Stand: 20.07.17 15:00 Uhr

Militante Gruppe aus Spanien: Gekommen, um zu zerstören

von Jasmin Klofta und Anne Ruprecht

Wenig ist bekannt über die Randalierer der G20-Krawalle. Im Netz gibt es Bilder einer militanten Gruppe aus Spanien, die dabei war. Im Interview erklären sie, dass sie in Hamburg gegen das "faschistische, kapitalistische" System protestieren wollten. Ideologisch knüpften sie an die RAF an.

Mit diesem Foto fing es an: Vier Männer, in Schwarz und vermummt posieren vor einer brennenden Barrikade in der Schanze. Für den Schnappschuss geben sie sich Mühe, halten eine Fahne ins Bild und recken ihre Arme nach oben.

Auf der Fahne steht oben "Brigades Antifeixistes" und darunter: "Castello". Die militante Gruppe aus Spanien hat ihren Aufenthalt in Hamburg mit vielen Fotos und Videos dokumentiert: Sie sitzen vor Graffitis mit antikapitalistischen Slogans, zeigen in einem Video eine Schlacht mit einem Wasserwerfer oder posieren vor weiteren brennenden Barrikaden.

Im "Cosa Nostra" bei den Autonomen

Wir folgen der Spur der Fotos und fahren nach "Castello", oder Castellon, wie der Ort im offiziellen Spanisch heißt. Die kleine Provinzhauptstadt nahe Valencia hat rund 170.000 Einwohner. Die erste Anlaufstelle vor Ort ist das inoffizielle Clubhaus der BAF. Es befindet sich in einem Kleine-Leute-Viertel und heißt "Cosa Nostra", übersetzt "Unsere Sache", ein Mafia-Wortspiel. Hier kursierten schon Wochen vorher Flyer für Anti-Gipfel-Veranstaltungen. Zudem fanden Vorbereitungstreffen statt.

Für den Gipfel hat die BAF auch ein Video-Manifest vorbereitet: "Seattle, Berlin, Genua, Washington und jetzt Hamburg", sagt ein Vermummte. 20 schwarz gekleidete und vermummte Personen posieren dazu für das Bild mit Schlagstöcken und Baseballschlägern vor einer Wand mit der Aufschrift "Welcome to hell. Smash G20".

Das Clubhaus - ein großer Raum in schwarz und rot, gefüllt mit kulturellen Zitaten, die für den Widerstand gegen den Kapitalismus stehen: Fotos von Fidel Castro, Bilder von vermummten Personen und immer wieder der Schriftzug BAF.

Kampf gegen das "faschistische, kapitalistische" System

Wir finden eine Gruppe, die bei G20 in Hamburg dabei war. Sie wollen uns zu einem Mann führen, der auch auf den geposteten Fotos zu sehen war und versprechen ein Interview - allerdings erst nach ein paar Vorkehrungen: Wir werden zu einem verlassenen Haus geführt, das Interview muss anonym sein. Den Ort aber erkennen wir sofort wieder - hier hat die BAF auch ihr Video-Manifest zum G20 gedreht. Vor gleicher Kulisse soll nun auch unser Interview stattfinden. Sie bestehen darauf, dass auch sie uns während des Interviews filmen.

Spanischer Autonomer

"José" hält es für seine "Pflicht", dass er sich in Hamburg an den G20-Krawallen beteiligt hat.

Der Mann, den sie uns dann vorstellen, nennt sich José. Er sagt, dass es "als militante Antikapitalisten unsere Pflicht war, bei G20 präsent zu sein." Und er betont, dass die Gruppe einzig nach Hamburg gefahren sei, um gegen das "faschistische, kapitalistische" System zu protestieren. Auf unsere Frage, ob Protest mit Gewalt für die BAF legitim sei, antwortet José, dass es immer dann "gerechtfertigt" sei, wenn es sich dabei um "Selbstverteidigung" handele.

Im Weltbild der BAF kämpft die Gruppe gegen eine übermächtige Repression. Sie geht davon aus, dass das kapitalistische System mit Hilfe des Staates die Menschen unterdrückt. José sagt: "Der Kapitalismus ist das brutalste System und es hat mehr Menschenleben gefordert als jedes andere System zuvor." Nach ihrer Logik wehren sie sich gegen dieses System und so sind all ihre Aktionen auch "Selbstverteidigung".

Neu aufgelegte Stadtguerilla?

Eine ähnliche Argumentation verfolgte in den 1970er-Jahren in Deutschland die Rote Armee Fraktion (RAF). Die BAF erklärt, dass die "ideologische Linie" ersten Generation der RAF "ausgezeichnet auf heute anwendbar" sei. In ihren Augen ist Spanien nach dem Ende der Franco-Diktatur 1975 in einem ähnlichen Zustand, wie Deutschland nach dem Dritten Reich in den 1970er-Jahren, als die RAF aktiv war. "So wie Ulrike Meinhof von der RAF sagte: 'Wirft man einen Stein, ist das eine strafbare Handlung. Werden tausend Steine geworfen, ist das eine politische Aktion. Zündet man ein Auto an, ist das eine strafbare Handlung, werden hunderte Autos angezündet, ist das eine politische Aktion'", zitiert José die wohl bekannteste deutsche Nachkriegsterroristin.

Wir zeigen José ein Video, in dem viele angezündeten Autos in der Elbchaussee zu sehen sind. Es sind auch kleine Autos dabei. Die BAF wolle zwar die Gewalt nicht verurteilen, sich von dieser Aktion dennoch distanzieren: "Wir haben an keiner einzigen Aktion teilgenommen, die einem Arbeiter oder der Arbeiterklasse geschadet hat", sagt José. Sie selbst seien Zimmermänner, Masseure oder Lehrer, die sich für die Arbeiter einsetzen. Die BAF will weiter machen. Kommendes Jahr geht es nach Buenos Aires - zum nächsten G20-Gipfel.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 20.07.2017 | 21:45 Uhr