Stand: 22.11.19 10:41 Uhr

NPD gegen Journalisten: Solidarität aus Frankreich

Die NPD wird am Samstag in Hannover gegen Journalisten demonstrieren, die über Rechtsradikalismus berichten. Die Demonstration wurde zuerst verboten, das Verwaltungsgericht Hannover hat die Demonstration jedoch am Freitag Nachmittag erlaubt. Besonders ein Reporter steht dabei im Fokus: Der Panorama-Autor Julian Feldmann. Er wird seit einigen Wochen von der NPD sowie ihrer Jugendorganisation "Junge Nationalisten" (JN) massiv angefeindet und ist Drohungen aus der rechtsextremistischen Szene ausgesetzt.

Grund dafür ist offenbar vor allem ein Interview mit Karl M., einem NS-Kriegsverbrecher, das Feldmann im November 2018 gemeinsam mit zwei Kollegen für Panorama geführt hatte. Darin hatte der inzwischen verstorbene Mann den Holocaust relativiert und die Opfer eines Massakers in Frankreich verhöhnt. Karl M. war 1944 an einem Massaker im nordfranzösischen Ort Ascq beteiligt, bei dem Soldaten der SS 86 Zivilisten erschossen hatten. Nach dem Krieg wurde M. in Frankreich in Abwesenheit verurteilt - entzog sich jedoch der Bestrafung.

Die NPD hatte Feldmann daraufhin unterstellt, er habe Karl M. "mit merkwürdigen Fragen in ein Gespräch verwickelt", ohne überhaupt zu erwähnen, dass er Journalist sei und das Gespräch für das Fernsehen gedacht sei. Wegen dieser Falschbehauptung hat der NDR mittlerweile eine Unterlassungsverfügung beim Landgericht Hamburg erwirkt. Julian Feldmann und seine beiden NDR Kollegen hatten im Gespräch mit Karl M. eindeutig und vor laufender Kamera erklärt, dass sie vom NDR Fernsehen sind und dass das Gespräch dort ausgestrahlt werde. Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg hat der NPD Niedersachsen untersagt, diese Falschbehauptungen über Feldmann zu wiederholen. Die Partei hat die einstweilige Verfügung mit einem sogenannten Abschlussschreiben auch als endgültige Regelung anerkannt. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.

NDR Intendant Marmor: "Starkes Signal"

Zu Gegendemonstrationen am Sonnabend haben unter anderem der DGB, die IG Metall und die Grüne Jugend in Hannover aufgerufen. Den Aufruf "Schützt die Pressefreiheit!" des Netzwerks Recherche zur Solidarität mit Julian Feldmann und anderen angefeindeten Journalisten haben zahlreiche Organisationen und hunderte Journalistinnen und Journalisten unterzeichnet.

Dazu NDR Intendant Lutz Marmor: "Presse- und Medienfreiheit sind Grundpfeiler der Demokratie. Dafür müssen wir alle einstehen. Der NDR stellt sich vor seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es ist ein starkes Signal, dass so viele Menschen und Organisationen für die Presse- und Medienfreiheit eintreten."

Solidarität aus Ascq

Auch aus Frankreich kamen zahlreiche Solidaritätsbekundungen. So meldeten sich Hinterbliebene der Opfer des Massakers von Ascq bei Panorama, um Julian Feldmann ihre Unterstützung zuzusichern:

  • Cathérine Delaby und Francoise Tisseyre, Nachkommen von Opfern des Massakers von Ascq

    Sie waren an unserer Seite und haben mit dafür gesorgt, dass es zu einer Anklage gekommen ist und dass das Leiden der Familien von Ascq öffentlich anerkannt wurde. Es ist nur richtig und selbstverständlich, dass unsere Gedenken jetzt bei Ihnen sind. Seien Sie gewiss, dass wir den Aufruf zu der Demonstration der Rechtsextremisten verurteilen und Julian Feldmann von ganzem Herzen unterstützen.

  • Danièle und Sylvain Calonne, Jacqueline Duhem für die Historische Gesellschaft von Villeneuve d‘Ascq

    Die Historische Gesellschaft von Villeneuve d’Ascq versichert den NDR-Journalisten Julian Feldmann ihrer vollständigen Unterstützung. Julian Feldmann hat seine Arbeit als Journalist verantwortungsbewusst gemacht, als er Karl M. in dessen Wohnung zu seiner Rolle beim Massaker von Ascq interviewte. Während des Interviews konnte Karl M. die Kamera, die ihn filmte, und das Mikrofon, das seine Worte aufnahm, gut sehen. Seine Worte, sein Leugnen, die die Familien der 86 Opfer des Massakers von Ascq schwer getroffen haben.

  • Jacqueline Ruckebusch-Béghin, Tochter eines Opfers des Massakers von Ascq

    Die Wahrheit zu leugnen oder zu verfälschen, das war zu allen Zeiten ein Mittel, um Ideologien zu befördern, um mit unaussprechlicher Grausamkeit zu herrschen und um schlimmste Taten zu rechtfertigen. Diejenigen, die die Wahrheit über das Massaker von Ascq zeigen wollten, sind in den Augen der Leugner und Geschichtsverdreher nun die Schuldigen! Dabei ist das Gegenteil richtig! Karl M. hat, ohne dazu gezwungen zu sein, seine Verachtung gegenüber den Opfern von Ascq und gegenüber allen Opfern des Nationalsozialismus geäußert. Er bereut nichts. Lassen wir ihm die Verantwortung für seine Taten und für seine unwürdigen Aussagen. Warum suchen einige nach Entschuldigungen? Er hat in aller Freiheit gesprochen. In einer Freiheit zu leben und zu sprechen, die den 86 Opfern des Massakers von Ascq nicht vergönnt war. Ihr Andenken verdient die Wahrheit. Wir, ihre Nachkommen, haben die Pflicht, dafür zu kämpfen, dass die Freiheit der Menschen und die Bruderschaft der Völker zu universellen Werten werden, auf der ganzen Welt. Und wir fühlen uns allen verbunden, die sich ebenfalls dafür engagieren. Deshalb möchten wir unsere absolute Unterstützung für Julian Feldmann und für alle Journalisten ausdrücken, die ihr Engagement und ihre Fähigkeiten für mehr Wahrheit und mehr Völkerverständigung einsetzen wollen.

  • Marguerite-Marie Béghin, Tochter eines Ofers des Massakers von Ascq

    Ich möchte Julian Feldmann all meine Unterstützung zusichern. Ihm und allen Journalisten, die das Leiden der unschuldigen Opfer des Massakers von Ascq sichtbar gemacht und die auch die grausamen Ansichten von Karl M. öffentlich gemacht haben.

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 29.11.2018 | 21:45 Uhr