Ahnungslose Beamte - Steuergelder für Rechtsradikale

von Bericht: Beate Greindl

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER

Über die Bundeswehr und ihre nur bedingte Abwehrbereitschaft, wenn es um Rechtsradikale geht, haben wir ausführlich berichtet. Aber so selten sind die Vorfälle offenbar nicht, auch andere Institutionen lassen da politische Vorlieben, im besten Fall noch Ignoranz walten. So unterstützte das baden-württembergische Innenministerium trotz deutlicher Warnungen Seminare des Bundes der Vertriebenen, genauer der "Landsmannschaft Westpreußen". Viele Referenten und Teilnehmer stammten aus dem rechtsradikalen Milieu - folgerichtig auch das Seminarthema. Laut Protokoll klärte die Runde die Kriegsschuld Polens. Demnach hat Polen den Zweiten Weltkrieg begonnen. Alles förderfähig und -würdig, im Sinne unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Aber vielleicht hatte man im betreffenden CDU-Ministerium im Wahljahr nur Angst um die Rechtsaußen-Wähler?

Steuergelder für Rechtsradikale
Ein Bericht von 1998 über die Unterstützung von Institutionen aus dem rechtsradikalen Milieu durch deutsche Behörden.

Beate Greindl hat sich mit den Seminaren beschäftigt.

KOMMENTAR:

Der Bund der Vertriebenen liebt nicht nur deutsches Liedgut, so manche Landsmannschaft ist auch politisch aktiv und hält Seminare ab. Auch dafür gibt es Zuschüsse aus Steuergeldern.

0-Ton

HERBERT HELLSTERN:

(Innenministerium Baden-Württemberg)

"Bei uns leisten die Vertriebenenverbände gute Arbeit. Wie gesagt, der § 96 schreibt ja vor: Pflege des Kulturgutes der Vertreibungsgebiete."

KOMMENTAR:

Auch für das Osteuropa-Seminar, das hier '96 stattfand, wurden Fördermittel vom baden-württembergischen Innenministerium bewilligt. Und das, obwohl Insider warnten, daß sich hier auch Leute mit extrem rechtem Gedankengut tummeln würden. Als Referent trat auf: Christian Stoll. Vor ein paar Jahren trat er aus der CDU Niedersachsen aus, nur so konnte er offenbar einem Parteiausschluß zuvorkommen wegen rechtsradikaler Äußerungen.

Zitat Stoll:

"Die Lösung für unser Volk ohne Raum können wir nur im deutschen Osten finden. Wir benötigen diese Gebiete allein schon, um die steigende Flut von Asylanten und zu uns überflutender Polen unterbringen zu können."

Mit solchen Äußerungen kommt man bei einem Publikum wie im Osteuropäischen Seminar in Böblingen an. Begeisterung bei den Rechtsextremen. Sie finden sich auf der Teilnehmerliste zuhauf. Ein Beispiel: Karl Bassler. Wegen seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft für Freie Publizistik wird er sogar namentlich im baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht genannt - sehr zu seiner Verärgerung.

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KARL BASSLER:

"Der Verfassungsschutz hat überhaupt kein Recht, einzustufen. Das sind Drecksäcke, der Verfassungsschutz, das sage ich hier ganz bewußt. Wenn jemand etwas einstufen kann: ein politisches Verfassungsgericht, und jeder andere hat kein Recht dazu, dem wird aufs Maul gehauen. Und die kriegen auch aufs Maul noch, der Tag dauert nicht mehr lange."

KOMMENTAR:

Karl Bassler ist der Ansicht, daß Hitler Europa nur vor der kommunistisch-asiatischen Flut retten wollte, der Überfall auf Polen sei ein Gebot des Völkerrechts gewesen. Schließlich seien dort Tausende von Deutschen umgebracht worden. In der heutigen Zeit wäre das ein Fall für die UNO gewesen. Nur wer das auch so sieht, hat seiner Meinung nach die Wahrheit erkannt.

