Vorsicht Erdnüsse - Allergiegefahr für Säuglinge und Kleinkinder

von Bericht: Klaus Böcker
Erdnüsse mit Schale © Fotolia.com Foto: Andre Bonn

Jede Schwangere kennt das Gefühl: eine urplötzliche Lust auf Essen. Heißhunger auf Eis, Erdbeeren oder Gurken, vor allem aber immer wieder Kuchen, Schokolade, Süßigkeiten. Solche Eßorgien können - was hierzulande kaum einer weiß - für die Babies gefährlich werden, wenn die Schleckereien mit Erdnußprodukten hergestellt sind. Erdnüsse und Erdnußprodukte können nämlich bei Säuglingen und Kleinkindern gefährliche Allergien auslösen, die in Einzelfällen sogar tödlich enden. Eine Warnung von Klaus Böcker.

KOMMENTAR:

Der sechsjährige Carsten ist ein mißtrauischer Esser und er hat allen Grund dazu. Denn vor zwei Jahren hatte er ein furchterregendes Erlebnis: Ahnungslos verzehrte er im Kindergarten einen Quarkauflauf. Unmittelbar danach bekam er einen allergischen Anfall, wie er ihn noch nie zuvor durchgemacht hatte - ausgelöst durch Erdnüsse.

O-Ton

CARSTENS MUTTER:

"Er war im Kindergarten und hat da Mittag gegessen. Und eine Tages, also gegen zwei Uhr hab ich ihn immer abgeholt, und ich komme rüber und die Kindergärtnerinnen sind ziemlich aufgeregt und er steht da und hustet und hustet, als ob er irgend etwas verschluckt hätte. Und da bin ich hin und dann sag ich: "Ja, hast du etwas verschluckt?". Nein, nein. Und er hat dann immer gleich gesagt, also das kommt vom Essen. Na ja, und dann sind wir schnellstens, äh, zur Kinderärztin. Und da war er dann schon von oben bis unten bereits mit Quadeln übersät. Der asthmatische Anfall wurde dann etwas leichter. Und es war eben am Anfang überhaupt nicht klar, worauf, was der Auslöser war.

KOMMENTAR:

Erdnußallergien sind tückisch, das belegen zwei neue Studien aus England. Sie entstehen oft schon sehr früh im Leben - meist völlig unbemerkt - beim ersten Kontakt mit Bestandteilen der Hülsenfrucht. Danach kann jede weitere Konfrontation mit solchen Eiweißmolekülen zu allergischen Überreaktionen des Immunsystems führen. Und - so die Studienergebnisse - wer einmal gegen Erdnüsse überempfindlich ist, der bleibt es meist für den Rest seines Lebens.

O-Ton

DR. SYED TARIQ, Asthma and Allergy Research Centre, Newport, England:

"Bis zum vierten Lebensjahr - so stellten wir fest - ist mindestens ein Kind von hundert bereits empfindlich gegen Erdnüsse. Das ergaben sowohl die Haut-Tests wie auch die Blutuntersuchungen."

KOMMENTAR:

Ab dem siebten Lebensjahr erwies sich die Erdnußallergie sogar als die häufigste Lebensmittelallergie überhaupt. Und, es zeigte sich auch, daß Erdnußallergien von Generation zu Generation zunehmen - besonders bei Menschen mit einer erblichen Veranlagung zu allergischen Reaktionen - die immerhin etwa jeder vierte Brite in sich tragen soll.

Doch es ist selbst für bewußte Allergiker schwer, Erdnüssen aus dem Wege zu gehen. Denn immer mehr Lebensmittel enthalten für das Auge unsichtbare Erdnußbestandteile. Und schon kleinste Mengen reichen aus, um einen gefährlichen Allergieanfall auszulösen.

O-Ton

PROF. DR. BERNHARD PRZYBILLA Allergologe, München:

"Bei den Erdnüssen im Vordergrund steht die sogenannte Soforttypreaktion, das reicht von äh Symptomen einer Nesselsucht über Asthma, Schnupfen, Augentränen bis hin zum Allergie-Schock und letztendlich kann so etwas tödlich enden. Und es ist eine ganze Reihe von Todesfällen bekannt geworden durch dieses Krankheitsbild."

