Milliarden-Deal bei Daimler-Benz - Wie Anleger im Fokker-Konkurs abgezockt wurden

von Bericht: Michael Holthus und Jochen Graebert

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Champagner bei Mercedes-Benz und ganzseitige Anzeigen in unseren Tageszeitungen. Der kleine A-Klassen-Umfaller hat - jetzt nachgerüstet - den Elchtest bestanden. Aber dem Nobel-Konzern droht neues Ungemach: Da werfen Klein-Aktionäre Mercedes-Benz Übles vor. Es geht um den niederländischen Flugzeugbauer Fokker, eine inzwischen bankrotte Tochterfirma und früher mal Lieblingsprojekt von Mercedes-Chef Jürgen Schrempp. Die älteste Flugzeugfabrik der Welt sollte unter dem Dach des Nobel-Konzerns saniert werden. Das ist gründlich mißlungen. Aber als die Pleite schon absehbar war, soll Daimler-Benz noch eine Milliarde Mark rechtzeitig beiseite geschafft haben. Für die vielen Kleinanleger, die auf das Sieger-Image des Konzerns und die Aktien gesetzt hatten, ist nicht viel übrig geblieben.

Wie Anleger im Fokker-Konkurs abgezockt wurden
Kleinaktionäre werfen Daimler-Benz üble Machenschaften das in Konkurs gegangene Flugzeugunternehmen Fokker betreffend vor.

Michael Holthus und Jochen Graebert haben sich mit dem Milliarden-Deal beschäftigt.

KOMMENTAR:

Die Fokker-Pleite, einer der größten Fehlschläge in der Geschichte von Daimler-Benz. Vergangene Woche in Amsterdam: Der Konkursverwalter hat schlechte Nachrichten für die Anleger, die Konkursmasse ist mager, die Gläubiger werden ihr Geld kaum wiedersehen.

Dabei hatte alles so glanzvoll begonnen, als Daimler-Benz 1993 bei Fokker einstieg. Neben Ezhard Reuter war es Jürgen Schrempp, damals Chef der Daimler-Tochter DASA, der den Fokker-Kauf einfädelte. Mit dem niederländischen Flugzeugbauer wollte er die Nummer 1 in Europa werden. Jürgen Schrempp griff nach den Sternen.

0-Ton

JÜRGEN SCHREMPP:

"Das ist nicht zu hoch gegriffen, das wird europäische Industriegeschichte machen."

KOMMENTAR:

Kleinanleger wie Anna und Johann Bierschneider aus Nürnberg vertrauten Schrempp ihre Ersparnisse an. Sie kauften die sogenannte Fokker-Anleihe. Nun haben sie alles verloren, weil sie auf den Namen Daimler-Benz vertrauten.

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JOHANN BIERSCHNEIDER:

(Fokker-Geschädigter)

"Es wurde uns so dargestellt, daß das eine absolut sichere Sache sei, in der die DASA, sprich Daimler-Benz, und der holländische Staat dahinter stehen und beteiligt sind, und somit bräuchten wir also keine Bedenken zu haben."

KOMMENTAR:

Jetzt vertritt der Rechtsanwalt Klaus Kratzer die Bierschneiders und andere Fokker-Geschädigte. Gemeinsam mit zwei Kollegen - beide sind Konkursexperten - stieg er immer tiefer in die Fokker-Pleite ein. Die drei stießen bald auf Ungereimtheiten. Am Ende sind sie sicher: Daimler-Benz hat Kleinanleger um ihr Geld betrogen. Am Anfang waren nur Spuren im Internet.

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CHRISTIAN GLÖCKNER:

(Rechtsanwalt)

"Wir haben uns natürlich gefragt, wie kann es angehen, daß so ein großes Unternehmen zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung weder Liquidität noch die von ihm so vielgerühmten Flugzeuge noch besitzt. Und da haben wir angefangen zu recherchieren."

KOMMENTAR:

Im Herbst 95 steckt Fokker tief in den roten Zahlen, das Traditionsunternehmen ist eigentlich schon konkursreif. Vor holländischen Geschäftsleuten baut Jürgen Schrempp derweil Luftschlösser: Alles bestens, meint er:

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JÜRGEN SCHREMPP: (Übersetzung)

"Wenn Sie sehen, wie Fokker und DASA heute zusammenarbeiten, das ist einfach toll. Ich sehe da überhaupt keine Probleme."

KOMMENTAR:

Keine Probleme bei Fokker, die Flugzeugschmiede ist sein liebstes Kind.

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JÜRGEN SCHREMPP:

"I tell you - Fokker is a loved baby of mine."