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KARL BASSLER:

Die ganze deutsche Politik ist unehrlich, lügenhaft bis auf den Grund, von Anfang an. Und wenn das mal eine größere Anzahl von Deutschen begriffen hat, daß sie fünfzig Jahre belogen worden sind niederträchtig und ihnen deshalb das Geld aus der Tasche gezogen worden ist, sie beschuldigt worden sind, dann gnade Gott denen, die diese Lügen hier ständig verbreitet haben."

KOMMENTAR:

Ähnlich abstruse Ansichten vertritt auch eine weitere Teilnehmerin des Osteuropäischen Seminars: Melitta Erdmann. Sie ist in der baden-württembergischen rechten Szene bekannt. Vor Jahren wurde sie zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Melitta Erdmann war nachgewiesenermaßen an den Vorbereitungen eines Überfalls auf ein Asylantenheim beteiligt. Die Gruppe um den Rechtsterroristen Manfred Roeder hatte auf diverse Unterkünfte Anschläge verübt. Dabei gab es auch Tote. Melitta Erdmann saß mehrere Wochen in Untersuchungshaft in Stammheim. Sie fühlt sich als Märtyrerin für die nationale Sache.

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MELITTA ERDMANN:

"Ich bin auch stolz, ich möchte Stammheim um nichts in der Welt missen, bin auch stolz auf meine Zeit, als ich in der Hitlerjugend war, sehr stolz - ich hab' das mal in einem Leserbrief geschrieben, der ist nicht gebracht worden, aber in der Redaktion haben sie es gelesen - denn dort wurden wir geprägt aus der Jugendführung heraus. Wer zu Hause nicht anständig erzogen wurde, der wurde dort zu Anstand erzogen, zu Hilfsbereitschaft, zur Anständigkeit, zur Ehrlichkeit. Undenkbar - mir tut unsere Jugend leid."

KOMMENTAR:

Daß Leute mit solchen Ansichten auch noch an staatliche Fördergelder kommen konnten, war womöglich auch das Verdienst von Kontaktleuten aus dem seriösen rechten Spektrum wie etwa Werner Nowak, Funktionär im Bund der Vertriebenen. Er war zuvor jahrelang im Innenministerium, pikanterweise als Leiter des Referats, das für die Förderung von Vertriebenenseminaren zuständig war. Vor diesem Hintergrund sind seine Kontakte zur ultrarechten Szene besonders brisant. Nowak hat mit bekannten Rechtsextremisten offenbar sogar einen Aktionskreis gebildet. Er selbst will dazu keine Stellung nehmen, auch sonst keiner vom Bund der Vertriebenen.

Am 4. Februar konfrontieren wir das Innenministerium mit unseren Recherchen, also ein Jahr und drei Monate, nachdem das fragliche Seminar stattfand. Zwei Tage später werden die Fördergelder zurückgezogen. Doch mit unserer Anfrage hat das angeblich nichts zu tun - ein lange vorbereiteter Plan des Innenministeriums.

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HERBERT HELLSTERN:

(Innenministerium Baden-Württemberg)

"Dort haben wir schon Wochen bevor PANORAMA dieses aufgegriffen hat, haben wir selber die Initiative ergriffen, das Landesamt für Verfassungsschutz eingeschaltet, die Ergebnisse ausgewertet, und wir sind zum Ergebnis gekommen, daß wir diese Veranstaltungen nicht fördern."

KOMMENTAR:

Die ehemaligen Funktionäre der inzwischen verbotenen Wiking Jugend werden ihre Fahrtkosten aber wohl kaum zurückzahlen. Die Fördergelder werden von der Landsmannschaft Westpreußen zurückverlangt. Aber vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal wieder besser.

Abmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER

Wie eben im Film schon erwähnt, wollte man uns kein Interview geben. Dafür stand bei uns heute das Fax-Gerät nicht mehr still. Allerdings war unter den zahlreichen Papieren, die wir zu diesem Thema bekamen, keine konkrete Stellungnahme, es wurde nur pauschal alles dementiert.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 05.02.1998 | 21:00 Uhr