Kinderpornografie - Reiche Täter kaufen sich frei

von Bericht: Gita Ekberg

JOACHIM WAGNER:

Symbolfoto Kinderpornografie © dpa

Zwei Jahre "Gefängnis mit Bewährung" für den katholischen Pfarrer - diese milde Strafe empfand die Niedersächsische Justizministerin, Heidrun Alm-Merck als "unerträglich und in keiner Weise akzeptabel". Eine berechtigte Urteilsschelte. Denn im Vergleich etwa zu England, wo unlängst ein Diplomat wegen Besitz und Schmuggels von Kinderpornografie zu drei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt wurde, läßt die deutsche Strafjustiz bei Kinderschändern unverständliche Milde walten. In Deutschland hätten der Diplomat sogar Chancen, ganz ohne Strafe davonzukommen.

Ein Bericht von Gita Ekberg.

Kinderpornografie: Reiche Täter kaufen sich frei
Fall des Hamburger Kaufmanns Hans B., der jahrelang an der Herstellung von Kinderpornos mitbeteiligt gewesen sein soll.

KOMMENTAR:

Hamburg-Harvestehude, der Leinpfad. Eine noble Adresse an der Alster. Hier wohnt Hans B. hanseatischer Kaufmann und Multimillionär. Außen das Großbürgertum, innen schmutzige Praktiken.

Vor 11 Monaten bekommt Hans B überraschend Besuch von der Kripo.

Die Beamten finden pornografische Fotos und Videos mit Kindern in der Villa. Jahrelang soll Hans B. selbst an der Herstellung beteiligt gewesen sein. Die Pornos zeigen, wie Kinder betatscht und sexuell manipuliert werden.

Jetzt liegen mehrere Kubikmeter Pornos aus dem Haus des millionenschweren Kaufmanns bei der Polizei. Nur wenige der zahlreichen Opfer können identifiziert werden. Glück für Hans B. - Diese Opfer sind jetzt erwachsen, die Taten verjährt. Nur der Besitz von Kinderpornos bleibt. Und auch diese Tat soll wahrscheinlich nicht bestraft werden.

Denn während Hans B. in seinem hanseatischen Edelkontor weiterhin pro Jahr 20 Millionen Mark Umsatz macht, dealt sein Anwalt mit der Staatsanwaltschaft. Geld für Anonymität und Strafverzicht.

O-Ton

RÜDIGER BAGGER Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg:

"Das ist im Zusammenhang mit diesem Vorwurf, nämlich reiner Besitz von kinderpornografischen Material, nicht ungewöhnlich. Wir haben im § 184, äh, eine Strafbewährung von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, wenn es um eine Person geht, die nicht vorbestraft ist - wie das hier der Fall ist -, kann man über eine solche Sache verhandeln. Allerdings gegen eine erhebliche Geldbuße."

KOMMENTAR:

Wie erheblich die Geldbuße auch sein mag, Opfer sehen das völlig anders.

O-Ton

CHRISTA ZIEHN Löwenmütter e.V. gegen Kindermißbrauch:

"Täter müssen sich verantworten. Sie dürfen sich nicht einfach freikaufen können. Ah, was ist mit dem Tätern, die kein Geld haben. Die müssen vor Gericht, die anderen können sich freikaufen, ohne überhaupt der Öffentlichkeit preisgegeben zu werden."

KOMMENTAR:

Es ist rührend, die Justiz denkt zuerst an die Täter.

O-Ton

RÜDIGER BAGGER Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg:

"Der Beschuldigte selbst gerät nicht in die Öffentlichkeit. Was große Vorteile für ihn hat und auch dazu führt, das muß man ganz offen sagen, daß man die Geldbuße sehr hoch ansetzen kann, weil er diesen Vorteil hat. Der größte Vorteil ist, daß man bei einer hohen Geldbuße denn diese Gelder Institutionen zur Verfügung stellen kann, die sich um solche geschädigten Kinder kümmern."

KOMMENTAR:

Aber die Organisationen wollen das nicht. Für sie ist der Prozeß wichtiger.

O-Ton

CHRISTA ZIEHN Löwenmütter e.V. gegen Kindermißbrauch:

"Für die Opfer, wenn sie denn schon erwachsen sind, ist es auf jeden Fall 'ne Genugtuung, daß der Täter vor Gericht ist. Sich äußern muß über seine Schandtaten. Äh, die Opfer dann sehen, daß dieser Täter, der früher ja die Macht über sie hatte, daß er sich in demütiger Haltung vor dem Richter sozusagen äußern muß und letzten Endes auch, zumindest einen Tag dann, vor Gericht diese Taten, ja, sich dafür verantworten muß."

KOMMENTAR:

Auch diesen einen Verhandlungstag möchte die Justiz lieber vermeiden.

O-Ton

RÜDIGER BAGGER Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg:

"Denken Sie an das Stichwort Überlastung der Justiz. Das Gericht braucht sich mit diesem Fall nicht zu beschäftigen."

KOMMENTAR:

Nur wenn Beschuldigte viel Geld haben, werden sie offenbar mit der Justiz schnell handelseinig.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 12.09.1996 | 21:00 Uhr