Stand: 25.02.16 12:37 Uhr

Warum freie Medien so wichtig sind

Ein Kommentar von Volker Steinhoff

Statt sich mit Fakten zu beschäftigen, ist die deutsche Diskussion über den Syrienkrieg immer mehr in einen Lagerkampf von zwei Parteien abgeglitten: "Putinversteher" versus "Amerikafreunde". Dabei ist gerade im Krieg nichts so wichtig wie der nüchterne Blick von außen. Genau das passiert in freien Medien, etwa in Panorama: Während wir im Fall des abgeschossenen Russenjets de facto Putins Version gestützt haben - nicht aus Sympathie, sondern wegen der von uns recherchierten Indizien für einen türkischen Hinterhalt, während wir de facto Putins Warnung vor dem Neofaschisten mehrfach bestätigt haben, während wir auch geopolitisch die Fehler des Westens im Vergleich zu Putins Fehlern für unterberichtet halten, sind wir trotzdem nicht von Putin gekauft. Und unabhängig genug, auch für Putin unangenehme Feststellungen auszusprechen.

Was wollte Seehofer bei Putin?
Ministerpräsident Seehofer trifft Putin in Moskau. Sprachen die beiden auch über die Flüchtlingsströme, die dank Putins Bomben in Syrien immer weiter anschwellen?

Fluchtursache Assad und Putin

Eine solche Feststellung: Putins Bombardierung in Syrien ist die wichtigste Ursache für die aktuelle Zunahme des Flüchtlingsstroms. Warum?

Nicht nur nach unserer Einschätzung war in Syrien in den vergangenen fünf Jahren die Haupt-Fluchtursache Assad. Assads Armee hat mit ihren Fassbomben mehr Wohnviertel zerstört und Zivilisten getötet als andere Kriegsparteien, sogar als der IS. Die Masse der Flüchtlinge harrte lange in den Nachbarländern Türkei etc. aus in der Hoffnung, Assad würde bald erledigt sein und sie könnten dann zurückkehren. Schließlich verkündete damals auch der Westen den Sturz Assads als Hauptziel. Die große Flüchtlingswelle nach Europa setzte ein, als diese Hoffnung für viele endgültig platzte. Mit dem Aufstieg des IS hatte nicht nur der Westen einen neuen Feind, der Sturz Assads war also nicht mehr Priorität. Das i-Tüpfelchen waren dann ab Ende 2015 Putins Bomben. Denn mit dieser Hilfe konnte Assads Armee sogar wieder vorrücken.

Zynisches Mittel-zum-Zweck-Denken

Die Verachtung ziviler Menschenleben durch die aktuelle syrisch-russische Allianz ist vielfach belegt (was nicht heißt, dass der Westen in anderen Fällen nicht genauso schlimm war). Gerade im Bereich Aleppo hat sich die Menschenrechtslage über den Jahreswechsel deutlich verschlimmert und so einen weiteren Flüchtlingsstrom ausgelöst. Nun könnte man noch mit dem großen Ganzen argumentieren: wirklich beenden kann man danach den Flüchtlingsstrom nur, indem man den Krieg insgesamt beendet. Und dabei helfen die Russen. Klingt schlau. Der Haken ist nur: so etwas nehmen auch andere Kriegsparteien für sich in Anspruch, selbst der IS, der ebenso den Flüchtlingsstrom beenden will. Wie überhaupt in den meisten Kriegen jede Kriegspartei behauptet, ihr Endsieg sei zum Wohl aller. Genau deshalb ist das Mittel-zum-Zweck-Denken zynisch und falsch. Wer Menschen helfen will, darf nicht Zivilisten töten. Und wer, wie Horst Seehofer, "Fluchtursachen bekämpfen" will, sollte seine Energie nicht mit Fototerminen in Moskau verschwenden.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 18.02.2016 | 21:45 Uhr