KOMMENTAR:

Während Schrempp von seinem Liebling Fokker schwärmt, ist dessen Zeit bereits abgelaufen.

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KLAUS KRATZER:

(Rechtsanwalt)

"In der Öffentlichkeit ist das Bild erzeugt worden, daß es einfach unvorstellbar ist, daß das Unternehmen DASA, Daimler-Benz, hier ein Unternehmen, ein Tochterunternehmen wie Fokker, fallen läßt, obwohl es doch fest integriert ist in dem Konzernverbund. Und im Hintergrund hat Daimler-Benz DASA im Verbund mit dem Bankenkonsortium Umlaufvermögen aus dieser in der Krisensituation sich befindenden Firma Fokker herausgenommen."

KOMMENTAR:

Im Bericht des Konkursverwalters finden die Anwälte Hinweise auf einen dubiosen Milliarden-Deal von Daimler-Benz. Die Daimler-Tochter DASA gründet am 20. November 95 die Firma debis Air-Finance. Vier Wochen später entsteht eine zweite Firma, die DASA Netherlands. Beide Firmen haben nur einen Zweck: Sie sollen Fokker Flugzeuge abkaufen, insgesamt 67 Maschinen. Dafür erhält Fokker 1,3 Milliarden Gulden. Was auf englisch billion heißt, bedeutet umgerechnet über eine Milliarde Mark.

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KLAUS KRATZER:

"Ja, wo ist das Geld geblieben? Wo ist es hingeflossen? Warum steht es jetzt den Gläubigern nicht mehr zur Verfügung als Konkursmasse?"

KOMMENTAR:

Das Geld ist tatsächlich weg. Die Nürnberger Anwälte suchen weiter und werden wieder fündig. Fast den gesamten Kaufpreis - umgerechnet über eine Milliarde Mark - leitet Fokker direkt weiter, und zwar zurück an Daimler und an die Banken, bei denen Daimler für Kredite an Fokker gebürgt hatte.

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CHRISTIAN GLÖCKNER:

(Rechtsanwalt)

"Kritikpunkt unsererseits und Haftungsansatzpunkt ist, daß die Daimler-Milliarde sofort und in einem Atemzug zurückgeflossen ist und Daimler sich durch das Zurückfließen dieses Geldes einer Haftung gegenüber den beteiligten Banken entledigen konnte."

KOMMENTAR:

Der deutlichste Beweis ist eine Zahlung vom 16. Januar 96. An diesem Tag kassiert Daimler zum letzten Mal bei Fokker. Nur sechs Tage später steigt Daimler bei Fokker aus - die Hauptmeldung in den Nachrichten am gleichen Tag:

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TAGESSCHAU-SPRECHER:

"Guten Abend, meine Damen und Herren. Die Daimler-Benz AG will den angeschlagenen niederländischen Flugzeugbauer Fokker nicht länger unterstützen. Wie Daimler heute nach einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung in Stuttgart mitteilte, werden weitere Zahlungen an die Konzern-Tochter sofort eingestellt."

KOMMENTAR:

Der Daimler-Ausstieg bedeutete das Ende für das holländische Traditionsunternehmen. Die Arbeiter protestierten vergeblich, Fokker ging kurze Zeit später in Konkurs. Die Kleinanleger gehen leer aus. Der Gewinner: Jürgen Schrempp - Daimler hatte kurz vor Toresschluß abkassiert. Konkursbetrug?

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KLAUS KRATZER:

(Rechtsanwalt)

"Der Verdacht drängt sich natürlich schon auf. Es sind wesentliche Indizien da, die den Verdacht begründen."

INTERVIEWER:

"Welchen Verdacht?"

KLAUS KRATZER:

"Den Verdacht, daß hier tatsächlich in betrügerischer Absicht Kleingläubiger geschädigt worden sind. Der Verdacht ist da, der ist nicht zu bestreiten."

KOMMENTAR:

Konkursbetrug ist ein Strafdelikt. Unabhängig davon reichte Kratzer heute beim Landgericht München Klage auf Schadensersatz ein. Das könnte teuer werden für DASA und für Daimler-Benz. Hat die Klage Erfolg, drohen dem Konzern über zwei Milliarden Mark Rückforderungen.

Abmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER:

Daimler-Benz bestätigte uns den Milliarden-Deal. Aber der Konzern weist darauf hin, daß ein Teil des Geschäftes bereits 1994, also deutlich bevor der Konkurs absehbar gewesen sei, vereinbart wurde. Ob Daimler damit den Vorwurf widerlegen kann, die Konkursmasse illegal gemindert zu haben, bleibt zweifelhaft. Für die Kleinanleger besteht also noch Hoffnung.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 11.12.1997 | 21:00 Uhr