayer in einen Zirkusplatz.

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EDUARD HINGERL:

"Mit dem Geld, was ich hier verloren habe, hätte ich die nächsten hundert Jahre schön Urlaub machen können."

KOMMENTAR:

Der Deutsche wollte mal schnell Mallorcas Zirkuskönig werden. Nachdem die Fundamente gelegt waren, stand hier auch sein Zelt, vom deutschen TÜV geprüft, mit internationalem Sicherheitsstandard - für kurze Zeit. Vor ein paar Wochen mußte er aufgeben, denn die mallorquinischen Behörden waren mit diesem Zelt plötzlich genau, sehr genau, und traktierten ihn mit endlosen Auflagen.

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EDUARD HINGERL:

"Des weiteren mußten wir also feuerverzinkte Sturmstangen, die um das Zelt herum stehen, mit einem feuerhemmenden Lack anstreichen. Dann mußten wir vier Quadratmeter aus unserer Zeltplane herausschneiden und zum Physikalischen Institut nach Barcelona schicken. Dann mußten wir imprägnierten Zeltboden nachimprägnieren."

KOMMENTAR:

Und so weiter. Die Krönung dann: Sabotage am Mast, der Todesstoß.

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EDUARD HINGERL:

"Ich bin gescheitert an der mallorquinischen Veranstaltungsmafia, die entsprechende Lobby hat da, wo ich sie nicht habe, nämlich in den Behörden."

KOMMENTAR:

Zurück zum "Wurstkönig", ins Wohnzimmer des angeblich Schwächsten der Gesellschaft. Draußen gut bewacht sitzt hier Horst Abel und bedauert, daß Diktator Franco so früh gestorben ist, weil unter dem mußte er kaum Steuern zahlen. Die goldenen Zeiten sind vorbei, es wird immer ungemütlicher. Seine Idee: eine Partei für drangsalierte Deutsche.

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HORST ABEL:

"Wenn irgendein Problem auftaucht, dann wird das meistens auf der Form von Beziehungen gelöst. Da wir Ausländer von vornherein mal diese Beziehungskiste nicht haben oder diese Beziehungsmöglichkeit, müssen wir uns eine schaffen in Form einer Partei, die dann Einfluß nimmt auf das Geschehen."

KOMMENTAR:

Aber da hat der Deutsche sich verkalkuliert, denn die Mallorquiner sind gottesfürchtig, patriotisch und halten zusammen mehr denn je gegen den allzu forschen deutschen Metzger. Denn der verlangte zum Beispiel, daß fortan in Gemeinderatssitzungen spanisch gesprochen wird und nicht mehr die Sprache der Einheimischen, Katalan, denn nur so könne er mitreden. Prompt entlud sich der mallorquinische Zorn: Katalanisch ist unsere Sprache und Deutsch nicht. Die Botschaft ist klar - gegen Abel & Co.: Sie haben das Geld, aber Mallorca gehört uns.

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FERRAN AGUILO: (Übersetzung)

(Journalist)

"Das Problem ist, daß Abel überhaupt nichts versteht. Die Sprache dieser Insel ist Katalanisch. Natürlich sprechen wir auch perfekt spanisch, aber das wäre dasselbe, als ob zum Beispiel in einem deutschen Rathaus verlangt würde, daß man türkisch redet, weil es da viele Leute gibt, die türkisch sprechen. Ich fände das respektlos gegenüber den Deutschen, und ich finde Abels Vorschlag respektlos gegenüber den Mallorquinern."

KOMMENTAR:

Im Rathaus von Palma. Die Behörden weisen schlechte Behandlung der Deutschen weit von sich. Immer mehr Inselpolitiker kämpfen zwar um Mallorcas Eigenständigkeit, aber auch für die Integration der Ausländer.

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PERE SAMPOL: (Übersetzung)

(Sozialistische Partei Mallorca)

"Herr Abel wollte exklusiv die Interessen der deutschen Bürger verteidigen. Das ist sehr negativ. Es ist schlecht, Ghettos zu bilden oder verschiedene Gesellschaften, die gegeneinander kämpfen. Ich denke, wenn die Deutschen, die hier leben, politische Forderungen haben, etwas, was sehr positiv wäre, dann sollten sie sich in die Parteien integrieren, die es hier gibt."

KOMMENTAR:

Samstagvormittag in Arta. Protest der Umweltschützer und Aufruf zu einer Diskussion um die Zersiedelung von Naturschutzgebieten. Die reichen Deutschen sind die besten Kunden für Grundstücke, Häuser, Fincas. Sie kaufen mehr und mehr.

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LEHRER: (Übersetzung)

"Es werden sehr gute Fincas verkauft, und sie sind danach ganz umzäunt. Man kann dann nie wieder die alten Wanderwege betreten, die den Mallorquinern gehörten."

KOMMENTAR:

Es ist Februar und Mandelblüte auf Mallorca - ein Paradies. Der deutsche Wurstkönig hat zu viel Prügel bezogen und sich kürzlich offiziell von seiner Partei verabschiedet. Aber oben auf seiner Terrasse sagt er, daß er weiterkämpft gegen ungerechte Behandlung, damit die Deutschen weiterhin ganz leicht das ganz große Geld machen können.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 05.02.1998 | 21:00 Uhr