Stand: 17.03.14 18:31 Uhr

"Judenschweine bekämpfen": Aufruf oder Nacherzählung?

Oleh Tjahnibok, Parteichef der nationalistischen ukrainischen Swoboda-Partei. © dpa / picture-alliance Foto: Igor Kovalenko

Oleh Tjahnibok am 21. Februar 2014 auf der Bühne des Maidan in Kiew.

Aufgrund von Hinweisen unserer Zuschauer haben wir uns das in unserem Film (bei Minute 4:40) gezeigte Zitat von Oleh Tjahnibok von 2004 erneut mit mehreren ukrainischen Muttersprachlern angeschaut.

Strittig war, ob /panorama/media/ukraine389_v-contentxl.jpgTjahnibok 2004 ukrainische Freiheitskämpfer dazu aufrief, "Judenschweine zu bekämpfen" (wie in unserer Übersetzung), oder ob er bloß nacherzählte, was vor 60 Jahren geschah. Das Ergebnis: Auch wenn das Zitat im Kontext klar als Aufruf gemeint ist, verkennt unsere Übersetzung doch das rhetorische Geschick von Tjahnibok und ist an der Stelle falsch.

Dies hat uns dazu veranlasst, eine neue Version der Übersetzung online zu stellen und die Übersetzung im Film zu verändern. Die neue Übersetzung wird im Sprechertext wie folgt eingeleitet: "...2004 rief er (Tjahnibok) zum Freiheitskampf auf nach dem Vorbild der Bandera-Kämpfer". Daraufhin folgt das neu übersetzte Zitat: "Sie hängten sich Gewehre um den Hals und gingen in die Wälder. Sie kämpften gegen Russen und Deutschen, gegen Judenschweine und sonstiges Gesindel, welches uns den ukrainischen Staat wegnehmen wollte! Man muss endlich die Ukraine den Ukrainern geben!"

Der Ausschnitt ist unter folgendem Link zu finden. Einen Bericht zu dieser Veranstaltung finden sie hier. Das Zitat stammt aus einer Rede von Oleh Tjahnibok aus dem Jahr 2004. Er sprach auf einer Gedenkveranstaltung für einen UPA-Kommandeur. Auf der Veranstaltung hatten sich sowohl Veteranen der Bandera-Partisanen sowie Zuschauer versammelt. Das Zitat im o.g. Ausschnitt lautet in ganzer Länge nach unserer Übersetzung wie folgt:

"Ihr seid ukrainische Nationalisten, ukrainische Patrioten! Ihr müsst die Helden werden, die heute die Erde unter unseren Füßen verteidigen! Sie hängten sich Gewehre um den Hals und gingen in die Wälder. Sie kämpften gegen Russen, gegen die Deutschen, gegen Judenschweine und sonstiges Gesindel, welches uns den ukrainischen Staat wegnehmen wollte! Man muss endlich die Ukraine den Ukrainern geben!"

Unsere ursprüngliche Übersetzung lautete im Film wie folgt:

"Schnappt euch die Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen, die Judenschweine und anderes Ungeziefer. Kämpft für unsere ukrainische Heimat." Unschwer ist zu erkennen, dass wir das Zitat nicht in der Vergangenheit, sondern im Präsens übersetzt haben. Dadurch entsteht der Eindruck, als ob es ein aktueller Appell ist. Diesen Imperativ halten wir nach mehrmaliger Überprüfung für zu stark verkürzt. Darum haben wir das Zitat auch geändert. Für diese Ungenauigkeit möchten wir uns entschuldigen.

Wenn man aber den Kontext der Veranstaltung sowie das gesamte Zitat berücksichtigt, so lässt sich aus unserer Sicht sehr wohl eine Lobpreisung der vermeintlichen Taten der Bandera-Kämpfer herauslesen, die für die Ermordung von unzähligen Menschen verantwortlich waren. Der Lobpreisung stellt Tjahnibok eine Aufforderung an alle Zuschauer seiner Rede voraus: "Ihr müsst die Helden werden, die heute die Erde unter unseren Füßen verteidigen." Daraufhin folgt die erwähnte Lobpreisung und das Zitat endet mit einem Appell: "Man muss endlich die Ukraine den Ukrainer geben."

Aus dem Kontext ist darum nach unserer Sicht folgerichtig, dass er die Bandera-Kämpfer und deren Taten als Vorbilder für alle heutigen ukrainischen Patrioten preist. Zur Einordnung sei noch gesagt: Im weiteren Verlauf spricht Tjahnibok auch von einer "moskowitisch-jüdischen Mafia", die die Ukraine regiere. Diese Äußerung zog damala auch ein Strafverfahren nach sich. Dieses Verfahren blieb aber ohne Folgen. Und auf eine Entschuldigung für die unstrittig gebrauchte Formulierung, "Judenschweine und sonstiges Gesindel zu bekämpfen", wartet die jüdische Gemeinde bis heute

Vielen Dank für Ihre Hinweise!
Die Panorama-Redaktion

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 06.03.2014 | 22:00 Uhr