KOMMENTAR:

Elke ist jetzt vierzehn. Sie weiß seit vielen Jahren was ihr droht, wenn sie versehentlich Ernußbestandteile schluckt. Doch vorsichtshalber hat sie immer ihre Notfallmedikamente bei sich. Und trotz aller Achtsamkeit beim Essen braucht sie sie immer wieder.

O-Ton

ELKE:

"Ja, das schlimmste war mit dem Türken-Honig. Da hab ich das noch nicht gekannt. Und dann hab ich ein ganz kleines Stück nur gegessen. Dann wurde mir sofort schlecht und mir kam es immer so hoch. Ich hab Atemprobleme gekriegt und mir hat es halt fürchterlich, da so in der Lunge drin weh getan."

O-Ton

FRAU WAGNER / ELKES MUTTER:

"Da hab ich also solche Angst bekommen, weil sie grad mir gesagt hat, ich halt's nicht aus, mir tut alles weh und, und, und ... Da hab ich halt merkt, daß sie mit Atmen echte Probleme gehabt hat.

O-Ton

ELKE:

"Mutti schau mal, meinst du ob ich das essen kann?"

O-Ton

FRAU WAGNER / ELKES MUTTER:

"Zutaten, müssen wir mal schaun. Kann Spuren von Erdnüssen und Weizeneiweiß enthalten. Kann - na also - ich weiß net. Ich glaub, mit kann da können wir nichts anfangen."

KOMMENTAR:

In Deutschland haben die Lebensmittelhersteller offenbar noch nie von der gefährlichen Erdnuß-Allergie gehört. Hunderte von Keksen und Schokoladen, Müslis und Gebäck, Puddings und Fertigsaucen enthalten nicht näher deklarierte pflanzliche Fette und Öle. Nicht selten handelt es sich dabei auch um kostengünstiges Erdnußöl - das immer auch Reste des allergieauslösenden Erdnuß-Eiweißes enthält.

O-Ton

DR. MED. FRANZISKA RUEFF Dermatologische Klinik der Ludwig-Maximilian-Universität in München:

"Wir sehen das an unseren Allergikern. Die kommen mit einer Schokolade oder mit irgendeinem Riegel und sagen: "Da muß 'ne Erdnuß oder irgend etwas anderes drin sein. Äh, ich habe darauf reagiert. Andere mir hier sichtbare Bestandteile, die vertrage ich und es ist nicht deklariert."

KOMMENTAR:

Erdnüsse können sogar schon im Mutterleib oder beim Stillen eine lebenslange Allergie auslösen. Vorsicht ist geboten, besonders in Familien in denen schon andere Allergien bekannt sind.

DR. SYED TARIQ, Asthma and Allergy Research Centre, Newport, England:

"Diesen Familien sollte geraten werden, daß werdende Mütter während ihrer Schwangerschaft - und auch danach in der Stillzeit - keine Erdnüsse essen sollen. Die allergiegefährdeten Kinder sollten mindestens bis zum dritten Lebensjahr Erdnüsse und daraus hergestellte Nahrungsmittel sorgsam meiden."

KOMMENTAR:

Erdnüsse - ein leckerer Imbiß für den, der sie verträgt - aber auch eine tückische Gefahr für jeden deutschen Allergiker, der sie nicht rechtzeitig erkennt!

O-Ton

HERR TSCHENSE Vater von Carsten:

"Mir ist es bisher nicht bei den Süßigkeiten oder Lebensmitteln eindeutig gelungen, die Deklaration zu verstehen. Und ich meine, wenn auch Kinder, die dann lesen können, die Inhaltsstoffe sich auf der Rückseite der Verpackung meistens, äh, wo sie stehen, anschauen, kann es denen auch nicht gelingen, das was da drauf steht überhaupt zu verstehen. Es müßte eindeutiger deklariert werden."

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 12.09.1996 | 21:00 Uhr